Rezeptabrechnung – Einführung offener Treuhandkonten
§ 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V idF GVWG
Mit Wirkung zum 20.07.2021 ist eine Änderung des § 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Kraft getreten. Danach sind Rechenzentren bei Einziehung von Geldern auf eigene Konten zur Einrichtung offener Treuhandkonten verpflichtet. Die Regelung ist eine Konsequenz der AvP-Insolvenz. Allerdings ist die Regelung voraussichtlich nur ein Placebo. Sie kann Insolvenzrisiken mindern, aber nicht ausschließen. Das folgt aus dem Auslegungsspielraum, den die Regelung belässt. Den Wegfall des Insolvenzschutzes im Fall fehlerhafter Kontoführung schließt die Regelung nicht aus. Selbst wenn schlussendlich im konkreten Fall ein Insolvenzschutz besteht, bleibt das Manko der Durchsetzung und des enormen Zeitverzugs bei der Durchsetzung von Rechten.
Auch wenn die Regelung damit ihr Ziel verfehlt, kann sie zumindest Verbesserungen bringen abhängig von der Anwendung. Diese Verbesserungen hängen u. a. von vertraglichen Anpassungen bei den Rechenzentren ab, die teils noch ausstehen, teils noch erheblichen Nachbesserungsbedarf erkennen lassen. Weiterhin bedürfte es einer nachhaltigen Überwachung des korrekten Vollzuges der Abrechnungsgestaltung auch bei den Krankenkassen. Daran sollten diese auch ein eigenes Interesse entwickeln, da Fehler bei den Krankenkassen den Insolvenzschutz beeinträchtigen, gar ausschließen können. Dann steht eine Haftung der Krankenkassen für untergegangene Gelder im Raum.
Da selbst bei einer Ausschöpfung der Gestaltungsmöglichkeiten und einem korrekten Vollzug des § 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V Risiken verbleiben, bleibt die einzig sichere Variante die sog. Direktzahlung. Bei dieser rechnen die Rechenzentren ab, weisen die Krankenkassen aber zur Überweisung auf das Konto des Leistungserbringers an. Hierfür bedarf es keiner Rechtsänderungen, da die Direktzahlung bereits als Variante in den Maßgaben des § 300 Abs. 3 SGB V i.V.m. der TA 3 vorgesehen ist (vgl. Rechnungsarten 2 und 5 gemäß TA 3 Abschnitt 8.2.12, Seite 139 der aktuellen Fassung). Insoweit liegt es nun an den Abrechnungszentren , von den bestehenden Möglichkeiten für insolvenzsichere Lösungen im Sinne der Kunden Gebrauch zu machen.
A. Neuregelung
Als Bestandteil des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ist eine Änderung des § 300 SGB V vorgesehen. Hier finden Sie die maßgebliche Fassung
(=Art. 1 Nr. 69a). Dort ist bestimmt:
69a. § 300 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird vor dem Punkt am Ende ein Semikolon und werden die Wörter „die Anbieter von Leistungen nach dem vorstehenden Absatz haben vereinnahmte Gelder, soweit diese zur Weiterleitung an Dritte bestimmg sind, unverzüglich auf ein offenes Treuhandkonto zugunsten eines Dritten einzuzahlen“ eingefügt.
b)In Satz 2 wird das Wort „hierzu“ durch die Wörter „nach Satz 1 erster Halbsatz ersetzt“.
Zukünftig lautet die Regelung also:
(2) 1Die Apotheken und weitere Anbieter von Leistungen nach § 31 können zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach Absatz 1 Rechenzentren in Anspruch nehmen, die Anbieter von Leistungen nach den vorstehenden Halbsatz haben vereinnahmte Gelder, soweit diese zur Weiterleitung an Dritte bestimmt sind, unverzüglich auf ein offenes Treuhandkonto zugunsten des Dritten einzuzahlen. 2Die Rechenzentren dürfen die ihnen hierzu nach Satz 1 erster Halbsatz übermittelten Daten für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke und nur in einer auf diese Zwecke ausgerichteten Weise verarbeiten, soweit sie dazu von einer berechtigten Stelle beauftragt worden sind; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet werden. 3Die Rechenzentren
Die weiteren Gesetzgebungsmaterialien finden Sie hier. Die obige Regelung tritt dann gemäß Art. 16 Abs. 1 des GVWG am Tag nach der Verkündung in Kraft. Am 19.07.2021 wurde das GVWG im Bundesgesetzblatt verkündet (s. hier).
