(K)ein generelles Verbot ausgelagerter Praxisräume mit Time-Sharing: Das Time-Sharing-Verbot für das Basislabor und dessen Auswirkungen auf ausgelagerte Praxisräume im Allgemeinen und Leistungen des Speziallabors nach Kap. 32.3 EBM im Besonderen aufgrund der BSG-Entscheidung vom (Az. B 6 KA 24/17 R)

(K)ein generelles Verbot ausgelagerter Praxisräume mit Time-Sharing:

Das Time-Sharing-Verbot für das Basislabor und dessen  Auswirkungen auf ausgelagerte Praxisräume im Allgemeinen und Leistungen des Speziallabors nach Kap. 32.3 EBM im Besonderen aufgrund der BSG-Entscheidung vom 08.08.2018 (Az. B 6 KA 24/17 R)

In seiner Entscheidung vom 08.08.2018 hat das BSG (B 6 KA 24/17 R) zur Erbringung von allgemeinen Laborleistungen in ausgelagerten Praxisräumen entschieden. Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht worden.

Aus dem Terminbericht wird bereits deutlich, dass das BSG Laboreinrichtungen, in denen allgemeine Laboruntersuchungen nach Kap. 32.2 EBM-Ä erbracht werden und die im Time-Sharing genutzt werden, als Laborgemeinschaften nach § 1a Nr. 14a BMV-Ä einordnet. Diese nicht überzeugende Einschätzung des BSG führt dazu, dass selbst Vertragsärzte, die in keiner Weise Laborleistungen gemeinsam erbringen wollen, als Laborgemeinschaft qualifiziert werden. Mit der Folge, dass aufgrund der für Laborgemeinschaften bestehenden Pflicht zur Direktabrechnung eine eigene Abrechnung durch den Vertragsarzt nicht möglich ist.

Eine Auswirkung auf Leistungen des Speziallabors hat diese Entscheidung voraussichtlich nicht. Laborgemeinschaften im Sinne des § 1a Nr. 14a BMV-Ä sind allein für Laborleistungen nach Kap. 32.2 EBM vorbehalten, sodass die Erbringung von Speziallaborleistungen nach Kap. 32.3 EBM z.B. in im Time-Sharing genutzten Einrichtungen zu keiner Einordnung als Laborgemeinschaft führen sollte. Eine ausgelagerte Praxisstätte für Leistungen des Speziallabors auch in gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen erscheint daher nach wie vor möglich. Erst recht gilt dies für die auch ansonsten vielfältig anzutreffenden Time-Sharing-Lösungen im Bereich ausgelagerter Praxisräumlichkeiten. Diese sind vom BSG nicht verworfen, worden – allerdings auch nicht ausdrücklich bestätigt worden.

Trotz Genehmigungsfreiheit ist also die Anzeige der ausgelagerten Praxisräume unter Offenlegung etwaiger Time-Sharing-Lösungen zwecks Risikominimierung grundsätzlich zu empfehlen.

I. Kontext der Entscheidung

Hintergrund der Entscheidung war ein im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, der die KV um die Vergabe einer Nebenbetriebstättennummer bat, weil er ab dem Quartal I/2014 allgemeine Laborleistungen in ausgelagerten Praxisräumen erbringen wollte. Die Praxisräume waren eine Laboreinrichtung, die von einer Gesellschaft betrieben wurde. Mit dieser hatte er die Nutzung der Räume und Laborgeräte durch ihn selbst oder eigenes Personal vereinbart. Er wollte die Laboreinrichtung im Time-Sharing mit anderen Vertragsärzten, die ähnliche Vereinbarungen mit der Betreibergesellschaft hatten, nutzen. Die KV lehnte die Vergabe einer NBSNR mit der Begründung ab, dass die Abrechnung der allgemeinen Laborleistungen in gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten als eigene Leistungen nicht zulässig sei. Während das SG Düsseldorf das Bestehen einer Laborgemeinschaft ablehnte und ausgelagerte Praxisräume annahm, lehnte das LSG Nordrhein-Westfalen ausgelagerte Praxisräume ab, da der Vertragsarzt nicht allein über ihm fremde Laborräume und Gerätschaften verfügen und diese nicht uneingeschränkt unter Ausschluss Dritter nutzen könne (LSG NRW, Urt. v. 28.09.2016, L 11 KA 35/15, Rn. 34).

