Nephrostomiekatheter als Implantat – Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.04.2019, (B 1 KR 27/18 R)
Unmittelbar nach dem Erscheinen des Terminsberichts zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur kodiertechnischen Qualifikation eines Nephrostomiekatheter haben wir in unserem Newsletter vom 12.04.2019 über dieses Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.04.2019, (B 1 KR 27/18 R) berichtet (s. hier). Fest steht nach Auffassung des BSG, dass es sich bei einem Nephrostomiekatheter um einen Unterfall einer Prothese, eines Implantats oder Transplantats im Sinne der ICD T83.5 handelt.
Die Entscheidungsgründe zu diesem Urteil sind nun veröffentlicht. Nach Ihnen ist nunmehr eine Klarstellung zur Auslegung dieses ICD-Kodes erfolgt. Die Konstellation ist sehr spezifisch. Da das BSG hier aber, anders als leider sonst häufig zu beobachten, strikt die zutreffenden Kriterien der Wortlautauslegung und das zugunsten eines Krankenhauses angewandt hat, ist die Entscheidung positiv hervorzuheben.
Sachverhalt und Entscheidung
Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob ein Nephrostomiekatheter als Implantat im Sinne der ICD T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) zu qualifizieren ist. Dieser Kode aus der Untergruppe T83.- Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt lautet: T83.5 Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt.
Das klagende Krankenhaus war der Ansicht, dass die ICD T83.5 die speziellste Möglichkeit sei, einen Harnwegsinfekt durch ein Implantat zu kodieren. Sie enthalte sowohl die Ursache für den Infekt als auch dessen Lokalisation. Die vorherige Instanz, das LSG Berlin-Brandenburg lehnte dies mit seiner Entscheidung vom 14.09.2017 (L 1 KR 238/15) ab. Nach der gebotenen strengen Wortlautauslegung, ergänzt durch systematische Erwägungen, sei T83.5 nicht einschlägig. Die Infektion sei keine durch ein Implantat im Harntrakt gewesen, da der Katheter kein Implantat sei, so das LSG.
Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung des LSG aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LSG zurückverwiesen. Bei dem eingesetzten Nephrostomiekatheter handele es sich um einen Unterfall einer Prothese, eines Implantats oder Transplants im Sinne des ICD-Kodes. Es stehe nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG aber nicht fest, dass der diagnostizierte Harnwegsinfekt „durch“ den Nephrostomiekatheter bedingt war. Das LSG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
Gründe der Entscheidung
Das BSG qualifiziert den Nephrostomiekatheter als Verweilkatheter als einen Unterfall einer Prothese, eines Implantats oder Transplantats im Harntrakt. Demzufolge sei im vorliegenden Fall die ICD T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) die richtige Schlüsselnummer.
Dies folge bereits daraus, dass das systematische Verzeichnis gerade begrifflich „Harnwegskatheter (Verweilkatheter)“ in die Gruppe „T83.-ˮ mit einbeziehe. Die ICD T83.5 sei im systematischen Verzeichnis im Kapitel XIX „Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)“ verortet. Sie gehöre dort dem Abschnitt „Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert (T80-88)“ an. Die Gruppe T83.- betreffe insbesondere „Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt“. Sie umfasse unter anderem unter T83.0 die „Mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter (Verweilkatheter)“.
Daraus lasse sich nach Ansicht des BSG nicht der Umkehrschluss ziehen, dass mangels ausdrücklicher Nennung etwa in T83.5 dort keine Harnwegskatheter erfasst seien. Denn in T83.0 sei der „Harnwegskatheter (Verweilkatheter)“ nicht in einer Aufzählung neben „Prothesen, Implantaten und Transplantaten“ genannt, sondern allein als ein Unterfall bezeichnet. Hierfür genüge auch nicht jeder Harnwegskatheter, sondern lediglich ein „Verweilkatheter“.
Kommentar
Die strenge Auslegung der Vergütungsregelungen soll gerade dazu dienen, dass eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen erfolgen kann. Demnach sind Vergütungsregelungen grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 1/01 R).
Begriffslogisch ist die Feststellung des BSG, dass es sich beim dem Begriff Harnwegskatheter im Sinne der T83.0 im Lichte der Gruppenbezeichnung T83.- um einen Unterfall der dort verwendeten Oberbegriffe „Prothesen, Implantate oder Transplantate“ handelt, nicht zu beanstanden.
Ebenso hat das BSG seinen eigenen Maßstab einer eng am Wortlaut orientierten und unterstützt durch systematische Erwägungen vorzunehmenden Auslegung beachtet und nicht etwa unzulässige weitere Bewertungen oder Abwägungen vorgenommen, wie das oftmals in Fragen zur notwendigen Größe eines Defekts oder dem erforderlichen Umfang einer Pfannenbodenplastik streitig ist.
Im Ergebnis hat das BSG eine klarstellende Entscheidung zu einem speziellen Problem getroffen, die die üblichen Unwuchten nicht aufweist.
Corinna Schmidtmann
Rechtsanwältin