Weitere Gründungs- und Expansionsbeschränkungen für ärztliche und zahnärztliche MVZ: Befürchtungen, Empirie und Rechtsfolgenlogik

 

Weitere Gründungs- und Expansionsbeschränkungen für ärztliche und zahnärztliche MVZ: Befürchtungen, Empirie und Rechtsfolgenlogik

Nachfolgend wird ein Überblick über die aktuelle Diskussion über die Beschränkungen nicht-ärztlicher MVZ gegeben. Die Bundesregierung wird diesen nicht folgen wollen, wie die unmittelbar bevorstehende Stellungnahme zu aktuell diskutierten Vorschlägen des Bundesrates zeigen wird. Allerdings sind Bedenken gegenüber dem aktuellen Rechtsstand angebracht, wenn auch aus anderen Gründen.

Für eigene strategische Planungen in der MVZ-Entwicklung ist deswegen eine genaue Beobachtung der weiteren Diskussion geboten. Es ist möglich, dass entweder berechtigte Bedenken ignoriert werden und Wettbewerbsverzerrungen verbleiben, wie es zu weit überschießenden Beschränkungen kommen kann. Diese Beschränkungen sind dann nicht vom Gedanken des Schutzes von Leistungserbringern, Versicherten und der Versorgung im und durch den Wettbewerb, sondern vom Gedanken des Schutzes vor Wettbewerb getragen. Dann würde erneut die systemische Neigung im Gesundheitsrecht, das Kind mit dem Bade auszuschütten, durchschlagen. Darauf muss man sich in der zukünftigen Planung einstellen, gleich ob aus ärztlicher oder nicht-ärztlicher Perspektive

I. Diskussion über Gründungsbeschränkungen: Begrenzung Marktanteile, Gründungsorte und Mitarbeit Inhaber

Die Entwicklungsmöglichkeiten von MVZ bleiben in steter Diskussion, wie schon der bisherige TSVG-Entwurf zeigt (zur Prüfung der Nachbesetzungsfähigkeit von Angestelltenstellen siehe hier und hier. Der Bundesrat hat außerdem den Wünschen ärztlicher Standesvertreter durch Übernahme von deren Gesetzesvorschlägen in eine Bundesratsinitiative zum TSVG breiten Raum gegeben (s. Empfehlungen des Gesundheitsausschusses, Seite 21 ff, zum bisherigen Entwurfsstand siehe hier). Nach den dort niedergelegten Vorschlägen soll eine marktbeherrschende Stellung von MVZ ausgeschlossen werden mittel eines vereinfachenden Begriffes der Marktbeherrschung. Diese Marktbeherrschung soll bei einer Grenze von 50% der Arztsitze in einem Planungsbereich liegen. Ersatzweise soll nach der Initiative zumindest eine regionale Gründungsbeschränkung vorgesehen werden. Gründer müssen danach in der jeweiligen KV ansässig sein, um dort MVZ gründen zu können; außerdem soll für die fachärztliche Versorgung eine 25%-Schwelle als Konzentrationsgrenze gelten. Beide Vorschläge gehen damit über die primär verfolgte 50%-Begrenzung weit hinaus. Für nicht-ärztliche Gründer soll außerdem vorgesehen werden, dass diese ausgenommen den Fall der Unterversorgung, im Planungsbereich ansässig sein müssen

Kumuliert man die Vorschläge der Bundesregierung (nachfolgend unterstrichen) und des Bundesrates (nachfolgend blau hervorgehoben), würde die einschlägige Regelung des § 95 Abs. 1a SGB V wie folgt lauten:

1Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3 in Gebieten, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen hat, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden; die Gründung ist nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. 1aKrankenhäuser sind zur Gründung von medizinischen Versorgungszentren nur berechtigt, wenn der Krankenhausstandort innerhalb des entsprechenden Planungsbereich liegt, in dem das medizinische Versorgungszentrum seinen Sitz haben soll, oder es in einem Gebiet liegt, für das der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen hat und das Krankenhaus nach der Feststellung im Krankenhausplan einen Versorgungsauftrag in den Fachgebieten hat, die im medizinischen Versorgungszentrum vertreten sein sollen. 2Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt. 2aDie Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von zugelassenen Trägern nach Satz 1 gegründet wurden, ist auf den jeweiligen KVBezirk, in dem der Träger seinen Sitz hat, und in der fachärztlichen Versorgung auf einen Anteil von 25 Prozent der Ärzte einer Facharztgruppe begrenzt; der Zulassungsausschuss kann hierzu aus Gründen der vertragsärztlichen Versorgung Ausnahmen festlegen. 3Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von zugelassenen Krankenhäusern und die von Erbringern nicht ärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am … [einsetzen: Datum des Tages der Verkündung] bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort.

Tragend sind nach den Gründen folgende Entwicklungen

feststellbare und für das Versorgungsgeschehen und die Versorgungssicherheit schädliche Monopolisierungstendenzen in der vertragsärztlichen Versorgung durch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) …

…. In immer mehr Bereichen der ambulanten ärztlichen Versorgung bilden sich konzernartige Strukturen aus, oft in der Hand renditeorientierter Unternehmen. In manchen Regionen, besonders in Ballungsräumen, sind alle oder ein Großteil der Arztsitze einer Fachgruppe in der Hand desselben Konzerns. Es besteht die Gefahr der Monopolisierung und damit der Verschlechterung der Patientenversorgung.

In die gleiche Richtung geht die Diskussion für zahnärztliche MVZ. Diese werden von der KZBV schon immer als Bedrohung ausgemacht (s. z. B. hier).

Es sei folgende Entwicklung festzustellen:

Statt einer Verbesserung der Versorgung in ländlichen Gebieten sind starke regionale Konzentrationsprozesse der MVZ in bereits gut bis sehr gut versorgten Gebieten zu verzeichnen. Arztgruppengleiche MVZ wirken aufgrund dieser Sogwirkung wie ein Katalysator für eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten und bringen keinen versorgungspolitischen Mehrwert.

Es wird eine noch weitere Einengung der möglichen Gründungsorte gefordert, ein genereller fachlicher Bezug, der Ausschluss zahnärztlicher MVZ sowie eine Beschränkung des Gründerkreises auf Leistungserbringer, deren fachliches Spektrum im MVZ auch alleine erbracht wird (s. hier).

II. Befürchtungen ohne Belege

Wie die Diskussionen zu den Vorschlägen ausgehen, ist offen. Gefolgt werden dürfte den Vorschlägen des Bundesrates in dieser Ausgestaltung kaum, fraglich ist aber, ob und was an Resten u. U. verbleibt. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Faktenlage kaum zur Rechtfertigung der angedachten Beschränkungen geeignet ist. Nicht wenige der Befürchtungen entpuppen sich als nicht belegte Behauptung. Alleine wirken sich solche Behauptungen bis in Gerichtsverfahren aus, in welchen Richter solche Behauptungen übernehmen (s. z. B. SG Hamburg, Urt. v. 28.09.2016, S 27 KA 39/16, Rn, 30, wonach eine Vormachtstellung der Krankenhäuser im niedergelassenen Bereich zu befürchten sei – zu den Folgen des Rechtsstreites vor dem SG Hamburg s. hier).  

Beispielhaft wird das anhand einer sog. kleinen Anfrage, mit welcher sich die Linke an die Bundesregierung gewandt hatte. Kern der Anfrage ist:

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und danach wurden Befürchtungen geäußert, diese neue Regelung könnte Nachteile für die Versorgung mit sich bringen. Zum einen könnte sich durch zahnärztliche MVZ im ländlichen Raum eine Konzentration der Standorte ergeben, was zu noch größeren Entfernungen zum Wohnort der Patientinnen und Patienten führen würde. Zum anderen ermögliche diese Regelung das Eindringen von Kapitalgesellschaften in die bislang durch Einzel- und teils Gemeinschaftspraxen geprägte Versorgungslandschaft.