Dem Terminsbericht kann entnommen werden, dass das BSG eine Entscheidung darüber, ob das genutzte Labor ausgelagerte Praxisräumlichkeiten im Sinne des § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV darstellt, als nicht erforderlich angesehen hat. Vielmehr hat es seine Entscheidung auf § 25 Abs. 3 BMV-Ä gestützt, wonach die allgemeinen Laborleistungen nach Kapitel 32.2 EBM, die in Laborgemeinschaften erbracht werden, nicht als eigene Leistung des Vertragsarztes, sondern direkt von der Laborgemeinschaft abgerechnet werden müssen. In diesem Zusammenhang hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem im Time-Sharing genutzten Labor um eine Laborgemeinschaft im Sinne des § 1 Nr. 14a BMV-Ä handelt.

II. Einschätzung für Leistungen nach Kap. 32.2 EBM

Die Auffassung des BSG, dass es sich bei Laboreinrichtungen, die im Time-Sharing genutzt werden, um Laborgemeinschaften handele, ist nicht überzeugend.

Das BSG hat seine Entscheidung nicht wie das LSG NRW auf § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV gestützt, sondern auf den § 25 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä. Dabei hat es aus dem Time-Sharing-Modell eine Laborgemeinschaft konstruiert, ohne zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen für eine ausgelagerte Praxisstätte nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV bereits erfüllt waren. Nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV liegt eine ausgelagerte Praxisstätte vor, wenn der Vertragsarzt spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz erbringt. Dies war vorliegend der Fall, sogar nach Auffassung des LSG NRW wurden spezielle Untersuchungsleistungen in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz erbracht und seine vertragsärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz hat die Tätigkeit in den Laborräumen überwogen (LSG NRW, Urt. v. 28.09.2016, L 11 KA 35/15, Rn. 26-30). Ausgelagerte Praxisräume allein deshalb abzulehnen – wie das LSG NRW (Urt. v. 28.09.2016, L 11 KA 35/15, Rn. 34) –, weil die Räumlichkeiten und Gerätschaften in den Laborräumen nicht dem alleinigen Bestimmungsrecht des die Praxis betreibenden Vertragsarztes unterliegen, findet in den gesetzlichen Bestimmungen keinen Ansatzpunkt. Für die selbstständige vertragsärztliche Tätigkeit genügte bisher stets die für die Leistungserbringung notwendige Sachherrschaft (= Besitz). Eigentum o. ä. bzw. Besitz über das notwendige Maß hinaus, wurde bisher nicht gefordert – auch komplett gemietete und geleaste Praxiseinrichtungen und Praxisräumlichkeiten reichen aus. Warum das im Fall ausgelagerter Praxisräumlichkeiten nicht so sein soll, entzieht überzeugender rechtlicher Erwägungen.

Das BSG hat das Time-Sharing-Modell allerdings als Laborgemeinschaft eingeordnet und bereits aus diesem Grund das Vorliegen einer ausgelagerten Praxisstätte nicht in Betracht gezogen, obwohl die Voraussetzungen des § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV, § 1a Nr. 20 BMV-Ä durchaus vorlagen. Es fällt daher schwer der Einschätzung des BSG zu folgen, dass es sich bei Laboreinrichtungen, die im Time-Sharing genutzt werden, um Laborgemeinschaften handele. Bei einer Laborgemeinschaft handelt es sich gemäß §§ 1a Nr. 14a, 25 Abs. 3 Satz 6 BMV-Ä um eine Gemeinschaftseinrichtung von Vertragsärzten, die dem Zweck dient, laboratoriumsmedizinische Analysen des Abschnitts 32.2 EBM regelmäßig in derselben gemeinschaftlich genutzten Einrichtung zu erbringen. Diese Laborleistungen sind gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä aus der Laborgemeinschaft, deren Mitglied der Vertragsarzt ist, beziehbar. Insoweit gibt es in Laborgemeinschaften eine gegenseitige Zurechnung und auch eine gemeinsame Abrechnung der erbrachten Laborleistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Hintergrund dieser Direktabrechnung durch die Laborgemeinschaft ist die Ausnahme von der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, die dem Vertragsarzt in § 25 Abs. 3 BMV-Ä bei allgemeinen Laborleistungen eingeräumt wird (Schiller, BMV-Ä, § 25 Rn. 7).

Bei den Time-Sharing-Modellen fehlt es regelmäßig bereits an dem Zusammenschluss mit dem Zweck der gemeinsamen Leistungserbringung. Die Vertragsärzte wollen die jeweiligen allgemeinen Laborleistungen selbst bzw. durch weisungsgebundenes Fachpersonal erbringen und sie nicht aus einer Laborgemeinschaft beziehen. Insoweit kann nicht nachvollzogen werden, mit welchen Gründen das BSG eine Laborgemeinschaft bei Laboreinrichtungen, die im Time-Sharing genutzt werden, bejaht. Es bleibt also die Veröffentlichung der Urteilsgründe abzuwarten.

