Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen auch nach Unterbrechung von drei Jahren nicht erneut möglich – BVerfG korrigiert Rechtsauffassung des BAG

Das Bundesverfassungsgericht hat am 06.06.2018, 1 BvL 7/14, zur Möglichkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 TzBfG nach einer Unterbrechung von drei Jahren entschieden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) gilt das in § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) enthaltene Verbot der Vorbeschäftigung nicht, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurde diese Auffassung als eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung bewertet. Eine sachgrundlose Befristung kann demgemäß nur bei einer erstmaligen Einstellung eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG vereinbart werden.

Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer befristet ohne Sachgrund einstellen möchte, muss demgemäß prüfen, ob der Arbeitnehmer zuvor mit dem Unternehmen bereits arbeitsvertraglich verbunden war. In diesem Fall ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nicht rechtswirksam möglich. Unberührt bleibt hiervon jedoch die Möglichkeit, eine Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu vereinbaren. Arbeitgeber, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des BAG trotz Vorbeschäftigung einen Arbeitnehmer sachgrundlos befristet eingestellt haben, sollten prüfen, ob eine etwaige Kündigungsmöglichkeit während bestehender Probezeit wahrgenommen werden soll.

1. Bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Vergangenheit § 14 Abs. 2 S. 1 und 2 TzBfG im Hinblick auf die Zulässigkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung bei Wiedereinstellung ausgelegt.

§ 14 Abs. 2 S. 1 und 2 TzBfG lauten:

„Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“

Das Bundesarbeitsgericht hat das in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG enthaltene Verbot der Vorbeschäftigung wie folgt ausgelegt (BAG, Urt. v. 06.04.2011, 7 AZR 716/09, Rn. 13):

„Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.“

Nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes war es einem Arbeitgeber daher möglich, auch dann, wenn ein Arbeitnehmer z.B. als Aushilfe oder als Werkstudent zuvor bereits für diesen tätig war auch bei einer erneuten Einstellung das Arbeitsverhältnis wirksam sachgrundlos bis zu einer Dauer von zwei Jahren zu befristen. Einzige Voraussetzung war, dass zwischen dem Ende des vorherigen Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des erneuten Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre vergangen sind.

2. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes

Diese Auslegung des Bundesarbeitsgerichtes wird durch das Bundesverfassungsgericht als unzulässige richterliche Rechtsfortbildung bewertet. Der Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages mit einem Arbeitnehmer, mit dem zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber bestanden hat, ist demgemäß nicht rechtswirksam möglich.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber geboten. Dieser Beschränkung bedarf es zum einen als Schutz vor der Kettenbefristung, da in solchen Fällen die strukturelle Unterlegenheit von Arbeitnehmern regelmäßig ausgenutzt werde. Zum anderen bedarf es dieser Regelung, da das unbefristete Arbeitsverhältnis den Regelfall darstellen soll und dieser Regelfall gesichert werden muss. Der dahingehende Wille des Gesetzgebers sei klar erkennbar und dürfe nicht übergangen werden. Insbesondere dürfe der Wille des Gesetzgebers auch nicht durch ein eigenes Regelungsmodell im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ersetzt werden.

3. Fazit

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes korrigiert die in der Fachliteratur vielfach kritisierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Frage der Möglichkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung. Folglich ist eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses lediglich bei erstmaliger Einstellung eines Arbeitnehmers möglich. Möchte ein Arbeitgeber gleichwohl ein (erneutes) Arbeitsverhältnis befristen, bedarf es eines Sachgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG wie z.B. eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfes oder der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, der sich z.B. in Elternzeit befindet. Insoweit ist die Ausgangslage klar. Jeder Arbeitgeber hat somit vor Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu prüfen, ob zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ist dieses der Fall, ist keine erneute sachgrundlose Befristung rechtswirksam möglich. Es bedarf dann eines Sachgrundes.

Offen bleibt jedoch, wie sich die Entscheidung auf die bereits angesichts der Auslegung des Bundesarbeitsgerichtes erneut sachgrundlos befristet abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Besteht insoweit Vertrauensschutz, der die sachgrundlose Befristung ausnahmsweise für die Vergangenheit rechtswirksam ermöglicht? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Urt. v. 25.04.2015, 1 BvR 2314/12, Rn. 13) begründet höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ohne Weiteres schutzwürdiges Vertrauen in eine Rechtslage. Hierzu bedarf es des Hinzutretens weiterer Umstände. Die Frage des Vertrauensschutz wird in Zukunft die zuständigen Arbeitsgerichte noch beschäftigen. Aus Arbeitgebersicht sollte jedenfalls dann, wenn die Probezeit im Fall eines vorbeschäftigten und nach Ablauf der Karenzzeit noch nicht abgelaufen ist, geprüft werden, ob eine Probezeitkündigung erfolgen soll.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist aus Arbeitgebersicht bedauerlich. Das gilt insbesondere, da eine Kettenbefristung bei einem Abstand von mehr als drei Jahren zwischen einzelnen Arbeitsverhältnissen kaum zu befürchten steht. Ein Arbeitgeber, der z.B. einen Werkstudenten während dessen Studienzeit beschäftigt hat, wird diesen gegebenenfalls nicht erneut nach Abschluss des Studiums beschäftigen wollen, da eine sachgrundlose Befristung nicht möglich wäre. Diese Konsequenz erscheint absurd. Die Tätigkeit vor Studienabschluss und nach Abschluss des Studiums und sich gegebenenfalls anschließender erster Berufserfahrung sind miteinander nicht vergleichbar. Gleichwohl wird einem Arbeitgeber ein für ihn wichtiges Instrument der Personalplanung genommen und dem Arbeitnehmer die Chance, in dem Unternehmen tätig zu werden. Das Argument, es sei dem Arbeitgeber unbenommen, den Arbeitnehmer, der zuvor bei ihm als Werkstudent tätig war, gleichwohl zu beschäftigen ist eher theoretischer Natur. Bei einer Auswahl von möglichen Arbeitnehmern wird ein Arbeitgeber eher denjenigen Arbeitnehmer auswählen, den er zunächst, aus welchem Grund auch immer, sachgrundlos tätig werden lassen kann. Die Entscheidung hat somit negative Auswirkungen sowohl auf die Arbeitgeber- als auch auf die Arbeitnehmerseite. Zuzugeben ist, dass die Entscheidung dogmatisch richtig ist. Der anerkennenswerte Vorstoß des Bundesarbeitsgerichtes, den Bedürfnissen der Praxis gerecht zu werden, findet damit leider sein Ende. Hier ist nunmehr der Gesetzgeber aufgefordert, eine entsprechende klarstellende Regelung in der ohnehin geplanten Neufassung des TzBfG aufzunehmen. Ob eine solche Klarstellung tatsächlich erfolgt, ist angesichts der Pläne der großen Koalition im Hinblick auf die beabsichtigte Verschärfung der Regelungen zur sachgrundlosen Befristung allerdings mehr als fraglich.

 

Tanja Koopmann-Röckendorf, LL.M. oec.
Rechtsanwältin