Die Bundesregierung hat geantwortet. Unter anderem lässt die Bundesregierung folgendes feststellen:

6. Hat die Neuregelung nach Kenntnis der Bundesregierung bislang irgendwelche Effekte auf die Erreichbarkeit von zahnärztlichen Leistungen im ländlichen Raum gehabt?

Valide Daten, ob die in Rede stehende Neuregelung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes bislang Effekte auf die Erreichbarkeit von zahnärztlichen Leistungen im ländlichen Raum gehabt hat, liegen der Bundesregierung nicht vor.

11. Wie häufig gründeten nach Kenntnis der Bundesregierung bislang Vertrags(zahn)ärztinnen und -(zahn)ärzte, zugelassene Krankenhäuser, gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmen, oder Kommunen rein zahnärztliche MVZ?  Wie häufig sind darunter private Krankenhäuser vertreten?

Sieben der 303 rein zahnärztlich MVZ wurden von Krankenhäusern und 296 von Vertrags(zahn)ärztinnen und -(zahn)ärzten gegründet. Von gemeinnützigen Trägern oder Kommunen wurden damit bisher keine MVZ-Gründungen vorgenommen. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, wie viele der sieben Krankenhäuser in privater Trägerschaft sind.

12. Wie häufig ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Träger so groß, dass das rein zahnärztliche MVZ nicht der wesentliche Teil seiner unternehmerischen Betätigung ist, und welcher Art sind diese Träger?

Nach Mitteilung der KZBV sind dieser keine MVZ-Konstrukte bekannt, in denen das rein zahnärztliche MVZ nicht den wesentlichen Teil der unternehmerischen Betätigung darstellt.

Wie so häufig hilft also der Blick auf die tatsächlichen Fakten, Befürchtungen die Substanz zu nehmen. Das gilt auch für vertragsärztliche MVZ, bei denen die Anzahl vertragsärztlicher MVZ zuletzt deutliche angestiegen war und damit wie bisher und nun wieder die größte Trägergruppe darstellt (vgl. hier).

Auch ansonsten sind Belege für etwaige Monopolisierungstendenzen rar gesät. Nach dem, was bekannt ist, gibt es zwar regionale Einzelfälle, allerdings sind hier gewandte ärztliche Leistungserbringer nicht minder vertreten. Problematische Entwicklungen wurden hier vom Kartellamt aber bisher im Allgemeinen nicht gesehen (vgl. hier).

Dennoch sind die Bemühungen von Kapitalinvestoren unübersehbar. Allerdings beruhen diese auf Annahmen zur Entwicklung der Versorgungsmöglichkeiten, deren Bestätigung noch aussteht und namentlich in patientennahmen Disziplinen sehr optimistisch ausfallen. Nachhaltig werden die Bemühungen von Investoren in diesem Bereich möglicherweise nicht ausfallen, ist doch die erfolgreiche Gestaltung auf Basis ausschließlich angestellter Ärzte höchst anspruchsvoll. Krankenhäuser sind zudem schon wieder auf dem Rückzug bzw. stark gebremst aufgrund Misserfolgen.

Weder gibt es also eine bisher nachweisbare größere Zahl regionaler Monopole in Hand von nicht-ärztlichen MVZ noch gibt es Konzerne, die nachweisbar relevante Marktanteile des Gesamtmarktes beherrschen. Noch weniger sind kausale Beeinträchtigungen der Versorgung belegt oder nicht-ärztliche Unternehmungen per se ungeeignet für Beiträge zur medizinischen Versorgung (instruktiv zu dieser Problematik: https://www.bmvz.de/allgemein/fuer-ein-faires-nebeneinander-der-strukturen-ein-meinungsbericht/).

Gleichwohl bleibt eine durchaus unbefriedigende Informationslage festzustellen, wie auch das Unbehagen von Funktionären jenseits des unbeachtlichen Impetus bloßen Klientelschutzes nachvollziehbar ist. Sektorenuntersuchungen z. B. des Kartellamtes, wie sie für andere Bereiche gängig sind, sind damit für den Markt der ärztlichen Leistungserbringung zur Objektivierung angezeigt.   