In diesem Dokument, S. 56 oben, finden Sie die Begründung. Diese lautet:
Zu Nummer 69a
Um Leistungserbringer im Sinne des § 300 für die von ihnen erbrachten Leistungen bzw. angegebenen Arzneimittel möglichst weitgehend davor zu schützen, dass die von den Kostenträgern hierfür gezahlten Vergütungen in einer etwaigen Insolvenz eines Rechenzentrums in die Insolvenzmasse fallen, wird in § 300 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz für Rechenzentren die Verpflichtung begründet, diese Gelder unverzüglich auf offenen Treuhandkonten zu hinterlegen. Die Änderung in § 300 Absatz 2 Satz 2 ist eine Folgeänderung, mit der die Bezugnahme auf Satz 1 durch einen Verweis ersetzt wird.
B. Auslegungshinweise
Nachfolgend ist dargestellt, was unter einem offenen Treuhandkonto auf Basis des bisherigen Standes zu verstehen ist. Diese Maßgaben werden unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen im Rahmen der typischen Sammelabrechnungen und Sammelüberweisungen angewendet. Ob dem die Rechtsprechung in jeder Hinsicht folgen würde, ist offen. Solche Unklarheiten bei der Anwendung sind an sich nichts Ungewöhnliches. Hier führen die Unsicherheiten aber zu dem unvertretbaren Effekt, dass eine Insolvenzsicherheit aus jetziger Sicht nicht erreicht werden kann.
I. Definition „offenes Treuhandkonto“
Was ein offenes Treuhandkonto ist, wird weder durch Gesetz noch Rechtsprechung explizit definiert. Die Neuerung des § 300 Abs. 2 SGB V durch das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) ändert daran nichts, eine gesetzliche Definition wird nicht eingeführt.
Es gibt dabei verschiedene Definitionsvarianten der Literatur, oftmals wird die konkrete Definition jedoch der Ausgestaltung der Vertragspraxis und ebenso der Rechtsprechung überlassen (Schimansky/Bunte/Lwowski/Hadding/Häuser, Bankrechts-Handbuch, § 37, Rn. 1). Eine grundsätzliche und oft genutzte, wenn auch nicht vollständige Definition der Literatur lautet:
„Unter einem Treuhandkonto versteht man ein (Einlagen-)Konto bei einem Kreditinstitut, dass jemand zu dem (nicht notwendig offengelegten) Zweck errichtet, auf diesem Konto Geldbeträge gutgeschrieben zu erhalten, die ihm als Kontoinhaber von einem (oder mehreren) Dritten treuhänderisch anvertraut worden sind.“ – Schimansky/Bunte/Lwowski/Hadding/Häuser, Bankrechts-Handbuch, § 37, Rn. 2
Dies lässt zumindest den Grundsatz erkennen, dass ein Treuhandkonto ein Bankkonto darstellt, welches rein dem Zweck dient Geld treuhänderisch für einen Dritten darauf entgegenzunehmen. Bei einem „offenen“ Treuhandkonto muss dann denklogisch dieser Zweck offengelegt werden. Hieraus ergeben sich zumindest Grundsätze, was unter einem offenen Treuhandkonto zu verstehen ist. Hierbei sind jedoch noch nachfolgende Ergänzungen und Ausgestaltungen zu beachten.
II. Anforderungen Rechtsprechung
Die oben dargestellte Definition wird durch verschiedene Anforderungen der Rechtsprechung ergänzt. Diese ergeben sich wie folgt:
Die Rechtsprechung fordert für ein Treuhandkonto, dass dieses Konto auch ausschließlich für Geldbeträge zum treuhänderischen Anvertrauen bestimmt ist (BGH, Urteil vom 10.02.2011, IX ZR 49/10, Rn. 15ff; BGH, Urteil vom 07.07.2005, III ZR 422/04, Punkt II. 2; BGH, Urteil vom 24.06.2003, IX ZR 120/02, Punkt I. 2).
