Wahlleistungsvereinbarungen – BGH vs. LG Stuttgart: Wirksamkeit auch ohne ausdrückliche Beschränkung auf angestellte Ärzte

Der Bundesgerichtshof hat am 19.04.2018, III ZR 255/17, zur Auslegung von Wahlleistungsvereinbarungen entschieden (zur Entscheidung hier ). Gegenstand des Urteils waren bisher in vielen Krankenhäusern verwandte Formulierungen in den Wahlleistungsvereinbarungen, die auf einem Muster der Deutschen Krankenhausgesellschaft basieren. Diese enthielten in früheren, lange Zeit unangefochten gebliebenen Fassungen keine Beschränkung auf angestellte und beamtete Ärzte. In einer nicht unerheblichen Zahl an Einrichtungen fanden diese älteren Fassungen auch nach wie vor Verwendung. Der Gesetzestext nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz sieht eine solche Beschränkung auf angestellte und beamtete Ärzte indes vor. Das Landgericht Stuttgart hat hieraus gefolgert, dass eine Wahlleistungsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre, wenn sie eine solche Beschränkung nicht enthält (LG Stuttgart, 04.05.2016, 13 S 123/15). Der Bundesgerichtshof hat diese Schlussfolgerung in ihrer Allgemeinheit verworfen. Damit entfällt ein Unwirksamkeitsrisiko. Die Sicherheiten und Möglichkeiten der Gestaltung der Formulierung der Wahlleistungsvereinbarung werden bei sachgerechter Handhabung dadurch ausgebaut.
Im Übrigen unterfüttert der BGH seine Tendenz, die Liquidationsmöglichkeiten einzuengen. Zugespitzt: der Patient soll sich nicht eines Arztes seines Vertrauens, sondern nur des Vertrauens eines BGH-Richters versichern dürfen. Diese Disposition darüber, wem ein Patient sein Vertrauen geben darf und wessen Behandlung er sich versichern möchte, mag nach wir vor nicht zu überzeugen. Insoweit geht der BGH zwar nicht ausdrücklich über das hinaus, was er – ebenfalls nicht überzeugend – bereits an Restriktionen aufgestellt hat. Die Entscheidung könnte aber dahingehend verstanden werden, dass sich zukünftig weitere Einengungen ergeben könnten.
Die Klärung im Hinblick auf die Formulierung der Wahlleistungsvereinbarung, welche die Rechtssicherheit befördert, wird also von einer weiteren Unklarheit begleitet, welche Anforderungen an die Liquidationsberechtigung zu stellen sind. Dem ist einerseits entgegenzutreten. Andererseits ist darauf in der Gestaltung der Wahlleistungsregelungen Rücksicht zu nehmen, um alle Optionen verlässlicher Vereinbarungen auszuschöpfen.

1. Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses

Die Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses sah folgenden Passus vor:
„Die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind, einschließt der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten oder ärztlich geleitete Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.“ (Hervorh. d. d. Verf.)
Damit wich die Klausel von der Formulierung von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG ab. Dort ist ausgeführt:
„Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, …“ (Hervorh. d. d. Verf.)
Das LG Stuttgart hatte in der oben erwähnten Entscheidung [Link auf Stuttgart einfügen] daraus gefolgert, dass die Wahlleistungsvereinbarung eine Erstreckung über den gesetzlich zulässigen Umfang hinaus vorsah, weil keine Beschränkung auf angestellte oder beamtete Ärzte vorgesehen war. Insoweit konnte es auf die Entscheidung des BGH vom 16.10.2014, 3 ZR 85/14 [Link auf BGH einfügen], zurückgreifen. In dieser Entscheidung hatte der BGH judiziert, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG eine Beschränkung der zulässigen liquidationsberechtigten Ärzte eines Krankenhauses vorsehen würde.
Diese Entscheidung des LG Stuttgart war problematisch und das unabhängig von der grundsätzlichen Kritik bereits an der zu Grunde liegenden BGH-Auffassung. Die LG-Fassung führte nämlich dazu, dass die Wahlleistungsvereinbarung insgesamt als unwirksam betrachtet wurde. Damit konnte das Liquidationsrecht auch von Ärzten infrage gestellt werden, die in den jeweiligen Einrichtungen tatsächlich angestellt waren, nur weil die Formulierung nicht ausdrücklich auf angestellte und beamtete begrenzt war. Damit führte eine Formulierung, die dem früheren DKG-Muster entsprach und auch jetzt noch den DKG-Mustern für die Information vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarungen entspricht, selbst dann zur Versagung des Liquidationsanspruchs, wenn in einer Einrichtung nur angestellte Ärzte tätig sind. Diese Konsequenz ist aus dem verfolgten Ansatz des LG keineswegs herzuleiten. Es schließt von der angenommenen Unwirksamkeit eines Teils der Vereinbarung (bzgl. Honorarärzten) auf die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung (bzgl. sämtlicher Ärzte), ohne dass dies unmittelbar begründet wird. Dieses Ergebnis drängt sich hier – nach Auslegung – weder aufgrund § 1329 BGB (Teilnichtigkeit) noch aufgrund des § 306 BGB (Unwirksamkeit von AGB) auf.

2. Entscheidung des BGH

Diesem Ergebnis ist der BGH sodann auch zu Recht entgegengetreten. Bei der oben zitierten Klausel hat der BGH diese dahingehend ausgelegt, dass von vornherein nur eine Begrenzung im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG gewünscht war. Danach wollte das Krankenhaus in solch einem Fall ausschließlich ein Liquidationsrecht für Ärzte des Krankenhauses einräumen, die in einem Anstellungs- und Beamtenverhältnis zum Krankenhausträger stehen. Honorar-, Beleg- oder Konsiliarärzte sollten nach Ausschließen dieser Klausel nicht darunterfallen, weil sie auch dem § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nicht unterfielen.
Dieses wirksamkeitsfördernde Ergebnis ist zu begrüßen. Damit werden viele Einrichtungen von einem latenten Risiko entlastet, die nicht unmittelbar im Nachgang entsprechende Anpassungen vorgenommen hatten. Krankenversicherungen, die sich hierauf beriefen, ist damit insoweit die Argumentationsgrundlage genommen.
Fraglich bleibt, ob diese Entscheidung auch auf Fälle zu übertragen ist, bei denen in der Wahlleistungsvereinbarung nicht auf Ärzte „des Krankenhauses“ abgestellt wurde, sondern nur allgemein auf Ärzte. Die Randnummer 26 der BGH-Begründung scheint dagegen zu sprechen. Dort wird in Abgrenzung zum Urteil des Landgerichtes Stuttgart die Auffassung vertreten, dass sich dort die Wahlarztveränderung pauschal auf alle an der Behandlung beteiligten Ärzte ohne Beschränkung auf diejenigen des Krankenhauses erstreckte. Allerdings war an dem dortigen Fall folgende Klausel Gegenstand gewesen:
„Ausdrücklich wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Vereinbarung über zusätzliche wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung beteiligten ärztlichen Direktoren/Ärzte, soweit diese zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen durch Ärzte und ärztlich gerichtete Einrichtungen außerhalb des Klinikums erstreckt (Wahlarztkette nach § 17 Abs. 3 KHEntgG).“ (Hervorh. d. d. Verf.)
Dass diese Formulierung in Abgrenzung zu den Ausführungen des BGH nicht mehr in einem zulässigen Sinne ausgelegt werden kann, leuchtet nicht ein. Durch die Formulierung und durch den Gesetzesverweis wird zwischen Ärzten innerhalb des Klinikums und außerhalb des Klinikums unterschieden. Der Ansatzpunkt der Auslegung für den BGH, nach welchen Ärzte einer Einrichtung nur solche im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sein könnten, sollte also ebenfalls gelten müsste.