III. Auswirkungen auf die Leistungen nach Kap. 32.3 EBM

Weiterhin wirft das Urteil des BSG die Frage auf, ob es sich auch auf die Abrechnung und Erbringung von Leistungen des Speziallabors auswirkt.

1. Ausgelagerte Praxisräume nach wie vor möglich

Zunächst ist festzuhalten, dass anders als bei den Allgemeinlaborleistungen nach 32.2 EBM eine Abrechnung als eigene Leistung zwingend vorgeschrieben ist. Der § 25 Abs. 2 Nr. 2 BMV-Ä bestimmt, dass Leistungen des Speziallabors nicht beziehbar sind und von dem Vertragsarzt nach den Regeln der persönlichen Leistungserbringung selbst erbracht oder an einen anderen zur Erbringung dieser Untersuchung qualifizierten und zur Abrechnung berechtigten Vertragsarzt überwiesen werden müssen (Schiller, BMV-Ä, § 25 Rn. 6). Mithin muss die Leistung des Speziallabors zwingend vom Vertragsarzt persönlich erbracht und abgerechnet werden. Dies ändert sich auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG. Der Zwang zur Direktabrechnung für Leistungen des Speziallabors nach Kap. 32.3 EBM in gemeinschaftlichen Laboreinrichtungen scheidet folglich aus. Jeder Vertragsarzt rechnet mithin seine Leistungen selbst ab, weshalb u.E. auch weiterhin gemeinschaftlich genutzte Laboreinrichtungen, in denen Leistungen des Speziallabors erbracht werden, ausgelagerte Praxisräume nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV sein können.

2. Laborgemeinschaften für Leistungen des Speziallabors?

Wollte man der Rechtsauffassung des BSG folgen und Time-Sharing-Modelle als Laborgemeinschaften einordnen, führt das zu der Frage, ob sich diese Einordnung auch auf die Erbringung von Speziallaborleistungen auswirkt. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob in Laborgemeinschaften nach § 1a Nr. 14a, § 25 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä allein Leistungen nach Kap. 32.2 EBM erbracht werden dürfen oder auch Leistungen nach Kap. 32.3 EBM. Insoweit ist der BMV-Ä nicht eindeutig. § 1a Nr. 14a BMV-Ä definiert die Laborgemeinschaft als Zusammenschluss für Leistungen nach Kap. 32.2 EBM, nicht ausdrücklich genannt sind die Leistungen des Speziallabors. Mithin liegt die Auffassung nahe, dass die Laborgemeinschaft lediglich für Leistungen des Allgemeinlabors nach Kap. 32.2 EBM vorbehalten ist. Dafür sprechen jedenfalls die Bestimmungen des § 25 Abs. 2 und 3 BMV-Ä. Wird eine Leistung nach Kap. 32.2 EBM in einer Laborgemeinschaft erbracht, muss diese zwingend von der Laborgemeinschaft abgerechnet werden und darf nicht vom einzelnen Vertragsarzt als Eigenleistung abgerechnet werden. Im Gegensatz dazu stehen die Leistungen nach Kap. 32.3 EBM, die zwingend vom Vertragsarzt persönlich erbracht und abgerechnet werden müssen. Eine gegenseitige Zurechnung dieser Leistungen ist bei den Speziallaborleistungen nicht möglich. Mithin kommt eine gemeinschaftliche Leistungserbringung, wie sie §§ 1a Nr. 14a, 25 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä vorsieht, für Speziallaborleistungen nicht zwanglos in Betracht. Folglich sollte sich die Entscheidung des BSG zur Einordnung von Time-Sharing-Modellen auch nicht auf die Leistungen des Speziallabors auswirken.

IV. Fazit

Im Ergebnis wird sich diese Entscheidung voraussichtlich nur auf Vertragsärzte auswirken, die allgemeine Laborleistungen in gemeinschaftlich genutzten Laboreinrichtungen erbringen, ohne dass eine Abrechnung als Laborgemeinschaft stattfindet. Diese Ärzte sollten sich darauf einstellen, dass diese gemeinsamen Laboreinrichtungen von den Kassenärztliche Vereinigungen genauer geprüft werden. Aller Voraussicht nach wird sich die Entscheidung auf Laboreinrichtungen, die Leistungen des Speziallabors erbringen nicht auswirken. Ebenso wenig dürfte sie zu einer Änderung bei den Voraussetzungen für ausgelagerte Praxisräume im Allgemeinen führen. Die Verwaltungspraxis bleibt aber zu beobachten, angesichts des „Unwohlseins“, das sich in der Rechtsprechung Bahn bricht, wie die wechselhaften, aber doch kritischen Entscheidungen des BSG und der Vorinstanz zeigen.

 

Anna-Victoria Fries
Rechtsanwältin