Soweit das Treugut nicht aus dem Vermögen des Treugebers selbst stammt, sondern von einem Dritten kommt, muss das Treuhandkonto offen ausgewiesen sein (BGH, Urteil vom 10.02.2011, IX ZR 49/9, Rn. 13, juris).
Für das Bestehen von Aussonderungsrechten gemäß § 47 InsO muss das Treuhandkonto als solches offen ausgewiesen werden (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – IX ZR 120/02 – NJW-RR 2003, 1375, 1376). Dann umfasst dies auch Zahlungen von Dritten auf das Treuhandkonto, wenn die Forderung hierzu beim Treugeber entstanden ist (BGHZ 155, 227, 231; BGH, Urteil vom 7. April 1959 – VIII ZR 219/57 – NJW 1959, 1223, 1225; Urteil vom 19. November 1992 – IX ZR 45/92 – NJW-RR 1993, 301, BGH Urt. v. 07.07.2005, III ZR 422/04, Rn. 10).
Eine Treuhandbindung besteht nur solange, wie das in Empfang genommene Geld auch als Fremdgeld und nicht als Eigengeld behandelt wird (BGH, Urteil vom 07.07.2005, IX ZR 49/49, Rn. 15). Eine treuwidrige Handhabung des Geldes durch den Treuhänder führt dann zu einer Aufhebung des Treuhandverhältnisses.
Zur Beibehaltung der Treuhandbindung ist eine ordnungsgemäße Verwaltung des Treuhandkontos erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2011, IX ZR 49/10, Rn. 13 ff., juris). Eine Treuhandbindung kann dann auch unter Verwendung eines Sammelkontos erfolgen, soweit sich die Treuhandbindung auf alle Treugeber erstreckt.
Ordnungsgemäße Verwaltung erfordert dabei die genaue Zuordnung der Zahlung zum Empfänger, insbesondere bei einem Sammelkonto (BGH, Urteil vom 24.06.2003, IX ZR 120/02, Rn. 10,11 juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 11.02.2010, 16 U 176/09, Rn. 39, 41, 48, juris; Münchner Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2019, § 47 InsO, Rn. 408, 408a). Mithin muss über Unterlagen nachweisbar sein, welchem Treugeber welcher Anteil am Treugut im Falle eines Sammelkontos zusteht.
Die Rechtsprechung geht damit für ein Treuhandkonto von verschiedenen Voraussetzungen aus, welche es zu erfüllen gilt. Grundsätzlich handelt es sich um ein Bankkonto, welches von einem Treuhänder für zumindest einen Treugeber gehalten wird. Das darauf ankommende Geld muss der Treuhänder ausschließlich als Fremdgeld behandeln und darf davon nicht abweichen. Sobald das Geld auf dem Treuhandkonto für eigene Zahlungen des Treuhänders benutzt wird, entfällt eine Treuhandbindung. Weiterhin muss das Konto im Fall des Empfanges von Geld von Dritten auch offen als Treuhandkonto nach außen hin deklariert werden. Eine reine Innenabrede ist dann nicht ausreichend. Dabei kann das Konto auch als Treuhandkonto Geld von Dritten, wie von einer Krankenkasse im Rahmen der Arzneimittelabrechnung empfangen, solange der Anspruch auf diese Zahlung beim Treugeber entstanden ist. Zuletzt muss das Treuhandkonto auch ordnungsgemäß verwaltet werden, eine Zuordnung von Zahlungen zum jeweiligen Treugeber muss gewährleistet sein. Dies betrifft insbesondere den Fall von Sammeltreuhandkonten. Hier reicht es nicht aus, dass das Vermögen des Treuhänders vom Sammeltreuhandkonto getrennt ist. Vielmehr muss auch gerade klar sein, welche Zahlung auf dem Sammeltreuhandkonto welchem Treugeber zuzuordnen ist.
Ein offenes Treuhandkonto stellt sich damit nach der Rechtsprechung als ein Bankkonto dar, welches rein dem Empfang und der zugehörigen Weiterleitung von Fremdgeld für einen Treugeber dient, nach außen auch so deklariert wird und mit entsprechender Buchhaltung die Transaktionen und Berechtigungen an den Geldern zu Gunsten der jeweiligen Treugeber nachvollziehen lässt.
Dies korrespondiert mit Pflichten nach dem GwG, welches gerade im Bereich der Treuhand Anwendung findet, § 2 Abs. 1 Nr. 13 GwG. So sind derartige Treuhänder nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG verpflichtet eine Identifikation der Wirtschaftsgüter des Treugebers im Treuhandverhältnis zu gewährleisten. Diese Pflicht erstreckt sich insbesondere auf die dokumentarische Nachhaltung des Treuguts, um eine Identifikation zu ermöglichen (so Auslegungs- und Anwendungshinweise zum GwG der BaFin, Punkt 5.2, Stand Mai 2020).
III. Konsequenzen in der Umsetzung
In der Praxis hat dies folgende Konsequenzen um ein offenes Treuhandkonto umzusetzen:
1. Grundsätzliche Anforderungen
Zwischen dem Treugeber (hier Leistungserbringer) und dem Treuhänder (hier Abrechnungszentrum) muss eine Treuhandabrede geschlossen werden, was in aller Regel im Rahmen der Rechenzentrums-AGB vereinbart wird. Das zugehörige Treuhandkonto muss dann vom Abrechnungszentrum als Treuhänder gehalten und nach außen hin als solches deklariert werden. Daraufhin können Zahlungen der Krankenkassen für den jeweiligen Leistungserbringer auf dem Treuhandkonto in Empfang genommen werden. Es handelt sich hierbei um für das Abrechnungszentrum fremdes Geld, die Zahlung rührt aus einem Zahlungsanspruch basierend auf dem jeweiligen § 129a SGB V Vertrag zugunsten des Leistungserbringers her. Hierbei wird in der Praxis häufig ein Sammelkonto für alle Kunden des Abrechnungszentrums verwendet. Dies macht damit eine ordnungsgemäße Verwaltung notwendig, welche durch eine entsprechende Buchhaltung nachvollziehen lässt, welche Zahlung welcher Kasse eingegangen ist und welchem Leistungserbringer dies, auch in der Höhe, zusteht. Das jeweilige Treugut, also die Auszahlung der Krankenkasse, wird sodann an den jeweiligen Leistungserbringer weitergeleitet.
2. Problemstellungen in der Praxis
Die Anforderungen der Rechtsprechung an ein offenes Treuhandkonto – und nur diese können nach jetzigem Stand effektiv zur Definition der Voraussetzungen herangezogen werden – sind damit weitreichend. Die Umsetzung kann dann an folgenden Punkten scheitern:
a) Formulierung der Treuhandabrede
Zum einen ist schon die Treuhandabrede je nach Ausgestaltung nicht den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprechend. Eine Treuhandabrede muss sich zwangsläufig auf die konkret vorzunehmende Ausgestaltung der Treuhand beziehen. In der Praxis wird dies oft durch AGB der Abrechnungszentren festgelegt. Die aktuellen AGB von Rechenzentren werden den Anforderungen, teils selbst nach Anpassungen, nicht gerecht. Zur Anpassung an die gesetzliche Neuerung sind hier Nachbesserungen unerlässlich, um jegliche Zweifel an der Auslegung der AGB-Formulierungen zu beheben.
b) Offene Ausweisung
Weiterhin muss das jeweilige Treuhandkonto aufgrund der Einnahme von Geld von Dritten auch offen als Treuhandkonto deklariert werden. Selbst wenn ein Abrechnungszentrum ein Treuhandkonto nach den Anforderungen der Rechtsprechung nutzt, bleiben dafür Nachweisverfahren erforderlich.
c) Umsetzungsgrenzen bei Sammelüberweisungen
aa) Umsetzbarkeit der Bestimmtheitsanforderung?