3. Restriktion der Wahlarztoptionen

Im Übrigen wiederholt und vertieft der BGH mit seinen weiteren Ausführungen in den Randnummern 24, 25 und 28 seine restriktive Interpretation des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG. Die Wahlarztvereinbarung wird noch stärker auf das Modell „Chefarztbehandlung“ zugeschnitten. Sämtliche nicht angestellten Ärzte, wie der Honorararzt und nun auch unmissverständlich der Konsiliararzt und ein Belegarzt werden als potenzielle Wahlärzte des Krankenhauses ausgeschlossen. Unter Umständen könnten damit auch gewillkürte Vertreter entfallen, soweit diese nicht ebenfalls in Anstellung befindlich sind. Gleiches gilt u. U. für Ärzte in nicht leitender Funktion, indem dem Patientenwillen unterstellt wird, dass er die besondere Erfahrung der herausgehobenen Kompetenz als gegeben ansieht, wenn der betreffende Wahlarzt eine leitende Position innehat.
Diese weiteren restriktiven Interpretationsmöglichkeiten sind allerdings nicht eindeutig. Sie sind aber ebenso abzulehnen wie die Grundannahmen. Diese Grundannahmen sind verfestigt worden und zum Nachteil des Patienten und der Ärzte mit der eigentlichen und ausschließlichen Intention des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG verknüpft worden. Nach dieser Gesetzesintention ist die Wahlleistungsvereinbarung eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung, also entweder werden die Leistungen aller Wahlärzte „gekauft“ oder eben keines Wahlarztes. Der BGH führt hierzu Folgendes aus:
„Zugleich ermöglicht die Wahlleistungsvereinbarung der Wahlarztkette des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG, dass sämtliche wahlärztliche Leistungen als Einheit angeboten und erbracht und weitere im Krankenhaus angestellte Ärzte, auf deren Mitarbeit der leitende Krankenhausarzt (Chefarzt) angewiesen ist, an dessen Privatliquidation beteiligt werden können (Bundesverfassungsgericht, Beck RS 2015, 43653 Rn. 24).“
Diese Formulierung ist beschönigend, weil als einzig belegbarer Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG dazu zwingt, dass die wahlärztlichen Leistungen als Einheit eingekauft werden. Der Patient kann sich nicht also z.B. aussuchen für die Leistung einer Abteilung den Wahlarzt Dr. M in Anspruch zu nehmen, es für eine oder alle anderen Abteilung aber bei den allgemeinen Krankenhausleistungen zu belassen. Es geht nicht um ein „Ermöglichen“ zugunsten des Patienten, sondern um ein – in der Historie durchaus begründbares – „Müssen“ im Sinne eines Kontrahierungszwangs. Der weitere genannte Zweck der Beteiligung der nachgeordneten Ärzte, ist sodann nicht belegbar. Zwar führt ihn das Bundesverfassungsgericht an. Das Bundesverfassungsgericht schöpft diesen Zweck aber aus einer anderen Entscheidung, welche die rechtliche Zulässigkeit einer Verpflichtung zur Beteiligung von nachgeordneten Ärzten zum Gegenstand hat. Diese nachgeordneten Ärzte haben kein eigenes Liquidationsrecht. Deren Interessen werden unmittelbar also nicht berührt und eignen sich nicht als unterstellter Gesetzeszweck.
Folglich kombiniert der BGH hier den vom Gesetzgeber angelegten Kontrahierungszwang zum Nachteil des Patienten mit dem von BGH in die Bestimmung hineingelesen Kontrahierungsverbot, das ebenfalls zum Nachteil des Patienten wirkt. Dieser Nachteil folgt daraus, dass sich der Patient für andere als angestellte oder beamtete Ärzte am Krankenhaus nach dieser Interpretation nicht entscheiden kann. Selbst wenn er also sein Vertrauen einem Arzt schenken will, der nicht den äußeren Merkmalen eines Chefarztes nach Auffassung des BGH entspricht, darf der Patient dies nicht.
Diese Bevormundung überzeugt nach wie vor nicht. Es sollte dem Patienten überlassen bleiben, sich selbst eine Auffassung zu bilden, wem er besonderes Vertrauen schenken will und auf wessen Leistungen er sich dementsprechend verlassen mag, schon auch um in wesentlichen Entscheidung nicht wechselnden Ärzten ausgesetzt zu werden. Einen Schutz vor einer „Überzahl“ an liquidationsberechtigten Ärzten, der aus dem Kontrahierungszwang des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG folgen könnte, und der zumindest noch eine sinnvolle Schutzrichtung haben könnte, wäre anders zu verwirklichen. Voraussetzung ist alleine, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG, wie es Wortlaut und Zielrichtungen nahelegen, nur als Bestimmung zur Wahlarztkette gelesen wird. Dann befasst sich die Bestimmung nur mit Ärzten, die vom originären Wahlarzt (z. B. Operateur, Geriater, Onkologe jeweils als Hauptbehandler) beigezogen werden (z. B. Radiologie, konsiliarisch beigezogener Kardiologe). Nur wenn diese weiteren liquidationsberechtigten Ärzte auch angestellt/beamtet sind, sind diese zwingend in die Wahlarztkette aufzunehmen. Wer als Hauptbehandler gewählt wird, bleibt demgegenüber alleine von § 17 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG geregelt. Das Interesse, etwaige Überforderung zu vermeiden, würde mit dem Interesse, „verdeckte“ Disziplinen nicht von der Liquidation auszuschließen (z. B. Labordiagnostik, Pathologie, Radiologie), verbunden. Zugleich der Patient aber nicht in seiner höchstpersönlichen Vertrauensentscheidung bevormundet, wessen Hauptleistungen er sich vertraglich versichern darf.
Die Auffassung des BGH kann damit weder im Hinblick auf die gesetzlichen Materialien, noch die Formulierung des Gesetzestextes und Zwecke überzeugen. Das gilt auch für die vertiefte inhaltliche Anknüpfung an Kriterien der arbeitsrechtlichen/sozialversicherungsrechtlichen Stellung (angestellt/beamtet als Voraussetzung) bzw. des Status innerhalb des Krankenhausgefüges (ggf. leitender Arzt als Voraussetzung). Dass diese Kriterien solche Aussagen erlauben lassen, nach welchem der Patient zu seinem eigenen Schutze sich nicht auf andere Kriterien verlassen darf – worin die Quintessenz der BGH-Entscheidungen liegt –, bleibt auch nach diesen BGH-Ausführungen nicht nachvollziehbar. Im Interesse der Wahlfreiheit des Patienten, die durch umfassende Information vorab und Begrenzung der Wahlarztkette wirtschaftlich flankiert bleibt, ist also einer überschießenden Interpretation des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG entgegenzutreten.
Ungeachtet auch dieser kritikwürdigen wie offenen Punktes bleibt aber auch hier zu empfehlen, die Strukturen und die Interpretation der Rechtsprechung im Auge zu behalten, und zu überprüfen, inwieweit Ärzten, denen das Liquidationsrecht eingeräumt wurde, welche den tendenziell zunehmenden Anforderungen des BGH genügen.

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt

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