Umsatzsteuer für Fertigarzneimittel (FAM) in Krankenhausapotheken, § 129a SGB V – Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen und Vergleichsoptionen

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Umsatzsteuer für Fertigarzneimittel (FAM) in Krankenhausapotheken, § 129a SGB V

Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen und Vergleichsoptionen

Das Thema Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegen Krankenhäuser ist eine „never ending story“. Nach der Rückabwicklung für Zubereitungen rückt nun die Rückabwicklung für Fertigarzneimittel (FAM) in den Vordergrund. Nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 13.12.2022 (III C 3-S 7170/20/10001:001) sind auch bereits erste Urteile von Sozialgerichten ergangen. Das Sozialgericht Hannover hatte mit Urteil vom 14.02.2023 (S 67 KR 1000/20 KH) einen Erstattungsanspruch der Krankenkassen zu Recht versagt. Das Sozialgericht Duisburg hat dagegen einen Anspruch mit Urteil vom 13.01.2023,17 KR 584/19, bejaht. Das Urteil beruht allerdings auf unzutreffenden Erwägungen und erkennt die rechtlich relevanten Fragen nicht.

Alleine zeigen solche Fehlurteile, die auch der Komplexität der Materie geschuldet sind, dass ein Ausschluss von Rückerstattungsansprüche nicht selbstverständlich ist. Einverständlichen Lösung zwischen den Parteien ist folglich der Vorrang einzuräumen, wenn es für die Parteien im Vordergrund steht, interessengerechte Lösungen zu finden, statt auf Alles-oder-Nichts zu spekulieren. Die Hauptschwierigkeit der Rückabwicklung liegt zudem ohnehin beim Vollzug der geänderten Veranlagung und damit beim Verhältnis zum Finanzamt. Die damit verbundenen Probleme sind von den Parteien gemeinsam leichter zu überwinden als wenn es einen fortbestehenden Konflikt gibt, der schlussendlich nur dem Fiskus nutzt, weil die Durchsetzung möglicher Ansprüche ausbleibt.

Vor diesem Hintergrund konnten wir Grundsatzeinigungen mit Kassen erreichen und einen umfassenden Vertragsentwurf aushandeln, auf dessen Grundlage eine faire Rückabwicklung und Verteilung vereinbart werden kann.

Im Einzelnen:

I. Kontext und aktuelle Entscheidungen

Die in Rede stehenden Urteile ergingen zu Rückzahlungsansprüchen von Krankenkassen gegenüber Krankenhäusern bei etwaig überzahlter Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel. Die Grundproblematik ähnelt in den Grundzügen derjenigen für Zubereitungen. In Sachen Zubereitungen hatte zuletzt das LSG Rheinland-Pfalz entschieden (siehe hier) und wurde vom BSG mit Urteil vom 18.08.2022, B1 KR 30/21 R bestätigt. Danach schuldet das Krankenhaus der Krankenkassen bei patientenindividuellen Zubereitungen nur einen Rückzahlungsanspruch auf die Umsatzsteuer, wie sie auf den Arbeitspreis entfällt. Umsatzsteueranteile, die auf den Einkaufspreis entfallen, waren hingegen nicht zu erstatten.

Damit stellt sich die Frage, wie sich die Rechtslage für FAM darstellt. Dazu hatte das BMF mit seinem erwähnten Schreiben vom 13.12.2022 festgestellt, dass ab dem 1.1.2023 die Umsatzsteuerfreiheit die zutreffende Qualifikation sei. Zugleich wurde es für die Vergangenheit als möglich betrachtet, es bei der Steuerpflicht zu belassen, dann aber für gemeinnützige Träger noch rückwirkend auf Umsatzsteuerermäßigung umzustellen. In beiden Fällen könnte das zu nicht unerheblichen Erstattungsforderungen führen, namentlich bei der Option der Umstellung auf Umsatzsteuerermäßigung.

Wendet man die dazu durch das LSG Rheinland-Pfalz und das BSG zwischenzeitlich zu den Zubereitungen aufgestellten Rechtsgrundsätze an, besteht kein Erstattungsanspruch. Denn bei FAM ergeben sich möglicher Erstattungsansprüche alleine aus einer Änderung der Umsatzsteuer für die Vergütungsanteile der FAM-Preisbildung, für welche das BSG bei den Zubereitungen einen Erstattungsanspruch versagt hat: nämlich für die Kalkulation der Preise für die Stoffe selbst. Eine Arbeitspreis gibt es bei den FAM nicht, sodass schlussendlich kein Erstattungsanspruch bleibt.

Somit hat das SG Hannover des Erstattungsanspruch zutreffend versagt. Anders indes das SG Duisburg. Das bejahte Ansprüche für Zeiträume, in denen im Verhältnis zum Finanzamt bereits Erstattungen erfolgt waren, aber auch für Zeiträume darüber hinaus. Dabei hat das SG seinen Anspruch auch für Zeiträume bejaht, in denen eine Rechnungsberichtigung nach § 14c UStG im Raum steht. Dass sodann zwischen den Parteien bereits eine sämtliche umsatzsteuerliche Fragen regelnde Vergleichsvereinbarung existierte, sah das SG nicht als hinderlich an.

In dem Urteil hat das SG Duisburg aber bereits die Grundsätze nicht gewürdigt, die sich aus den erwähnten Urteilen des LSG Rheinland-Pfalz und dem BSG ergeben haben. Weiterhin hat das SG nicht beachtet, dass Ansprüche eine einfache und risikolose Durchsetzbarkeit von Rückabwicklungsansprüchen zwischen Krankenhaus und Finanzamt voraussetzen. Übersehen wurde in diesem Zusammenhang, dass namentlich bei Rechnungsberichtigungen erhebliche Rückabwicklungsschwierigkeiten und Risiken auch nach einer Rückabwicklung mit sich bringen. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch nach den Maßgaben der BSG-Rechtsprechung in keinem Fall vor.

Auch die Überlegungen des SG im Hinblick auf den vorrangigen Vergleich zwischen den Parteien können nicht überzeugen. Neben unvollständiger Berücksichtigung der ermittelten Tatsachen wie auch unzureichender Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen wurden zentrale Maßgaben zur Vertragsauslegung verletzt. Selbst die Rechtsfolgen wurden unzutreffend bestimmt. Auch wenn die (unzutreffenden) Tatsachen und die unzutreffende Auslegung des Vertrages zu Grunde gelegt wird, hätte das nur zur Nichtigkeit des Vergleichs führen können. Eine solche Nichtigkeit würde den Krankenhäusern Ansprüche in erheblichem Umfang bezüglich Zubereitungen gegen die Krankenkassen bescheren.

Näheres zu den rechtlichen Grundlagen wie auch die Details der Kritikpunkte ist der Anmerkung zum Urteil durch den Linksunterzeichner und den Kollegen Dr. Makoski zu entnehmen (s. hier: juris Nachrichten | juris).

II. Schlussfolgerungen für die Praxis und Eckpunkte eines Vergleiches

Die Rechtsprechung ist aktuell uneinheitlich und die vorhandenen Entscheidungen zeigen die Bandbreite zwischen Alles-oder-Nichts auf. Das Urteil des SG Duisburg ist unzutreffend, zeigt aber das Risiko von Fehlentscheidungen. Das Urteil des SG Hannover trifft hingegen zu, könnte indes noch nicht das letzte Wort sein. Deswegen sind vertragliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten vorzugswürdig. Die Beteiligten können damit interessengerechte Regelungslösung finden. Viele Krankenkassen zeigen sich hierzu auch bereit. In aufwändigen Verhandlungen konnte hierzu mit Krankenkassen ein umfassender Musterentwurf konsentiert werden. Dieser sieht im Wesentlichen vor:

  • Was an Umsatzsteuer zurückgeholt werden kann vom Finanzamt, wird durch die Krankenhäuser zurückgeholt.
  • Was an Unterstützung durch die Krankenkassen dafür nötig und zweckmäßig ist, erfolgt durch die Krankenkassen.
  • Soweit möglich werden Rechnungsberichtigungen vermieden, ebenso eine etwaige Vorausfinanzierung. Erstattungsumfänge können standardisiert berechnet werden. Gibt es später Korrekturen im Rahmen von Betriebsprüfungen, erfolgt ein Ausgleich zwischen den Parteien, sodass keiner ein Risiko unzureichender Finanzierung und kein Risiko unzureichender Ausschöpfung zustehender Ansprüche eingehen muss.
  • Der Vergleich kann jetzt abgeschlossen werden, sodass Rechtssicherheit schnell hergestellt ist.
  • Damit geht das Erstattungsvolumen weit über das hinaus, was rechtlich geschuldet ist. Auch der Aufwand geht weit über den Aufwand hinaus, der rechtlich geschuldet ist. Folglich teilen sich die Parteien den Erstattungsbetrag untereinander sachgerecht auf.

Damit erreichen beide Parteien Vorteile und insbesondere erreichen beide Parteien Vorteile, die über die wahrscheinlichen Ergebnisse von Gerichtsverfahren hinausgehen. Zweckmäßig ist es solche einen Vergleich zu schließen, bevor in die Rückabwicklung mit dem Finanzamt eingestiegen wird, um die Rückabwicklung effizient zu gestalten und keinem Risiko unzureichender Rückabwicklungsbemühungen zu unterliegen.

Nähere Informationen zu der Ausgestaltung und Reichweite der verhandelten Texte können gerne bei uns angefordert werden.

 

Prof. Dr. Andreas Penner                              Pierre Finke
Rechtsanwalt                                                 Rechtsanwalt