Hinsichtlich der aktuell regelmäßigen Nutzung von Sammelkonten ist festzuhalten, dass solche im Grundsatz als offene Treuhandkonten im Sinne der Rechtsprechung in Betracht kommen. Allerdings ist im Weiteren zu beachten, dass hier außerdem regelmäßig Sammelüberweisungen durch die Krankenkassen bzw. deren Rechenzentren stattfinden. Diese Sammelüberweisungen werden indes nicht oder nur unvollständig von Überweisungsinformationen begleitet, anhand deren man feststellen könnte, zu welchem IK welcher „Euro“ gehört. Vielmehr wird nur ein Gesamtbetrag überwiesen. Erst aus einer Gesamtschau von vorheriger Sammelrechnung, Überweisungsbetrag und nachfolgend eingehenden Informationen zu Absetzungen lässt sich eine Zuordnung erstellen. Das ist mitunter mit Zeitverzug verbunden, zumal diverse Krankenkassen ihren Verpflichtungen bei der Übermittlung der relevanten Daten nicht so nachkommen, dass eine zeitnahe Zuordnung möglich ist. Werden auf dasselbe Konto auch noch Herstellerrabatte eingezogen, liegt darin eine zusätzliche Quelle für die Bestimmbarkeit von Zahlungen. Erst Recht gilt dies, wenn in der Vertragsgestaltung zum Rechenzentrum Vorfinanzierungen vereinbart oder jedenfalls vollzogen werden.
Folglich müsste in der Praxis nachgehalten werden, wie die jeweilige buchhalterische Zuordnung von einzelnen Zahlungen zu den jeweiligen Treugebern erfolgt. Kann aufgrund einer buchhalterisch unzureichenden Leistung keine genaue Zuordnung der Fremdgeldbeträge zu den jeweiligen Treugebern erfolgen, kommt es im Zweifel zu einer Vermischung der Vermögensmassen. Im Falle einer Insolvenz würde dies ein Aussonderungsrecht der Leistungserbringer nach § 47 InsO, dem das Treuhandkonto dienen soll, in Teilen oder u. U. gänzlich ausschließen. Im Grundsatz bedürfte es damit einer detaillierten Offenlegung der Zahlungs- und Buchhaltungsabläufe einschließlich deren Evaluation, um überhaupt beurteilen zu können, ob und in welchem Umfang eine konkrete Treuhandbuchhaltung Aussonderungsrechte sicherstellt.
bb) Schlussfolgerung für Sammelüberweisungen
Folglich steht aktuell in Zweifel, ob die Bestimmbarkeitsvoraussetzungen, die der BGH zur Bedingung der Aussonderung macht, erfüllt werden könnten. Insoweit käme es zwar in Betracht, bei den Rechenzentren Nachbesserungen aus rechtlicher Sicht zu verlangen. Zugleich käme es als Nebenpflicht aus der Verbindlichkeit des § 300 SGB V für Krankenhäuser und Krankenkassen gemäß § 129a Satz 2 SGB V in Betracht, von den Krankenkassen eine Umstellung der Gestaltung der Zahlungsavis zu verlangen. Hier ist nämlich zu beachten, dass eine Umsetzung der offenen Treuhand ohne Mitwirkung der Krankenkassen jedenfalls bei Sammelüberweisungen voraussichtlich nicht möglich ist. Folglich wird man es als Nebenpflicht der Krankenkassen einstufen können, hier mitzuwirken, da andernfalls die Krankenkassen es vereitelten, dass die Zielsetzung der Neuregelung erreicht wird.
Allein bleibt aber auch dann fraglich, ob der BGH einer angepassten Rechnungslegung nicht die Anerkennung wegen unzureichender Bestimmbarkeit versagt. Weiterhin bleibt die Umsetzung aufgrund der Komplexität und der nötigen Zeitnähe zwischen Zuordnung von Geldern zwischen Zahlungseingang und Zuordnung selbst fehleranfällig. Sobald hier Fehler erfolgen, ist der Insolvenzschutz weggefallen. Im Insolvenzfall kann dann das Rechenzentrum nicht aussichtsreich wegen der Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden. Auf Ebene der Geschäftsführung wäre, so ihr ein haftungsbegründender Fehler nachgewiesen werden kann, sodann kaum eine ausreichende Sicherung zu gewährleisten, so nicht die Versicherungssummen auch den Untergang von dreistelligen Millionenbeträgen erfassten. Auf Ebene der Krankenkassen könnte zwar sodann, ist dort ein Fehler erfolgt, die Haftungsmasse noch ausreichen. Indes bleibt es zweifelhaft, unter welchen Voraussetzungen dann ein durchsetzbarer Anspruch realisiert werden könnte. Eine lückenlose Haftung Dritter jenseits der Haftungsmassen des Rechtsträgers des Rechenzentrums selbst kann also nicht als gewährleistet betrachtet werden.
Die Fortsetzung von Sammelüberweisungen auf Sammelüberweisungen dürfte mithin auch bei allseitigen Bemühungen stets mit Restrisiken in der grundsätzlichen Anerkennung und mit Restrisiken im Vollzug belastet bleiben.
d) Umsetzungsgrenzen bei Einzelkonten
In Betracht kommen sodann Treuhandeinzelkonten, d. h. ein Treuhandkonto je Leistungserbringer, zumindest aber Gestaltungen mit eineindeutigen Kontonummern, die nur je einer IK zugeordnet sind. Solche Gestaltungen sind möglich und angesichts der Risiken aus den Sammelüberweisungen könnte u. U. abgeleitet werden, dass es sogar einen Anspruch auf Einzeltreuhandkonten gibt. Dafür spricht die Zwecksetzung der Treuhandkonten. Ob solch ein Anspruch tatsächlich von Gerichten anerkannt würde, ist allerdings offen.
Unabhängig davon gilt auch bei einem Einzeltreuhandkonto zu beachten, dass das Treugut nur als Fremdgeld behandelt werden darf, jedoch nicht als Eigengeld des jeweiligen Abrechnungszentrums. In der Praxis ziehen Abrechnungszentren ihre zustehenden Gebühren direkt ab und leiten nur die Differenz an den jeweiligen Leistungserbringer weiter. Dies erscheint unter den Voraussetzungen der Rechtsprechung durchaus möglich, solange nur eine Überweisung vom Treuhandkonto auf ein Eigengeldkonto des Abrechnungszentrums erfolgt und erst dann das Rechenzentrum über das transferierte Geld im eigenen Namen verfügt. Jedoch sind auch hier Überprüfungen anzustellen, ob die jeweilige eigene Abrechnungspraxis den Voraussetzungen der Rechtsprechung genügt.
Weiterhin bleibt zu beachten, dass aus der zitierten Rechtsprechung folgt, dass das Aussonderungsrecht im Fall der sog. Vermischung wie auch im Fall der tatsächlichen Behandlung als eigenes Vermögen entfällt. Alleine die Vereinbarung einer Ausgestaltung, welche ein Aussonderungsrecht begründet, führt mithin nicht verlässlich zur Insolvenzsicherheit. Nur wenn diese Vereinbarungen auch je korrekt vollzogen werden, bleibt das Aussonderungsrecht bestehen. Das setzt voraus, dass die Treuhandgestaltung auch in einer Krisenphase eines Unternehmens absolut unangetastet bleibt. Gibt es dann Abweichungen, geht auch trotz jahrelanger vorheriger und kontrollierter Treuhandpraxis das Aussonderungsrecht unter. Dann können zwar u. U. noch Ersatzaussonderungsrechte eingreifen, aber auch daraus folgende Gelder müssen bestimmbar sein.
Mithin ist auch ein Einzeltreuhandkonto zumindest bei ordnungsgemäßen Vollzug mit einem geringeren Risiko verbunden, es bietet aber im relevanten Krisenfall auch keine Sicherheit.
Fazit
Die Anforderungen der Rechtsprechung an ein offenes Treuhandkonto sind vielfältig und stellen die Abrechnungspraxis vor hohe Herausforderungen in der Umsetzung. Es bestehen Zweifel, ob die hier in § 300 Abs. 2 SGB V vorgesehene Neuregelung zu substantiellen Verbesserungen führt. Zwar werden je nach Ausgangssituation des individuellen RZ gegenüber dessen bisherigen Stand Verbesserungen eintreten. Der Vollzug der Regelung bleibt aber aller Voraussicht nach fehler-, jedenfalls krisenanfällig. Eine echte Insolvenzsicherheit wird damit nicht erreicht werden.
Dr. A. Penner Pierre Finke
Rechtsanwalt Rechtsanwalt