TSVG – Terminservice- und Versorgungsgesetz: Gefährdung von Angestelltenstellen durch Bedarfsvorbehalt für eine Nachbesetzung

Der zwischenzeitlich bekannt gewordene Referentenentwurf für das TSVG  enthält Regelungen, die Versorgungsverbesserungen ermöglichen, jedoch auch mit einschneidenden Beeinträchtigungen verbunden sein können. Einer der gravierendsten Einschnitte stellt der Vorschlag dar, die Nachbesetzung von Angestelltenstellen unter Bedarfsvorbehalt zu stellen: Fehlt nach Auffassung des Zulassungsausschusses der Bedarf, kann die Nachbesetzung versagt werden und dies ohne konkrete Maßgaben hierfür und ohne Kompensation.

Würde diese Regelung Gesetz, stellte das die Möglichkeit kontinuierlicher Versorgung durch angestellte Ärzte und damit verbundene Investitionen in Frage. Ein Nutzen eines solchen Bedarfsvorbehaltes ist nicht zu erkennen, das Schadenspotenzial ist enorm. Folglich ist zu empfehlen, den Diskussionsprozess genau zu beobachten, um sich so schnell wie möglich auf daraus folgende Nachteile einzustellen bzw. deren Eintritt vorzubeugen.

1. Aktuelle Nachbesetzungsregelung

Die aktuellen Bestimmungen für die Nachbesetzung in gesperrten Planungsbereichen lauteten wie folgt:

§ 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V: Anstellung im MVZ

Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.

§ 103 Abs. 4b Satz 1 SGBV: Anstellung bei einem niedergelassenen Arzt bzw. BAG

Die Nachbesetzung der Stelle eines nach § 95 Abs. 9 Satz 1 angestellten Arztes ist möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.

Damit war eine bedarfsunabhängige Nachbesetzung für Angestellte in Einzelpraxen, BAG und MVZ möglich. Damit wird der Versorgungssicherheit und der Investitionssicherheit gedient. Die Variabilität erlaubt, gestiegenen Anforderungen junger Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf Teilzeitstellen namentlich zwecks Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht zu werden. Auch der wünschenswerte versorgungsbereichsübergreifende Einsatz ohne Bindung auf Lebenszeit kann realisiert werden. Mit der im Arbeitsrecht geschützten Freiheit des Arbeitnehmers, zu kündigen, sind diese Bestimmung unkompliziert in Einklang zu bringen. Sinnvolle Tätigkeitsstufen mit unterschiedlich großem unternehmerischen Engagement mit Angestellten, Junior- und Seniorgesellschaftern können ebenfalls ausgebildet werden. Personenunabhängige Versorgungskontinuität ist ebenfalls möglich.

2. Referentenentwurf

Der Referentenentwurf sieht nun folgende Regelungen vor (Neuregelung unterstrichen):

§ 103 Abs. 4a Satz 3 RefE (MVZ):

Medizinischen Versorgungszentren ist auf Antrag die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind; der Zulassungsausschuss kann den Antrag auf Nachbesetzung der Arztstelle ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.

§ 103 Abs. 4b Satz 3 RefE (niedergelassener Arzt/BAG):

Die Nachbesetzung der Stelle eines nach § 95 Absatz 9 Satz 1 angestellten Arztes ist auf Antrag möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkung angeordnet sind; der Zulassungsausschuss kann den Antrag auf Nachbesetzung der Arztstelle ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.

Dies wird wie folgt begründet:

Allgemein zu MVZ (Allgemeiner Teil)

Die bisher bestehende generelle Möglichkeit zur Nachbesetzung einer Angestellten-Arztstelle in einem MVZ wird auf ein sachgerechtes Maß beschränkt. Künftig wird der Zulassungsausschuss auch bei der Nachbesetzung einer genehmigten Anstellung prüfen, ob ein Bedarf für die Nachbesetzung besteht. Anders als bei der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes soll der Zulassungsausschuss aber nur über das „ob“ und nicht über das „wie“ der Nachbesetzung entscheiden. Das bedeutet, dass das MVZ ihre angestellten Ärztinnen und Ärzte weiterhin selbst auswählen kann (vgl. RefE S. 48).

Besonderer Teil zu § 103 Abs. 4a Satz 3 RefE:

Die bisher bestehende generelle Möglichkeit zur Nachbesetzung einer Angestellten-Arztstelle wird auf ein sachgerechtes Maß beschränkt. Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztstelle zwar auch künftig trotz bestehender Zulassungsbeschränkungen möglich. Auch für sie gilt in diesen Fällen aber, dass sie künftig einen Antrag auf Nachbesetzung der Arztstelle stellen müssen. Ebenso wie bei Anträgen auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes hat der Zulassungsausschuss nunmehr auch bei der Nachbesetzung einer genehmigten Anstellung zu prüfen, ob ein Bedarf für die Nachbesetzung besteht. Kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, kann er den Antrag ablehnen. Die Regelung sieht jedoch nur vor, dass der Zulassungsausschuss dabei über das „ob“ nicht hingegen auch über das „wie“ der Nachbesetzung zu entscheiden hat. Dadurch wird sichergestellt, dass das medizinische Versorgungszentrum ihre angestellten Ärzte weiterhin selbst auswählen kann. (vgl. RefE S. 115).

Besonderer Teil: Speziell zu § 103 Abs. 4b Satz 3 RefE:

Es handelt sich (bei § 103 Abs. 4b Satz 3 RefE, Anm. d. Verf.) um die Parallelregelung zur sachgerechten Einschränkung der generellen Möglichkeit zur Nachbesetzung einer Angestellten-Arztstelle in einem medizinischen Versorgungszentrum nach Absatz 4a Satz 3. Eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Leistungserbringer ist nicht gerechtfertigt. Daher gelten auch hier die gleichen Regelungen (vgl. RefE S. 116)

3. Rechtslage im Fall der Nachbesetzung von Zulassungen

Die Regelungen für die Nachbesetzungsverfahren für Zulassungen, an die offenbar eine Anlehnung erfolgen sollte, lauten wie folgt:

§ 103 Abs. 3a Satz 3 ff

3Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; dies gilt nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 4, 5 und 6 bezeichneten Personenkreis angehört [s. u.] oder der sich verpflichtet, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht. 4Für einen Nachfolger, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 4 bezeichneten Personenkreis angehört, gilt Satz 3 zweiter Halbsatz mit der Maßgabe, dass dieser Nachfolger die vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat, nach dem 23. Juli 2015 erstmals aufgenommen hat. 5Für einen Nachfolger, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 6 bezeichneten Personenkreis angehört, gilt Satz 3 zweiter Halbsatz mit der Maßgabe, dass das Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Betrieb der Praxis mindestens drei Jahre lang angedauert haben muss. 6Satz 5 gilt nicht, wenn das Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Praxisbetrieb vor dem 5. März 2015 begründet wurde. 7Hat der Landesausschuss eine Feststellung nach Absatz 1 Satz 3 getroffen [s. u.], soll der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. 8Im Fall des Satzes 7 gelten Satz 3 zweiter Halbsatz sowie die Sätze 4 bis 6 entsprechend; Absatz 4 Satz 9 gilt mit der Maßgabe, dass die Nachbesetzung abgelehnt werden soll. 9Der Zulassungsausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit ist dem Antrag abweichend von § 96 Absatz 2 Satz 6 zu entsprechen. 10§ 96 Absatz 4 findet keine Anwendung. 11Ein Vorverfahren (§ 78 des Sozialgerichtsgesetzes) findet nicht statt. 12Klagen gegen einen Beschluss des Zulassungsausschusses, mit dem einem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen wird, haben keine aufschiebende Wirkung. 13Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. 14Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auf den Verkehrswert abzustellen, der nach Absatz 4 Satz 8 bei Fortführung der Praxis maßgeblich wäre.

Der in diesem Absatz 3 in Bezug genommene Abs. 4 Satz 5 lautet:

5Bei der Auswahl der Bewerber sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
[…]
4. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,
5. ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,
6. ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,

Der in Bezug genommene Absatz 1 Satz 3 lautet:

3Darüber hinaus treffen die Landesausschüsse eine Feststellung, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 40 Prozent überschritten ist.

4. Bewertung

a) Unvorhersehbarkeit der Auslegung

Dem Referentenentwurf ist die grundsätzliche Idee des Bedarfsvorbehaltes zu entnehmen. Unter welchen Voraussetzungen der Bedarf nicht gesehen werden soll, lässt die Regelung offen. Die wortgleiche Wendung zu Versorgungsgründen, die auch in Absatz 3 Satz 3 bei der bedarfsabhängigen Nachbesetzung von Zulassungen enthalten ist (s. o.), hilft nur bedingt weiter. Es sind für die Nachbesetzung bei Angestellten nicht die gleichen ausdifferenzierten Regelungen wie im Fall der Nachbesetzung von Zulassungen vorgesehen, soweit es Schwellenwerte und Ausnahmeregelungen betrifft. Ohnehin fällt die verwaltungspraktische Handhabung des Absatz 3 Satz 3 ff höchst unterschiedlich aus. Sie reicht von faktischer Nichtbeachtung wegen des Kompensationsanspruchs nach Abs. 3 Satz 13 f bis zu der Orientierung an praxisindividuellen Fallzahlen statt an regionalen Versorgungslagen verbunden mit der willkürlichen Versagung der Kompensation.

Mithin wären Interpretationsbandbreiten von einem Nachbesetzungsverbot bei Sperrung eines Versorgungsbereiches denkbar bis zu einem bloßen Abstellen auf vorherige Tätigkeitsumfänge in dem Sinne, dass zum Beispiel bei individuell weit unterdurchschnittlicher Auslastung in Verbindung mit Hinweisen auf lokale Überangebote Nachbesetzungen partiell versagt würden. Schon diese Bandbreite möglicher Folgen ist ein Problem, weil sie zu unvorhersehbaren wie regional und in Einzelfällen sehr unterschiedlichen Handhabungen führen wird. Bei Gesetzwerdung wäre garantiert, dass es über Jahre hinweg zu einem bunten Teppich der Ermessensausübungen kommen wird, die von dem jeweiligen ZA, dortigen Vorsitzendengespannen, hausindividuellen Auffassungen in Rechtsabteilungen und bei KV-Vorständen sowie vermeintlich einzelfallabhängigen Unterschieden abhängen werden. Das wird erneut staunen lassen, in welcher Bandbreite eine bundeseinheitlich geltende Bestimmung interpretiert werden kann.

b) Keine Kompensation

Neben der Unvorhersehbarkeit der Beeinträchtigung fällt auf, dass anders als im Fall der Versagung der Nachbesetzung von Zulassungen (Abs. 3 S. 13 f s. o.) keine Kompensation vorgesehen ist. Mit den herkömmlichen verfassungsrechtlichen Maßgaben für den Schutz der Investitionen in Versorgungsaufträge ist dies nicht vereinbar. Bestandsschutz: ebenfalls Fehlanzeige.

c) Schlechterstellung gegenüber Zulassungen

Welche überragenden Sachgründe für solche Einschnitte und absehbaren Willkürlichkeiten streiten, erschließt die Gesetzesbegründung nicht. Angeführt wird, dass ein Gleichlauf zur Nachbesetzung von Zulassungen erfolgen soll. Unterstellt, dieses Argument hätte etwas für sich, fragt sich jedoch, warum diese Gleichstellung in einer deutlichen Schlechterstellung mündete: keine Konkretisierung per Schwellenwerten, keine gleich gestalteten Ausnahmen und keine Anpassung in der Rechtsschutzgestaltung. Darüber hinaus besteht kein Kompensationsanspruch. Dieser Verzicht auf eine Kompensation trägt sogar eine doppelte Schlechterstellung in sich: Erstens wird der verfassungsrechtliche Schutz aus den Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG einfachrechtlich versagt, sodass eine sehr viel mühsamere Durchsetzung nötig ist, auf deren Weg bis zum Bundesverfassungsgericht den meisten der Atem ausgehen wird. Zweitens wird gerade das Fehlen eines einfachrechtlichen Kompensationsanspruchs zur Aufgabe der Zurückhaltung führen, die man sich bei der (Nicht-)Umsetzung des § 103 Abs. 3 Satz 3 SGB V (zu Recht) auferlegt. Hinzu kommt, dass mit MVZ auch ein Leistungserbringertyp betroffen ist, der aufgrund der bisherigen Maßgaben für die Mitgliedschaft in der KV deutlich unterrepräsentiert ist. Auf der Rechtstreue dienliche Rückkopplungen in der Vertreterversammlung kann also ein Teil der Betroffenen nicht bauen.

d) Keine Sachgründe

Wendet man außerdem den Blick auf potentielle Sachgründe, fragt sich, welche tatsächlichen Bedürfnisse für eine solche Regelung streiten. Welches Gemeinwohlbelang soll hier gefördert werden? Hat die nachbesetzungsfreundliche Praxis zu § 103 Abs. 3 Satz 3 ff SGB V zu einer nachweislichen, völligen Überversorgung geführt, sodass man dieser nun auf Ebene der Angestelltenstellen entgegentreten muss? Wohl kaum, wie der Gesetzentwurf selbst belegt. In seinem titelstiftenden Kern geht er nämlich von einem unzureichenden Angebot aus, auf das durch Erhöhung der Sprechstundenzeiten, deren Kontrolle, Anreize für Termine etc. pp. reagiert werden muss. Das gilt trotz nomineller Überversorgung namentlich in vielen als besonders defizitär im Hinblick auf die Wartezeiten kritisierten Facharztgruppen, die zugleich von der bedarfsabhängigen Nachbesetzung wegen tendenzieller Orientierung an Versorgungsgraden am schnellsten getroffen wären. Dabei bestätigt der Gesetzgeber erneut die Defizite der aktuellen Bedarfsplanungsgrundlagen und erlässt Regelungen zur beschleunigten Behebung nach gutachterlicher Konkretisierung dieser Defizite. Mithin soll per Bedarfsvorbehalt bei Anstellungen das, was per Sprechstundenerhöhung zusätzlich geschaffen wird, wieder einkassiert werden? Und das auf Grundlage erkannt unzutreffender Bedarfsplanungsdaten? Das erscheint in einem Ausmaß widersprüchlich, dass trotz großzügigster Anforderungen an gesetzliche Kohärenz die Mindestmaßgaben an die Schlüssigkeit gesetzgeberischer Entscheidungen als verfehlt einzustufen sind.