III. Differenzierte Bewertung: Fairness im Wettbewerb statt Angst vor Wettbewerb

Außerdem sollte man sorgfältiger zwischen tatsächlichen Risiken für die Versorgung und Konkurrenzkämpfen zwischen Inhabern verschiedener Versorgungsmodelle unterscheiden. In einer Konkurrenz der Versorgungsmodelle läge nämlich vor allem eine Belebung des Wettbewerbs, was das Gegenteil einer Bedrohung der Versorgung wäre. Fairness im Wettbewerb zwischen den Versorgungsformen ist dann allerdings umso mehr geboten.

Die im TSVG-Entwurf der Bundesregierung bisher formulierte Grundidee erscheint deswegen grundsätzlich plausibel (s. hier).

Die Sicherstellung einer guten medizinischen Versorgung setzt Versorgungsstrukturen voraus, die den Vorstellungen der Ärztinnen und Ärzte von ihrer Berufsausübung Rechnung tragen. Neben dem Bekenntnis des Koalitionsvertrags zur Freiberuflichkeit der Heilberufe ist daher auch dem Wunsch vieler insbesondere junger Medizinerinnen und Medizinern nach einer Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis gerecht zu werden. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind dafür seit vielen Jahren eine attraktive Form der Berufsausübung, zumal eine Tätigkeit dort häufig auch mit flexibleren Arbeitszeiten verbunden ist. Um die Attraktivität der medizinischen Versorgungszentren zu erhalten und gleichzeitig für eine ausgewogene Balance zwischen Anstellung und selbstständiger Tätigkeit zu sorgen, werden die gesetzlichen Regelungen weiterentwickelt und Rechtsunsicherheiten beseitigt.

Mithin sollte eine differenzierte Sichtweise auch in konkreten Gerichtsstreitigkeiten befördert werden, weg von der Frage ob solch ein Wettbewerb stattfinden sollte, hin zu der Frage, wie er fair und zum Wohle des Patienten ausgestaltet werden kann. Dass das bisherigen Leistungserbringern Umstellungen abverlangt, kann kein Grund sein, die Konkurrenz als solche zu verbieten.

Fehlentwicklungen ist indes entgegenzutreten. Das wäre grundsätzlich mit dem bisherigen rechtlichen Manual namentlich des Wettbewerbs- und Kartellrechtes sowie den spezifischen vertragsärztlichen Maßgaben möglich. Vieles dürfte der Wettbewerb zudem ohnehin lösen, weil sich institutionelle MVZ häufig weit weniger gut entwickeln als zum Gründungszeitpunkt erhofft (vgl. hier) und – völlig rechtsformunabhängig – „inhabergeführte“ Praxen, BAG und MVZ sich auf längere Sicht deutlich überlegen zeigen werden. Dazu bedarf es keiner gesonderten gesetzlichen, doch wieder nur wettbewerbsverzerrenden Hilfestellungen.

Allerdings lässt sich feststellen, dass es dennoch Verbesserungen bedarf. Beispielweise könnten Monopolisierungen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle, wie sie auf dem Krankenhausmarkt üblich sind und auch im ambulanten Markt möglich wären, bereits jetzt ermittelt, kontrolliert und unterbunden werden. Die damit eingeräumten Kontrollmöglichkeiten werden aber praktisch kaum genutzt. Kartellämter wie auch die Selbstverwaltung bleiben hinter den Möglichkeiten zurück. Das wirft es kein gutes Bild auf die KV‘en, die sich scharf gegen behauptet schon vielfach bestehende Monopole positionieren, aber von den längst bestehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen. Die öffentlich an den Tag gelegte Zurückhaltung des Bundeskartellamtes, das hier regelmäßig keinen Handlungsbedarf sieht (s. o.), ist ebenfalls zweischneidig. Es könnte zwar bedeuten, dass der Bundesrat angestiftet von den KV’en viel Lärm um nichts macht. Es könnte aber auch darauf hindeuten, dass – wie im Krankenhausbereich zu beobachten – die Marktdefinition, welche das Kartellamt zu Grunde legt, an den realen Verhältnissen vorbeigeht. Die rechtlichen Mittel werden mit einer zu geringen Sensitivität gehandhabt, also tatsächliche Marktmacht nicht bemerkt, obgleich sie vorhanden ist.

Weiterhin trägt die Rechtsprechung zur Behinderung fairen Wettbewerbs bei. Erprobte Mittel wie die Beförderung wettbewerblicher Verhaltensweise durch das Lauterkeitsrecht und dort vorgesehenen Verbandsklagemöglichkeiten, setzt das Bundessozialgericht einen äußerst restriktiven Rahmen zur Nutzung entgegen (BSG, Urt. v. 15.ß3.2017, B 6 KA 35/16 – zur Kritik im Hinblick auf die Beschränkungen aus Sicht des Verbraucherschutzrechtes z. B. Schreiber, ZESAR 2018, 167 ff: „Vertragsarztwettbewerb im lauterkeitsrechtsfreien Raum?“). Hier wäre es angezeigt, Möglichkeiten zu schaffen, das Lauterkeitsrecht mit den bekannten Mitteln des UWG und unabhängig von dem Tätigwerden von Selbstverwaltungskörperschaften durchzusetzen.

Problematisch bleiben sodann Besonderheiten, die aus Unterschieden in den zugelassenen Rechtsformen für MVZ-Träger folgen. Die GmbH bietet eine Vielzahl von Vorteilen wie z. B. die Option für eine inhaberfremde ärztliche Leitung, d. h. ärztlicher Betrieb an einem Ort ohne eigene Tätigkeit des Inhabers an dem Ort, außerdem die Fremdgeschäftsführung zur Professionalisierung der Verwaltung, daneben größere Variabilität bei der Gestaltung für Minderheitengesellschafter und die Möglichkeit der Haftungsbeschränkungen gegenüber Dritten.

Zugleich ist die GmbH aber für ärztliche Leistungserbringer aus steuerlichen Gründen schwieriger zu finanzieren. Das an sich für die Entwicklung und den Wettbewerb geeignetere Vehikel GmbH führt damit faktisch zu einer Privilegierung institutioneller MVZ-Inhaber gegenüber ärztlichen MVZ-Inhabern. Hinzu tritt die Asymmetrie beim Fremdbesitzverbot. Wagnis-Kapital, das Mitbeteiligung an Gesellschaften voraussetzt, kann nur über die Krankenhausträger als Gründer genutzt werden. Ärztlichen MVZ, selbst wenn die Mehrheit in der Kontrolle von Ärzten bliebe, ist der Zugang zu dieser Finanzierungsmöglichkeit damit faktisch versperrt.

Sodann gibt es zwar wieder diverse Privilegierungen ärztlicher MVZ und niedergelassener Ärzte z. B. bei Auswahlentscheidungen, bei Zweigstellen etc. Jedoch verbleiben diverse Inkonsistenzen in beide Richtungen (s. z. B. Steinhilper GuP 2016, 15 ff; MedR 2018, 639 ff). Das führt zu einem Bild, in welchem ein Privileg für MVZ, das dann als Diskriminierung herkömmlicher Freiberufler gedeutet wird, neben ein anderes Privileg für die herkömmliche Freiberuflichkeit gestellt wird, was MVZ benachteiligt. Das ist allerdings kein arithmetischer Fall von Minus mal Minus ist Plus, sondern nur die willkürliche Vervielfachung von Inkonsistenzen.

Diese Inkonsistenzen müssten nicht sämtliche nivelliert zu werden. Unterschiede in den Rechtsformen werden und können verbleiben, zumal sie teilweise aus anderen zivilrechtlichen, handelsrechtlichen, steuerrechtlichen Rechtskreisen etc. stammen und nicht zur Disposition stehen. Selbst Unterschiede im Hinblick auf die vertragsärztlichen Gestaltungen bedürfen nicht sämtlich beseitigt werden. Bedingung wäre aber ein gleicher Zugang zu den Rechtsformen bzw. im Wesentlichen vergleichbare Bedingungen. Dementsprechend käme es z. B. in Betracht, MVZ-GbR inhaberfremde ärztliche Leitungen ausdrücklich zu ermöglichen, Hemmnisse für PartG zu beseitigen, wie auch eine Minderheitenbeteiligung im Fremdbesitz zum Abbau von Ungleichheiten im Finanzierungswettbewerb denkbar wäre. Das alles verweist auf komplexere Handlungsbedarfe und Lösungsmöglichkeiten, die weit jenseits der limitierten Dichotomie guter Freiberufler vs. böse MVZ-Heuschrecke liegen.

IV. Rechtsfolgenlogik: Optimierung statt Wettbewerbsausschluss

Schon diese wenigen Überlegungen zeigen, dass die Wahrheit – wie häufig – komplizierter ist und in der Mitte liegt. Das verträgt sich indes wenig mit den Abläufen in den politischen Prozessen. Der Bedarf an weiterenn Erkenntnissen (s.  o. II) bzw. komplexeren Lösungskonzepten (s. o. III) ist nicht vereinbar mit der Anforderung, einfache und schnelle Lösungen zu präsentieren. Damit kann die Wirkung eintreten, dass erst einmal nichts passiert, weil einfach und schnell nicht überzeugt. Das würde der jetzigen Situation nicht gerecht, besteht durchaus Erkenntnis- und daraus folgender weiterer Handlungsbedarf.

Schnellschüsse im Sinne der aktuell diskutierten Lösungen sind aber ebenso wenig gerechtfertigt. Denn selbst wenn man unterstellte, dass es lokale Monopolisierungstendenzen gäbe: Wieso sollen diese Tendenzen einseitige Beschränkungen für bestimmte Gründergruppen von MVZ rechtfertigen, selbst soweit diese keinerlei lokale oder bundesweite Marktmacht verfügen? Noch weniger plausibel ist es, ärztliche Monopolstrukturen dagegen ungehindert agieren zu lassen. Um es plastisch zu machen: Die Entdeckung einiger fauler Birnen in einer Kiste mit Äpfeln und Birnen soll begründen, alle – auch die gesunden – Birnen zu entfernen, indes in gleicher Weise faule Äpfel an ihrem Platz zu belassen? Das ist nicht schlüssig. Das erklärte sich nur durch die Absicht, Wettbewerb zu verbieten statt zu gestalten. Zugespitzt formuliert wirkt es, als wollten die alten Garden die alten Zustände wiederherstellen, auch wenn dadurch eines der Hauptprobleme, dass die jüngere Generation dazu nicht bereit ist, nicht gelöst wird.  

Folglich ist nicht nur ein differenzierter Blick auf Mängel und Ursachen im MVZ-Wettbewerb geboten, sondern auch auf die Schlussfolgerungen aus  Mängeln im Wettbewerb.

V. Konsequenzen für MVZ-Projekte

Gesundheitspolitik bleibt die Neigung eigen, über das Ziel hinauszuschießen. Folglich kann man sich nicht darauf verlassen, dass das differenzierte empirische Bild zu einer differenzierten gesetzlichen Lösung führt. Von aktuellen oder zukünftigen Nachteilen betroffene Leistungserbringer müssen sich also darauf einstellen, dass sich u. U. nichts ändert, sodass auch die Rahmenbedingungen unverändert bleiben. Umgekehrt ist es nicht auszuschließen, dass es zu überschießenden Einschränkungen bei den bisherigen Gestaltungsmöglichkeiten kommt. Für MVZ-Projekte mit aktuell in Kritik stehender Struktur bedeutet dies, dass diese nunmehr beschleunigt zu vollziehen sind oder mit Auffanglösungen zu planen sind, sollten sich einige der in den Gesetzesentwürfen diskutierten Einschränkungen realisieren.

 

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt