Laborleistungen von Zahnarzt-MVZ werden in Frage gestellt – Mitteilung des zukünftigen Abrechnungsausschlusses durch die KZV Nordrhein

Laborleistungen von Zahnarzt-MVZ werden in Frage gestellt – Mitteilung des zukünftigen Abrechnungsausschlusses durch die KZV Nordrhein

I. Zusammenfassung und Ausblick
Die KZV Nordrhein will – bei entsprechender gerichtlicher Bestätigung ihrer Rechtsauffassung – Eigenlaborleistungen von Zahnärzten aus MVZ-GmbH-Gesellschaften nicht mehr zur Abrechnung anerkennen.
MVZ-Eigenlaborverbote sind allerdings rechtmäßig nicht zu begründen.
Rechtsschutz ist möglich. Der Adressat entsprechender KZV-Mitteilungen – auch anderer KZVn – kann Feststellungsklage wegen der gerichtlich festzustellenden Rechtswidrigkeit des zukünftigen Abrechnungsausschlusses im Einzelfall erheben.

Aktualisierung: Bei Neugründungen von Zahnarzt MVZ-GmbH in Nordrhein steht bereits jetzt in Frage, ob bzw. dass die KZV Eigenlaborleistungen von Zahnärzten der MVZ-GmbH, hergestellt in einem MVZ-Eigenlabor, als abrechenbare Leistungen akzeptiert. Möglicherweise sollen nur Alt-MVZ-GmbH-Eigenlabore vorläufig „bestandsgeschützt“ weiter Eigenlaborleistungen abrechnen dürfen. Die Tolerierung gelte nicht für MVZ-Neugründungen in der Rechtsform der GmbH. Das ist für Neugründungen jeweils klärungs- wie auch ggfs. rechtsschutzbedürftig.

II. Mitteilung der KZV Nordrhein
Im April 2018 hat der Vorstand der KZV Nordrhein in einem Hinweis zur Abrechnungsfähigkeit von Eigenlaborleistungen aus dem MVZ-Praxislabor mitgeteilt, dass nach Rechtsauffassung der KZV Nordrhein ein Medizinisches Versorgungszentrum gem. § 95 Abs. 1a SGB V in Trägerschaft einer GmbH nicht berechtigt sei, „Eigenlaborleistungen“ zu erbringen und abzurechnen. Wegen dieser Rechtsfrage sei ferner eine gerichtliche Klärung veranlasst und die KZV informiere über den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Bis zu diesem Zeitpunkt würde die Abrechnung von Eigenlaborleistungen von MVZ-GmbH weiter anerkannt. Sollte die Rechtsauffassung der KZV Nordrhein aber bestätigt werden, lehne man zukünftig von Seiten der KZV für den Zeitraum nach der Gerichtsentscheidung und nach Mitteilung des Ergebnisses des Gerichtsverfahrens jedwede Eigenlaborabrechnung von MVZ-GmbH ab. Ähnlich wie bereits die höchst umstrittenen Beschränkungen der Vorbereitungsassistenten im MVZ (s. zur Rechtswidrigkeit der Einschränkungen: SG Marburg, Urteil vom 31. Januar 2018 – S 12 KA 572/17 –, juris) stellte ein „Eigenlaborverbot“ eine Benachteiligung von MVZ-Gesellschaften ohne erkennbaren gesetzlichen Anknüpfungspunkt dar.

III. Die Rechtsauffassung der KZV Nordrhein

Die Begründung: Zahntechnische Eigenlaborleistungen auf der Grundlage von § 16 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein seien lediglich dann rechtmäßig, wenn zwischen einem Zahnarzt bzw. einer Berufsausübungsgemeinschaft und den Patienten ein Behandlungsvertrag zustande käme. Bei der MVZ-GmbH bestehe ein Behandlungsvertrag nur zwischen der MVZ-GmbH – als juristischer Person – und dem Patienten. Deswegen fehle Zahnarzt-MVZ-GmbH das Recht zum Führen eines Eigenlabors im MVZ. Die bislang von der KZV Nordrhein vertretene Rechtsauffassung, dass in MVZ durch die Zahnärzte und angestellte Zahntechniker für die eigenen Patienten des MVZ zahntechnische Leistungen erbracht und abgerechnet werden dürfen, wird mithin für MVZ in der Rechtsform der GmbH aufgegeben. Dies betrifft MVZ konstituiert in anderen Rechtsformen (z.B. GbR) aktuell noch nicht.

IV. Einschätzung zur Rechtslage
Zunächst ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive festzuhalten, dass Medizinische Versorgungszentren in GmbH-Rechtsform als juristische Personen dem Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG unterfallen, was aus Art. 19 Abs. 3 GG folgt (vgl. etwa BVerfG, 1 BvR 722/10). Ein Verbot von Eigenlaborleistungen von MVZ-GmbH als Eingriff mit berufsregelnder Tendenz bedarf damit einer gesetzlichen Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, welche die Berufsordnungen der Zahnärztekammern nicht darstellen: Die Berufsordnungen sind bereits keine formellen Gesetze im Sinne des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Ferner richten sich die Berufsordnungen nicht an MVZ-GmbH als juristische Personen als Regelungsadressaten. Vorliegend maßgeblich sind formelle Gesetze im Sinne des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Diesbezüglich ist festzustellen, dass ein MVZ-Eigenlaborverbot (etwa mit Erlaubnisvorbehalt) weder bundes- noch landesgesetzlich angelegt ist: Die Heilberufsgesetze – hier z.B. insbesondere §§ 29 – 32 Heilberufsgesetz NRW –, welche die gesetzliche Grundlage der Berufsordnungen der Kammern darstellen, regeln weder Einschränkungen von MVZ-GmbH im Gegensatz zu Zahnärzten noch sind dort Einschränkungskompetenzen für die Regelungen in den Berufsordnungen bezüglich MVZ angelegt, die diskriminierende Laborverbote aufgrund erweiternder Auslegung der Vorschriften der Berufsordnungen zuließen. Sozialrechtlich ist die zahnärztliche Eigenlaborleistung ausweislich § 88 SGB V ausdrücklich erlaubt. Im Rahmen des SGB V gilt zudem gem. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V, dass § 88 SGB V auch für medizinische Versorgungszentren gilt, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V enthält eine gesetzestechnische Rationalisierung und stellt klar, dass die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V (§§ 69 – 141 SGB V) auch auf andere Leistungserbringer – insbesondere MVZ – entsprechend anzuwenden sind, vorbehaltlich abweichender Regelungen. Etwas Abweichendes betreffend die Abrechenbarkeit von zahntechnischen Eigenlaborleistungen von MVZ-GmbH ist vorliegend im SGB V nicht bestimmt und folgt auch nicht mittelbar aus § 95 Abs. 1a SGB V. Lediglich für einige wenige Pflichten folgt aus der Besonderheit von MVZ als Leistungserbringer in rechtlicher Hinsicht, dass Pflichten nur für das MVZ gelten (vgl. exemplarisch SG Marburg, an angegebenem Ort). Im Übrigen ist ein gesetzlicher Gleichlauf der zahnärztlichen Tätigkeit in Einzelpraxis und im MVZ sozialgesetzlich angeordnet. Vor dem dargestellten Hintergrund ist also gesetzlich ein Eigenlaborverbot für MVZ-GmbH nicht begründbar. Die Rechtsauffassung der KZV Nordrhein manifestiert also jedenfalls einen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Vor verfassungsrechtlichem Hintergrund erscheint das von der KZV Nordrhein präferierte Eigenlaborverbot für MVZ-GmbH weiter als die Berufsausübung von Zahnärzten erheblich beeinträchtigende behördliche Entscheidung, die in MVZ tätige Zahnärzte diskriminiert, ohne dass dafür eine gesetzliche oder auch sachlich-zahnmedizinisch tragfähige Begründung existierte, was einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG nahelegt.
Selbst wenn man – unzutreffender Weise – wegen Beschränkungen der Berufsfreiheit von MVZ-GmbH auf die Berufsordnungen abstellen wollte, die mangels entsprechender Regelungskompetenz rechtlich kein Eigenlaborverbot für MVZ-GmbH begründen können (s.o.), ist die von der KZV Nordrhein vertretene Auslegung der Berufsordnung einseitig zulasten von in MVZ tätigen Zahnärzten berufsrechtswidrig: Die Berufsordnungen richten sich nicht an MVZ als juristische Personen, sondern lediglich an in MVZ tätige Zahnärzte. Berufsrechtlich sind Zahnärzte ausweislich § 11 der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer (MBO-ZÄ) – entsprechend § 16 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein – berechtigt, im Rahmen ihrer Praxis ein zahntechnisches Labor zu betreiben. Eine Einschränkung auf gewisse Gruppen von berechtigten Zahnärzten aufgrund deren gesellschaftsrechtlicher Verfasstheit enthalten die Berufsordnungen nicht. Die Berufsordnungen gelten ausweislich deren definierten Anwendungsbereichs (vgl. § 1 MBO-ZÄ) für alle Mitglieder der Zahnärztekammern und sonstige zahnärztlich tätige Berufsangehörige. Selbstverständlich sind also auch Zahnärzte, die in MVZ-GmbH im Zulassungsstatus arbeiten oder angestellt sind, Zahnärzte im Sinne der Berufsordnung, für die die Berufsordnung gilt. Folglich ist ein im MVZ tätiger Zahnarzt nach § 11 MBO-Ä berechtigt, zahntechnische Leistungen im Rahmen „seiner Praxis“ zu erbringen. § 16 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein begrenzt dies wörtlich auf „die Versorgung seiner eigenen Patienten“. Dagegen sind Berufsausübungsgemeinschaften (als Gesellschaften bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB) und MVZ-GmbHs oder MVZ-GbRs keine Zahnärzte, sondern gesellschaftsrechtliche Verbünde zur gemeinschaftlichen Berufsausübung. Daraus folgt nicht, dass die Berufsordnungen auf Zahnärzte im MVZ (unabhängig von deren Zulassungsstatus) oder in Berufsausübungsgemeinschaften nicht anwendbar wäre. Die Anwendbarkeit der Berufsordnung folgt aus der zahnärztlichen Berufsausübung (vgl. aktuell SG Marburg, Urteil – 31.01.2018 – S 12 KA 572/17) im MVZ. § 10 Abs. 2 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein erlaubt beispielsweise auch dem (Einzel-)Zahnarzt die zahnärztliche Tätigkeit in der Rechtsform der GmbH als juristischer Person des Privatrechts. Dass auch dieser Zahnarzt den berufsrechtlichen Rechten und Pflichten unterliegt, ist klar.
Dagegen wird vorgetragen, medizinische Versorgungszentren, die entweder als GmbH geführt werden und damit per definitionem gewerbliche Tätigkeiten ausüben oder diejenige, in denen ausschließlich Angestellte tätig sind, und somit die dort tätigen Zahnärzte keine „eigenen Patienten“ hätten, da der Behandlungsvertrag mit dem Rechtsträger des MVZ zustande käme, seien nicht berechtigt, eigene Laborleistungen zu erbringen (Niggehoff, in Sodan KrankenVersR-HdB, § 18 Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Rn. 111-113, beck-online). Doch weder die Anknüpfung an die unbestrittene Gewerblichkeit von MVZ-GmbH-Leistungen noch die These, dass die Zahnärzte im MVZ mangels Behandlungsvertrags mit dem behandelnden Zahnarzt keine eigenen Patienten hätten, überzeugen in rechtlicher Hinsicht. Die Ausübung des Zahnarztberufs in einer kraft Rechtsform gewerblichen MVZ-GmbH ist gem. § 95 Abs. 1a SGB V gesetzlich ausdrücklich erlaubt. Weshalb die gesetzlich zwingende Gewerblichkeit einer GmbH die Laborleistungserbringung der in dieser Rechtsform tätigen Zahnärzte generell verbieten soll, ist nicht ersichtlich. Die differenzierende Beschränkung der Labortätigkeit von MVZ – im Gegensatz zu den zahntechnischen Handwerksbetrieben – wurde bislang dadurch umgesetzt, dass MVZ-Labore trotz Gewerblichkeit gerade nicht für Nicht-MVZ-Patienten zahntechnische Leistungen erbringen duften (sog. Fremdlaborverbot). Der Gesetzesvorbehalt streitet dagegen, in MVZ tätigen Zahnärzten die Labortätigkeit für ihre Patienten prinzipiell zu verbieten. Das Argument, der Behandlungsvertrag käme nicht mit den Zahnärzten in persona zustande, sondern mit der MVZ-GmbH, lässt sich auf Einzelzahnarzt-MVZ-GmbH genauso wie etwa auf Berufsausübungsgemeinschaften und sonstige Anstellungskonstellationen übertragen. Berufsrechtlich ist der Terminus „seine Patienten“ in § 16 Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein auf jedes faktische Zahnarzt-Patienten-Verhältnis nach unserer Auffassung zu übertragen, unabhängig davon, mit welcher BAG oder MVZ-Praxis der zivilrechtliche Behandlungsvertrag besteht. Wesentliche Unterschiede zwischen MVZ-Anstellungskonstellationen und sonstigen Anstellungskonstellationen sind – was die vertragszahnärztlichen Rechte und Pflichten der angestellten Zahnärzte angeht – nicht erkennbar.

 

Dr. Felix Reimer, LL.M. (Medizinrecht)
Rechtsanwalt