Krankenhausreform: Eckpunktepapier verabschiedet

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Krankenhausreform: Eckpunktepapier verabschiedet

Am 10.07.2023 haben sich Bund und Länder in Berlin auf die Eckpunkte der Krankenhausreform geeinigt – allerdings unter Ablehnung von Bayern und Enthaltung von Schleswig-Holstein. Zuvor hatte ab Mai 2022 eine Regierungskommission Empfehlungen ausgesprochen, an welchen sich die Bund-Länder Arbeitsgruppe orientierte. Auf den Vorschlägen der Arbeitsgruppe fußt das Eckpunktepapier, das zwischen den Landesgesundheitsministern, dem Bundesgesundheitsminister und den Fraktionen der Ampel-Koalition konsentiert wurde.  Die Krankenhausreform verfolgt im Kern als Ziele die Gewährleistung von Versorgungssicherheit, die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie die Entbürokratisierung.

Im Einzelnen in Kürze:

I. Krankenhausfinanzierung

1.Vorhaltepauschalen statt Fallpauschalen

Die Krankenhäuser erhalten eine Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen werden, sofern die Häuser die Qualitätskriterien erfüllen. Ausgangspunkt sind die somatischen Leistungsgruppen, die derzeit in NRW Geltung finden, ergänzt um fünf weitere Leistungsgruppen, vgl. unten Punkt II. Krankenhausplanung. Die Kompetenz für die Krankenhausplanung verbleibt daher im Ergebnis bei den Ländern.

Die neue Krankenhausfinanzierung gilt für den somatischen Bereich für

  • Plankrankenhäuser
  • Vertragskrankenhäuser
  • Universitätskliniken
  • Bundeswehrkrankenhäuser im Rahmen der zugelassenen GKV-Versorgung
  • BG-Kliniken (als Vertragskrankenhäuser)
  • Fachkliniken und Spezialversorger (als Plan- oder Vertragskrankenhäuser), wobei die Vorgaben für Fachkliniken, Level 1i- und Level 1n-Krankehäuser noch näher zu definieren sind

Die Vorhaltevergütung wird unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Hauses gezahlt.

Die bisherigen Fallpauschalen werden zukünftig um die sachgerecht kalkulierten tatsächlichen Vorhaltekostenanteile abgesenkt. Die konkrete Kalkulation übernehmen die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene. Zunächst erfolgt die Absenkung der Fallpauschalen in einer Übergangsphase um pauschal 60% je DRG.

Geplant ist, alle Zu- und Abschläge abzuschaffen, auch den Fixkostendegressionsabschlag sowie den Sicherstellungszuschlag (bisherige Sicherstellungsstandorte erhalten eine aufgestockte Vorhaltevergütung) sowie Mindestvorgaben (z.B. aus den Zentrums-Regelungen des G-BA) in die Leistungsgruppen zu integrieren.

Die Einführung der Vorhaltepauschalen hat grundsätzlich keinen Einfluss auf das Erlösvolumen. Ausnahmen gelten für die Erbringung koordinierender oder vernetzter Aufgaben, sowie für die Bereiche Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Notfallversorgung, Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin.

Das Pflegebudget bleibt unberührt.

Das aus den Fallpauschalen ausgegliederte Vorhaltebudget wird bundeslandspezifisch nach den jeweiligen Leistungsgruppen ausgewiesen und mit dem Landesbasisfallwert gewichtet.

Das Vorhaltebudget des einzelnen Krankenhauses bemisst sich anhand der bisherigen Fallzahl und Fallschwere je zugewiesener Leistungsgruppe unter Einbindung des InEK. Die Einstufung wird zunächst alle zwei Jahre geprüft. Änderungen in der Fallzahl, der Fallschwere sowie Verlagerungseffekte z.B. durch Schließungen oder Fusionen können Auswirkungen haben.

II.Krankenhausplanung

Das Krankenhaus hat Anspruch auf Vorhaltevergütung, wenn die Leistungsgruppe per Feststellungsbescheid zugewiesen und die diesbezüglichen Qualitätskriterien erfüllt sind. Die Länder können Ausnahmetatbestände definieren. Werden die Qualitätskriterien nicht erfüllt, kann das Vorhaltebudget befristet zugewiesen werden, sofern ansonsten der Sicherstellungsauftrag gefährdet wäre.

Die Leistungsgruppen werden durch die Zuordnung von OPS- und ICD-Codes und bundeseinheitlichen Qualitätskriterien definiert. Die Zuweisung einer weiteren bestimmten Leistungsgruppe kann Voraussetzung für die Ausweisung der konkreten Leistungsgruppe sein. Vertragliche Kooperationen, Verbünde und Netzwerke können Berücksichtigung finden.

Ausgangspunkt sind die Leistungsgruppen, die derzeit in NRW Geltung finden. Hierbei handelt es sich um die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin, Komplexe Endokrinologie und Diabetologie, Komplexe Gastroenterologie, Komplexe Nephrologie, Komplexe Pneumologie, Komplexe Rheumatologie, Stammzellentransplantation, Leukämie und Lymphome, EPU/Ablation, Interventionelle Kardiologie, Kardiale Devices, Minimalinvasive Herzklappenintervention, Allgemeine Chirurgie, Kinder- und Jugendchirurgie, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Bauchaortenaneurysma, Carotis operativ/ interventionell, komplexe periphere arterielle Gefäße, Herzchirurgie, Herzchirurgie Kinder- und Jugendliche, Endoprothetik Hüfte, Endoprothetik Knie, Revision Hüftendoprothese, Revision Knieendoprothese, Wirbelsäuleneingriffe, Thoraxchirurgie, Bariatrische Chirurgie, Lebereingriffe, Ösophaguseingriffe, Pankreaseingriffe, Tiefe Rektumseingriffe, Augenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, MKG, Urologie, Allgemeine Frauenheilkunde, Ovarial-CA, Senologie, Geburten, Perinataler Schwerpunkt, Perinatalzentrum Level 1, Perinatalzentrum Level 2, Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin, Kinderhämatologie und -onkologie Stammzelltransplantation sowie Leukämie und Lymphome, HNO, Cochleaimplantate, Neurochirurgie, Allgemeine Neurologie, Stroke Unit, Neuro-Frühreha, Geriatrie, Intensivmedizin, Palliativmedizin, Darmtransplantation, Herztransplantation, Lebertransplantation, Lungentransplantation, Nierentransplantation sowie Pankreastransplantation. Ergänzt wird dieser Katalog um die Leistungsgruppen Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin und spezielle Kinder- und Jugendchirurgie.

Für spätere Anpassungen der Leistungsgruppen erhalten Bund und Länder ein Initiativrecht.

Die Planungsentscheidungen der Länder werden nicht durch Dritte geprüft (vorbehaltlich gerichtlicher Prüfungen z.B. aufgrund von Konkurrentenklagen). Die Einhaltung der Qualitätskriterien prüft der MD.

Level Ii-Krankenhäuser als sektorenübergreifend versorgende Plankrankenhäuser sollen stationäre Leistungen der interdisziplinären Grundversorgung wohnortnah gekoppelt mit ambulanten fach- und hausärztlichen Leistungen anbieten. Darunter können bspw. Bettenführende Primärversorgungszentren (PVZ), Regionale Gesundheitszentren (RGZ) oder andere ambulant-stationäre Einrichtungen fallen. Ein bundesgesetzlich definierter Katalog stationärer Leistungen bildet den Leistungsrahmen. Vorgesehen ist mindestens die Fachdisziplin Allgemeinmedizin oder Geriatrie, ergänzend können Innere Medizin und Chirurgie ausgewiesen werden. Der Katalog ambulanter Leistungen sieht vor:

  • Vertragsärztliche Ermächtigung
  • Ausbau von Institutsambulanzen mit Zustimmung des Landes
  • AOP-Leistungen nach § 115b SGB V
  • Leistungen nach § 115f SGB V (Hybrid-DRG)
  • Belegärztliche Leistungen
  • Leistungen der Pflege nach SGB V oder SGB XI

An der notfallmedizinischen Versorgung nehmen Level Ii-Krankenhäuser nicht teil, werden somit vom Rettungsdienst nicht angefahren.

Die Vergütung im ambulanten Bereich erfolgt nach den generellen Vorgaben des SGB V oder SGB XI, für die stationären Leistungen wird von den Vertragsparteien auf Ortsebene ein krankenhausindividueller Tagessatz nebst Degression vereinbart.

Level Ii-Krankenhäuser haben Anspruch auf Förderung der Investitionskosten, soweit und solange sie in den Plan aufgenommen sind.

III. Zeitplan

Der Bund will nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen, welcher am 01.01.2024 in Kraft treten soll. Danach schließt sich eine Konvergenzphase an. Im Jahr 2026 erfolgt erstmalig eine für die Häuser budgetneutrale Auszahlung des individuellen Vorhaltebudgets. Planungsrechtlich können die Länder ab 2024 Leistungsgruppen in den Feststellungsbescheiden ausweisen, die landesgesetzlichen Anpassungen müssen spätestens bis Ende 2025 erfolgen.

IV. Fazit

Die Eckpunkte werden die Diskussionen nicht beenden, auch auf landespolitischer Ebene nicht, wie die Haltung Bayerns und Schleswig-Holstein zeigen. Kommt es zu keinen grundlegenden Änderungen, ist jedenfalls ersichtlich, dass behauptete Ziele und voraussichtliche Wirkungen auseinanderzufallen drohen. U. u. wird zwar eine umfassende, aber je Krankenhaus budgetneutrale Umverteilung bewirkt. Daneben tritt möglicherweise ein zweiter Standard für die Qualitätssicherung ohne Koordinierung mit den G-BA-Standards. Hier deutet sich eine deutliche Machtverschiebung an, weil mit den Bund-Länder-Festlegungen zur Qualität ein zweites Epi-Zentrum der Qualitätssicherung entstehen kann. Die Level li-Krankenhäuser könnten schließlich an der Komplexität von Finanzierungs- und Zulassungsvoraussetzungen scheitern. Für den Gesetzgebungsprozess wird neben etwaig grundlegenden Abweichungen vom Eckpunktepapier u. a. Folgendes zu beobachten sein:

  • Aufgrund der Finanzierungsneutralität werden vorrangig Umverteilungen bewirkt: Zwischen Krankenhäusern und innerhalb von Krankenhäusern. Was bedeutet das „unter dem Strich“ und welches Verhalten wird konkret befördert?
  • Wie wirken sich Krankenhausschließungen auf die länder- und krankenhausindividuellen Budgets aus?
  • Wie wird das Verhältnis der Qualitätssicherung des G-BA zu den Qualitätskriterien der Bund-Länder-Regelung ausgestaltet?
  • Wie soll die Funktionsfähigkeit der Level li-Krankenhäuser erreicht werden?

Das Eckpunktepapier finden Sie hier:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/Eckpunktepapier_Krankenhausreform_final.pdf

 

Dr. Claudia Mareck                            Prof. Dr. Andreas Penner      Matthias Wallhäuser
Fachanwältin für Medizinrecht         Rechtsanwalt                         Rechtsanwalt