e) Unterschiede zwischen Anstellung und Zulassung

Unberücksichtigt bleibt außerdem, dass es wesentliche Unterschiede zwischen Nachbesetzungen von Zulassungen und Nachbesetzungen bei Anstellungen gibt. Bei Nachbesetzungen von Zulassungen treffen die Bedarfsvorbehalte auf eine Situation, in welcher dieselbe Person in einen Sitz investiert, von ihm profitiert und dessen Ausschöpfung steuern kann. Zugleich entscheidet die gleiche Person regelmäßig selbst, wann die Nachbesetzung erfolgen soll, kann diese vorbereiten und Stolperfallen vermeiden. Schließlich erfolgen die Nachbesetzungen aufgrund der Verbundenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Existenz häufig erst nach mehreren Dekaden, zu Zeitpunkten zu denen Investitionen schon vielfach amortisiert sind.

Anders bei den Angestellten: Dieser investiert nicht in gleicher Weise und profitiert nicht in gleicher Weise und dessen wirtschaftliche Existenz ist nicht in gleicher Weise mit dem Wohl und Wehe des Sitzes und dessen Nachbesetzung verbunden. Die wesentlichen Risiken liegen vielmehr auf der Seite des Arbeitgebers. Der Angestellte kann auch von Rechts wegen nicht in gleicher Weise gebunden werden – davor schützt das Arbeitsrecht. Das schlägt zugleich dem Arbeitgeber, der das wirtschaftliche Risiko trägt, Mittel aus der Hand, welche Versorgungskontinuität und Investitionssicherheit gewährleisten könnten. Ohnehin spricht alles dafür, dass die ambulante Versorgung Beides braucht: ein Teil langfristig tätiger Selbstständiger mit dem notwendigen Organisationstalent und der wirtschaftlichen Risikobereitschaft _und_ ein Teil variabel tätiger Angestellter mit Fokus auf die ärztlichen Leistungen, ohne hierbei von wirtschaftlich existentiellen Fragen belastet zu sein.

Folglich gibt es viele Gründe, dass nicht wesentlich Gleiches, sondern wesentlich Ungleiches in Erscheinung tritt. Die ohnehin nur vermeintlich gleichen Restriktionen bei der Nachbesetzung erzeugen dann keine Gleichbehandlung, sondern eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, weil wesentlich Ungleiches ungleich statt gleich behandelt werden muss.

f) Sonstiges

Alle weiteren Wirkungen liegen fast im Bereich der Ironie: Warum folgt aus der Erkenntnis einer nachteiligen Regelung für eine „Gruppe“ (hier: Niedergelassene), dass die gleichen nachteiligen Regelungen auch für die andere „Gruppe“ (hier: Angestellte), gelten müssen? Die Erkenntnis des Unsinns bei der einen Gruppe (hier: Niedergelassene) in Verbindung mit der Erkenntnis, dass bedarfsunabhängige Nachbesetzung kein Untergang bedeuten (hier: Angestellte), drängt vielmehr zu dem Schluss, die Angestellten _und_ die Niedergelassenen von der Bedarfsabhängigkeit zu verschonen.

Schlussendlich und nicht zum ersten Mal führt außerdem eine vermeintlich „Anti-MVZ“-Regelung dazu, dass man die Niedergelassenen noch stärker beschränkt. Waren diese nämlich in der bisherigen Lesart des Gesetzgebers durch die Bedarfsabhängigkeit bei der Nachbesetzung der eigenen Zulassung benachteiligt, werden sie durch die Ausweitung der Bedarfsabhängigkeit auf die eigenen Angestelltenstellen nun doppelt belastet. Das heißt: Weil manche keine Kugelkette am Fuß hatten, wird bei denjenigen, an deren linken Fuß schon eine Kugelkette hing, nun auch am rechten Fuß eine solche hinzugefügt. Man muss das nicht als geglückte Schlussfolgerung betrachten.

g) Fazit

Mithin scheint es einigen Anlass zu geben, von der Bedarfsabhängigkeit ersatzlos Abstand zu nehmen. Für die Gestaltung im Vertragsarztrecht ist damit wie so häufig, das Beste zu hoffen und das Schlimmste zu befürchten.

 

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt