Hybrid-DRGs – Stolpern in die Ambulantisierung

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Hybrid-DRGs – Stolpern in die Ambulantisierung

Mit Wirkung zum 01.01.2024 ist die neue Hybrid-DRG-Verordnung (Hybrid-DRG-VO) in Kraft getreten. Mit dieser Verordnung sollte die Vollzugsfähigkeit des § 115f SGB V hergestellt werden, eine Norm welche die Ambulantisierung befördern soll (s. u. 1). Der Start in die Hybrid-DRG ist allerdings in einem außergewöhnlichen Maße hinter dem zurückgeblieben, was für einen problemarmen Start notwendig gewesen wäre. Hier wirkt sich u. a. eine defizitäre Handhabung des Konfliktlösungsmechanismus des § 115b SGB V aus (s. u. 2). Zu Beginn des Jahres war außerdem die technische Gestaltung der Abrechnung der Leistungen über Wochen hinweg unklar. Hier haben die Selbstverwaltungspartner jeweils mit vorübergehenden Lösungen abgeholfen, zuerst mit der Vereinbarung mit der DKG (Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung = stationäre Abrechnungsvereinbarung stationär = Hybrid-DRG-UV stat.) und zuletzt für die Ärzte aufgrund Vereinbarung vom 07.03.2024 (Hybrid-DRG-Verordnung über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens = ambulante Abrechnungsvereinbarung = Hybrid-DRG-AV amb – s. u. 4). Diverse mitunter zentrale Fragen sind weder durch das Gesetz noch durch die Verordnung geklärt (s. u. 5):

1. Zielsetzungen

Mit der Hybrid-DRG soll die Ambulantisierung im Gesundheitswesen weiter gefördert werden. Denn insgesamt ist die ambulante Versorgung oft kostengünstiger als ein stationärer Aufenthalt. Nach dem Befund des iGES-Gutachtens zu AOP (März 2022) sei das Ambulantisierungspotenzial mit 4,3 Million Fällen zu beziffern. Daher sollen durch Hybrid-DRGs Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen und Vertragsärzte zusätzlich motiviert werden, weitere ambulante Behandlungsformen anzubieten, um die Effizienz zu steigern und die Gesamtkosten zu senken. Daneben soll auch das in den Krankenhäusern tätige Pflegepersonal entlastet werden, ohne die Qualität der medizinischen Versorgung für die Patientinnen und Patienten hierbei einzuschränken.

Das Mittel hierzu soll die Erfassung von Fällen sein, die nach bisherigen Maßgaben je nach individuellen Umständen ambulant wie stationär zu versorgen waren. Diese Gestaltungen werden nun einer Hybrid-Kategorie zusammengefasst, für welche es nicht darauf ankommt, ob tatsächlich eine ambulante oder stationäre Versorgung stattfindet. Der Preis dafür liegt dann nach dem Konzept zwischen den Kosten der beiden Bereiche. Bisherige ambulante Fälle werden damit besser vergütet, bisher stationäre Fälle geringer als zuvor. Das verbessert aus Sicht der Vertragsärzte – theoretisch – die Vergütung für solche Fälle bei ihnen und reduziert die Vergütung für die Krankenhäuser. Letztere haben damit einen Anreiz, die ambulante Durchführung zu forcieren, können längerfristig u. U. zusätzliches ambulantes Potenzial erreichen, und Niedergelassene, Kooperationen unterstellt, Fälle mitversorgen, die bisher wegen dem etwaigen stationären Versorgungsbedarf nicht für die ausschließlich ambulante Erbringung in Frage kamen.

So jedenfalls die Theorie.

2. Umsetzungsversuche

Nach dem Gesetz sollte dieses Konzept durch die Vertragsparteien der Selbstverwaltung mit Leben gefüllt werden, also dem SpiBu, der DKG und der KBV. Diese haben im Hinblick auf den Katalog allerdings einander widersprechende Interessen. Die KBV drängt verständlicherweise auf Expansion und eine Verbesserung gegenüber dem EBM. Die DKG hat zwar die gleichen Vergütungsinteressen wie die KBV, kann aber kein Interesse an einer Expansion auf Kosten stationärer Fälle haben. Für die Kassen ist eine Expansion durchaus von Interesse, das aber mit einer reduzierten Vergütung. Wenig überraschend kam es bei dieser Ausgangslage zu keiner einverständlichen Lösung, da die Konzeption praktisch keine Konstellationen beließ, wo alle gewinnen.

Folglich musste ein Konfliktlösungsmechanismus greifen. Für diesen Mechanismus wurde indes nicht die übliche Schiedsstellenvariante vorgesehen. Stattdessen sollte das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung eingreifen können. Diese Gestaltung widersprach zwar der Selbstverwaltungsidee, aber prima facie sind auch die Selbstverwaltungslösungen nicht stets unproblematisch. Diese Lösungen sind zwar in der Regel sachnah, indes nicht zwingend interessengerecht, weil Patienteninteressen und Minderheitenpositionen aufgrund der Gestaltung der üblichen Konfliktlösungsmechanismen und der vornehmen Distanz des BSG gegenüber Patienten- und Minderheiteninteressen oft „hintenüberfallen“. Solche Effekte hätte eine Verordnung vermeiden können. Für solch eine Verordnung gab es auch einen diskutablen ersten Entwurf, der sich jedenfalls um Sachnähe bemühte, wenn auch von den Verbänden sehr viel Verbesserungspotenzial angemerkt wurde (s. hier, hier und hier).

Statt indes die Sachnähe weiter auszubauen bei insgesamt interessengerechter Gestaltung wurde jedoch der Sache nach nur noch eine Art „Rumpfverordnung“ erlassen. Grund hierfür könnten Überlegungen zu einer eingeschränkten Regelungskompetenz des Verordnungsgebers sein, die allerdings kaum überzeugen. Konsequenz war jedenfalls, dass die Verordnung mit Ausnahme des Anwendungsumfanges kaum etwas regelte. Verbunden war das mit der Erwartung, dass die Selbstverwaltungspartner nun die übrigen Fragen sachgerecht regeln würden und das den widersprechenden Interessenlagen zum Trotz. Damit ist es im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung dazu gekommen, dass Schwächen aus beiden Welten zusammenkommen, nämlich sachdistanzierte Verordnungsregulierung und (partiell) interessendistanzierte Selbstverwaltung.

Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die zwischenzeitlich eingetretene Situation:

3. Startkatalog

Zentraler Bestandteil des ersten, keineswegs geglückten Umsetzungsschrittes ist Anlage 1 der Verordnung, die einen überschaubaren, sog. „Startkatalog“ umfasst, dem für bestimmte Leistungen bestehend aus 5 Leistungsbereichen jeweils eine indikationsspezifische Prozedurenliste (OPS-Kodes) zugeordnet ist. Bei den fünf Leistungsbereichen handelt es sich um bestimmte Hernieneingriffe, Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien, Arthrodesen der Zehengelenke sowie Behandlungen des Sinus pilonidalis (Steißbeinfistel). Der Katalog umfasst eine Auswahl von Leistungen ambulant durchführbarer Operationen, sonstige stationsersetzende Eingriffe sowie stationsersetzende Behandlungen nach § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (AOP-Katalog). Die Leistungen werden mit einer in Anlage 2 aufgeführten Hybrid-DRG vergütet, sofern der betreffende Fall bei Anwendung des jeweils gültigen aG-DRG-Gruppierungsalgorithmus in die betreffende Hybrid-DRG eingruppiert wird.

4. Spezielle sektorengleiche Vergütung

Für diese Auswahl an Leistungen erhalten die Vertragsärzte und Krankenhäuser nunmehr dieselbe Vergütung. Abrechnungsberechtigt hierzu sind gemäß § 115f Abs. 3 S. 1 SGB V die nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V sowie § 108 SGB V an einer Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer, die für das ambulante Operieren nach § 115b Abs. 1 S. 5 SGB V die geltenden Qualitätsvoraussetzungen erfüllen. Neben Krankenhäusern kommen hier insbesondere ambulante Operationszentren, Praxiskliniken, medizinische Versorgungszentren in Betracht. Die Gesetzesbegründung benennt außerdem die im Zusammenhang mit ambulanten Operationen zusammenwirkenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte (BT-Drs. 20/4708, S.101), was allerdings mit dem Verweis auf § 115b Abs. 1 Satz 5 SGB V kollidiert, soweit es danach auf den aktuellen Stand der QS-Vereinbarungen ankommt, die nur diejenigen zum Gegenstand haben, welche den Eingriff selbst ausführen.

Folgende Grundsätze kennzeichnen die Vergütungsgestaltung:

a) Unteilbarkeit

Die Hybrid-DRG kann nur einmal abgerechnet werden und wird nur einmal gezahlt, auch wenn mehrere Leistungserbringer an der Erbringung der Leistung mitgewirkt haben. Leistungserbringer müssen damit ihre Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Erbringung und Einziehung selbst gestalten.

b) Vollständige Aufwandserfassung

Nach § 1 Satz 3 Hybrid-DRG-VO werden mit der Hybrid-DRG sämtliche Aufwände im Zusammenhang mit der Behandlung des Versicherten mit den in Anlage 1 genannten Leistungen abgegolten. Mit der Fallpauschale sind sowohl Sachmittel als auch Aufwände für Unterkunft und Verpflegung der Patientinnen und Patienten, die bei einer Übernachtung anfallen, abgedeckt. Ebenfalls abgedeckt sind ärztliche Aufwände, auch wenn diese einem anderen an der Leistung beteiligten Arzt als dem Operator entstanden sind, sofern diese mit der Erbringung der Leistungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, beispielsweise erforderliche Anästhesien, aber auch perioperatives Labor sowie intraoperative und unmittelbar postoperative Röntgenleistungen, vgl. Begründung zur Hybrid-DRG-VO zu § 1.

Diese vollständige Abdeckung aller Leistungen soll dabei mit den Maßnahmen zur Operationsvorbereitung sowie Operationsplanung beginnen und mit dem Abschluss der postoperativen Nachbeobachtung, jeweils in der Einrichtung in der die Operationen durchgeführt wird, enden, vgl. § 1 Hybrid-DRG-Verordnung.

c) Pauschalisierung auf hybrider Höhe

Weiterhin ist die Vergütung durch eine Pauschalisierung gekennzeichnet. Sie erfolgt je Hybrid-DRG in der gleichen Höhe unabhängig von stationärer oder ambulanter Umsetzung und unabhängig vom konkreten Aufwand. Zugleich ist die Vergütung der Höhe nach tatsächlich hybrid im Sinne einer Mischung aus EBM und DRG, indem sie in der Regel der Höhe nach zwischen EBM und DRG liegt.

Diese Gestaltung soll einen Wirtschaftlichkeitsanreiz geben und gilt auch dann, wenn der medizinische Bedarf oberhalb des konkreten Vergütungslevels liegt. Es fällt jedoch auf, dass der Differenzierungsgrad unter demjenigen des EBM und der DRG liegt, also die Bedarfsgenauigkeit gegenüber den bisherigen Vergütungen reduziert ist. Der Differenzierungsgrad der AOP wird im Hinblick auf die dortigen Zuordnungen und die Differenzierungen wegen der differenzierten Übernahme der Materialien, namentlich Implantaten, sodann doppelt unterschritten. Es gibt zudem Fälle, in denen das Ergebnis der Hybrid-DRG unterhalb des Ergebnis nach EBM bleibt, berücksichtigt man auch die jeweils abrechnungsfähigen Kosten.

Auch gegenüber den DRG, die stationär regelhaft mehrere Aufwandshöhen und Differenzierungen nach Verweildauern vorsieht, gibt es bei den Hybrid-DRG nur jeweils eine „Einheits-DRG“. Nur in zwei Fällen der DRG G24 und I20 gibt es jeweils eine Differenzierung nach Aufwand.

Abfangen lässt sich dieser hohe Pauschalisierungsgrad innerhalb des Vergütungssystems also nur, indem das Anfallen „teurer“ Fälle, die aufgrund ihres medizinischen Bedarfs keine Kostendeckung erfahren, durch eine entsprechende Zahl günstigerer Fälle ausgeglichen wird.

d) Stationärer Kodierungsmodus

Die Kodierung ist sodann keine Mischung, sondern ein Abbild stationärer Modi. Für die Abrechnung kommt es nicht allein auf die Dokumentation eines oder mehrerer in der Anlage 1 genannten Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS-Kodes) an. Zu berücksichtigen sind daneben Bedingungen betreffend die Verweildauer und der klinische Komplexitätsgrad (Patient Clinical Complexity Level (PCCL). Das entspricht der stationären Systematik, für welche auch auf die dort gültigen Regelwerke (Definitionshandbuch und DKR), Bezug genommen wird, § 2 Abs. 1 Hybrid-DRG-AV amb, § 1 Abs. 1 Hybrid-DRG-UV stat). Praktisch kommen die Leistungserbringer dabei nicht umhin, Grouper-Software zu nutzen. Das ist für die Krankenhäuser gewohntes Terrain, indes Neuland für die ambulanten Leistungserbringer.

e) Direktabrechnung

Nach § 115f Abs. 3 Satz 2 ff. SGB V werden die Leistungen unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Unterstützung kann es hierbei nach § 115f Abs. 3 S. 3 SGB V durch die Kassenärztliche Vereinigung geben, wenn diese mit der Abrechnung der Leistungen beauftragt wird.

aa) Stationäre Abrechnung

Am 06.02.2024 erfolgte für die Umsetzung dieser Abrechnung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Vereinbarung zur Umsetzung des Abrechnungsverfahrens der speziellen sektorengleichen Vergütung der Krankenhäuser gemäß § 115f SGB V (Hybrid-DRG) im Rahmen der Datenübermittlung gemäß § 301 Abs. 1 und 2 SGB V (Hybrid-DRG-UV stat). Eine solche Umsetzungsvereinbarung erfolgte auch zwischen dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V., Berlin (PKV-Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung).

(1) Geregelt ist in der Hybrid-DRG-UV stat u. a., dass für die Eingruppierung der Tag der Aufnahme in das Krankenhaus maßgeblich ist, vgl. § 1 Abs. 1 Hybrid-DRG-UV stat. und zum anderen erfolgt nach § 1 Abs. 3 Hybrid-DRG-UV stat. die Klarstellung, dass eine Abrechnung weiterer Entgelte (Zu-/Abschläge, Pflegeentgelt, Zusatzentgelte) ausgeschlossen wird. Als Ausnahme davon wird in § 3 Hybrid-DRG-UV stat. allerdings vorgesehen, dass die Pflegekosten der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im Rahmen des Pflegebudgets gleichwohl berücksichtigungsfähig bleiben, weil diese Kosten in der Kalkulation der Hybrid-DRG unberücksichtigt geblieben sind.

  • 1 Abs. 4 Hybrid-DRG-UV stat. sieht nunmehr vor, dass keine alternative EBM-Abrechnung nach § 115b SGB V möglich sein soll. Weiterhin soll nach Abs. 5 eine Wiederaufnahme des Patienten am Tag der Entlassung im Zusammenhang mit der Leistungserbringung gemäß § 115f SGB V eine Fallzusammenführung bewirken, ggf. kann dann vollstationärer abgerechnet werden.

In § 2 Abs. 3 Hybrid-DRG-UV stat. wird schließlich die Möglichkeit – soweit technisch möglich – der kurzfristigen Zwischenabrechnung durch die Krankenkassen ab dem 15.02.2024 für solche Fälle geregelt, die bis zum 30.04.2024 in das Krankenhaus aufgenommen wurden.

(2) Bemerkenswert im Hinblick auf die Regelungen der Hybrid-DRG-UV stat ist, dass sie auf § 115f Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 301 Abs. 1 u. 2 SGB V basieren. Davon gehen auch die Vertragsparteien der Durchführungsvereinbarung aus. Hierzu ist festzustellen, dass diese Bestimmungen keine Regelungskompetenz der Parteien der Hybrid-DRG-UV stat vorsehen. Bestenfalls wäre § 301 Abs. 3 SGB V als Ermächtigungsgrundlage zu betrachten, wenn man annimmt, dass der Verweis in § 115f Abs. 3 Satz 5 SGB V die Kompetenzen im Rahmen des § 301 Abs. 3 SGB V erweitert. Zudem bestünde in jedem Fall nur die Befugnis zur Regelung der Datenübermittlung. Darüber gehen die Inhalte hinaus. Die tatsächlich getroffen Regelungsinhalte hätten bestenfalls auf § 115b Abs. 1 Satz 1 SGB V gestützt werden können. Dafür hätte es indes einer gemeinsamen Regelung aller Vertragspartner, also einschließlich der KBV bedurft. Eine solche Regelung erfolgte jedoch nicht. Damit sind die Bestimmungen, welche die Abrechnungsmöglichkeiten beschränken (z. B. der Ausschluss der EBM-Abrechnung) und die sich nicht selbst aus § 115f SGB V ergeben, nichtig und unbeachtlich.

bb) Ambulante Abrechnung

Am 07.03.2024 einigten sich außerdem die KBV und der GKV-Spitzenverband über die Abrechnungsmodalitäten für die neue Hybrid-DRG für die vertragsärztlichen Leistungserbringer. Dazu wurde eine entsprechende Vereinbarung getroffen, die rückwirkend ab dem 01.01.2024 gilt. Vertragsärzte können damit die Fallpauschalen für bestimmte Eingriffe nunmehr abrechnen.

(1) Die Vereinbarung beschreibt das Verfahren der Abrechnung und benennt die Daten die hierzu übermittelt werden müssen. Zudem sollen Ärzte die Abrechnung jederzeit einreichen können, wogegen die Krankenkassen die Rechnungen der Ärzte künftig innerhalb von 21 Tagen begleichen müssen, sofern sie eine Abrechnung nicht zu beanstanden haben.

Da die Krankenkassen die Technik für das neue Abrechnungsverfahren zunächst noch bis spätestens zum Ende des Jahres einreichen müssen, gilt bis dahin eine Übergangsregelung. Diese sieht vor, dass übergangsweise Vertragsärztinnen und Vertragsärzte den herkömmlichen Abrechnungsweg nutzen können. Demnach müssen die Ärzte alle Eingriffe die sie dieses Jahr durchführen, nach § 115 f SGB V mit der Quartalsabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Dazu bedarf es für die Hybrid-DRG einer Pseudo-Gebührenordnungsposition sowie der Kennzeichnung der Hauptdiagnose. In diesem Falle muss der Arzt die KV mit der Abrechnung beauftragen. Es kann aber auch mit der Kasse direkt abgerechnet werden oder es wird ein anderer Dienstleister beauftragt, sofern einzelne Krankenkassen diese Abrechnungswege schon in diesem Jahr ermöglichen.

Die Abrechnungsvereinbarung sieht außerdem vor, dass die Hybrid-DRG nur von einem am Eingriff beteiligten Arzt abgerechnet werden darf, beispielsweise vom Operateur oder auch vom Anästhesisten. Laut der Hybrid-DRG-Verordnung muss dieser sodann das Honorar mit den beteiligten Kolleginnen und Kollegen teilen.

(2) Auch hier stellt sich wie bei der Umsetzungsvereinbarung für die stationäre Versorgungallerdings die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage dieser Vereinbarung. Hier hätte – anders als über § 301 Abs. 3 SGB V – selbst für Fragen der Datenübermittlung keine Vereinbarungsgrundlage entstanden. Hier führt nämlich der Verweis des § 115f Abs. 3 Satz 5 SGB V zu § 295 Abs. 1b Satz 1 SGB V für die Datenübermittlung, für die dann Näheres nach § 295 Abs. 1b Satz 2 SGB V einseitig durch den Spitzenverband Bund bestimmt werden kann. Eine Vereinbarung mit der KBV ist nicht vorgesehen. Zwar mag dann eine Beteiligung unschädlich sein, indes sind auch hier die Kompetenzen überschritten, soweit sich die Regelungen nicht auf die Datenübermittlung beschränken. Insoweit hätte es wieder einer dreiseitigen Vereinbarung nach § 115f Abs. 1 Satz 1 SGB V bedurft, die indes gescheitert war. Für beschränkende Bestimmungen jenseits der reinen Übermittlung steht damit ebenfalls die Nichtigkeit im Raum.

5. Offene Fragen und Ausblick

a) Grundsatzfragen

Mithin gibt es zwischenzeitlich Regelungen zu den erfassten Leistungen mit eingeschränkten Regelungen zu grundsätzlichen Punkten sowie provisorische Regelungen für Krankenhäuser und Ärzte zur Abrechnung mit kompetenzrechtlich problematischen Gestaltungen. Damit bleiben verschiedene grundsätzliche Fragen offen, wie sich auch eine große Zahl weiterer Fragestellungen stellt:

Ist die Hybrid-DRG korrekt kalkuliert?

Als eine grundsätzliche Problematik stellt sich die Frage, ob die Vergütung der Hybrid-DRG tatsächlich korrekt kalkuliert ist. Nach § 115f Abs. 1 Satz 4 SGB V soll bei der erstmaligen Kalkulation die für die jeweilige Leistung im stationären und ambulanten Bereich für das zum Zeitpunkt der Kalkulation letzte Abrechnungsjahr gezahlten Vergütungsvolumina sowie die Anzahl der erbrachten Fälle berücksichtigt werden. Nach der Gesetzesbegründung basiert die Grundidee, wie dargestellt, auf einer Vergütung deren Höhe zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG) liegt, wodurch einerseits Anreize zur ambulanten Leistungserbringung gesetzt und andererseits höherer stationärer Behandlungsaufwand vermieden werden soll. Nicht realisiert wird dieses Ergebnis aber mitunter für Leistungen bei denen hohe Sachkosten auf Ebene des EBM zu berücksichtigen waren. Dann unterschreitet die Hybrid-DRG die bisherigen ambulanten Vergütungen.

Daraus können sich zwei Schlussfolgerungen ergeben. Die eine geht dahin, dass das eine absichtsvolle Konsequenz der Pauschalisierung ist, um im Hinblick auf Beschaffung und Mischkalkulation von Fällen die Wirtschaftlichkeit zu fördern. Darin könnte aber auch ein Indiz für eine schlicht fehlerhafte Kalkulation liegen. Bestärkt wird diese Annahme durch die fehlende Transparenz der Berechnung, da die Daten, auf deren Grundlage kalkuliert wurde, nicht offengelegt sind.

Beide Fälle sind sodann rechtlich problematisch. Wäre die Kalkulation möglicherweise nicht korrekt, bedürfte es der Herstellung von Transparenz und der Korrektur etwaiger Fehler. Wollte man hingegen tatsächlich so weitreichende Pauschalisierungen, dass sich auch bestimmte ambulante Fälle nicht mehr sachgerecht versorgen lassen, stellt sich die Frage, ob das nicht doch eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr vereinbare Pauschalisierung ist.

Gibt es ein Wahlrecht für die Abrechnung?

Sowohl für Vertragsärzte als auch für Krankenhäuser stellt sich insbesondere die Frage, ob diesen im Rahmen der Abrechnung ein Wahlrecht zusteht, die Leistungen nach § 115f SGB V oder jeweils nach herkömmlicher Systematik zu berechnen.

Für die Frage, ob ein Wahlrecht in stationären Fällen besteht, nach § 115f SGB V oder nach herkömmlicher DRG zu berechnen, dürfte die Frage im Zweifel dahin zu beantworten sein, dass bereits das Gesetz selbst, nämlich durch § 115f Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestimmt, dass die herkömmliche stationäre Abrechnung damit ausgeschlossen ist. Gesetzlich wird dabei die Rechtfertigung in der Beförderung der Wirtschaftlichkeit gesehen, indem es „belohnt“ wird, wenn Fälle statt stationär, ambulant erbracht werden. Alleine bleibt aber auch dann die Frage, ob dieser nachvollziehbare Anreiz nicht überschießend gesetzt ist, weil damit tatsächlich stationäre Fälle gezielt unterfinanziert bleiben. Diese Unterfinanzierung erfährt zwar eine – ebenfalls in der Rechtsgrundlage und im Inhalt problematische – Milderung, dadurch, dass die Pflegekosten im Pflegebudget berücksichtigungsfähig bleiben sollen (s. o. 4 e aa). Gleichwohl bleibt dann für den gesamten sonstigen Aufwand die Unterfinanzierung. Insoweit kann die Antwort auch nicht dahin gehen, dass es die entsprechenden stationären Fälle nicht mehr geben soll – immerhin sind das typischerweise die besonders vulnerablen und kritischen Fälle. Folglich lassen sich medizinische Bedarfe nur noch über eine Mischkalkulation von Fällen finanzieren. Das ruft aber schon die eben gestellte Frage hervor, ob diese Art der Pauschalisierung die möglichen Spielräume überdehnt.

Weiterhin stellt sich die Frage für ambulante Fälle, so die Vergütung nach EBM höher ausfällt. Gibt es jedenfalls dann ein Wahlrecht?

Für die Krankenhäuser scheint das durch § 1 Abs. 4 der Hybrid-Umsetzungsvereinbarung klargestellt, wonach die in Anlage 1 der Hybrid-DRG-Verordnung genannten Leistungen durch die Krankenhäuser nicht alternativ auch nach dem EBM-Ä abgerechnet werden können. Alleine ist diese Regelung schon deswegen unbeachtlich, weil hier die Kompetenz für solch eine Regelung fehlte (s. o. 4 e aa).

Sodann lässt der Wortlaut des § 1115f Abs. 3 Satz 1 SGB V ein Wahlrecht vermuten, indem es regelt, dass Leistungserbringer zur Erbringung der bestimmten Leistungen und zur Abrechnung dieser Leistungen „berechtigt“ sind. In dem Referentenentwurf hieß es zunächst auch, dass Leistungserbringer die in der Anlage 1 genannten Leistungen alternativ nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen abrechnen können (Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Verordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung, § 4 Abs. 2 Satz 2).

Auch liegt der Sinn und Zweck der Hybrid-DRGs darin, zugelassenen Krankenhäusern und Leistungserbringern der vertragsärztlichen Versorgung eine Vergütung zu gewähren, deren Höhe zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG) liegen soll. Hierdurch sollen Anreize zur ambulanten Leistungserbringung gesetzt sowie ein höherer stationärer Behandlungsaufwand vermieden werden (so BT-Drs. 20/4708, S. 100). Das rechtfertigt indes nur die Unterschreitung des DRG-Niveaus, indes zielt das nicht darauf, auch das EBM-Niveau zu unterschreiten. Mithin könnte man daraus folgern wollen, dass ein Wahlrecht tatsächlich nicht ausgeschlossen werden sollte.

Alleine haben die Krankenkassen laut der Homepage der KBV zu den Hybrid-DRG bereits verlautbaren lassen, ein solches Wahlrecht nicht anerkennen zu wollen. Soweit also der Gesetzgeber nicht per Verordnung eine Klarstellung vornimmt, wird es hier ggf. auf die Gerichte ankommen. Allerdings hat dieser Stand auch noch eine kritische verfahrensrechtliche Komponente. Denn ein Krankenhaus, das hier eine normale AOP abrechnete, bei der das Vorliegen eines Falles nach der Hybrid-DRG-Verordnung für die Kasse ersichtlich wäre, bekäme eine dem Wahlrecht gegenüber ablehnende Haltung durch eine Versagung der Vergütung ggf. schnell zu spüren und könnte ggf. noch in Abrechnungsfristen korrigieren.

Bei den Vertragsärzten sieht dies indes anders aus. Rechnen diese AOP gegenüber der KV und bejaht die jeweilige KV das Wahlrecht, käme es vorerst zu keiner quartalsgleichen sachlich-rechnerischen Berichtigung. Das könnte den Vertragsarzt „in Sicherheit“ wiegen. Allerdings könnten dann die Krankenkassen auch gegen den Willen der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 106d Abs. 4 S. 1 SGB V einen Plausiregress durchsetzen. Werden solche Fälle erst kurz vor Ablauf der zweijährigen Frist für die Plausi-Prüfung aufgegriffen, kann es dann ein böses Erwachen geben. Nach herkömmlicher Rechtsprechung läge alleine in der widerspruchslosen Vergütung nach der ersten Abrechnung zudem kein vertrauensschaffendes Moment. Es müsste dann zurückgezahlt werden, wie dann auch die Möglichkeit der Nachberechnung u. U. wegen Zeitablauf entfallen ist. Mithin bedürfte es der aktiven Schaffung eines im Verhältnis zur KV bindenden Vertrauenstatbestand, um von dem Wahlrecht verlässlich Gebrauch zu machen.

Sonstige Fragestellungen

Darüber hinaus gibt es auch noch diverse weitere offene Fragen wie z. B.:

  • Möglichkeiten/Schranken für die Umsetzung von Kooperationen zwecks Erbringung der Leistungen.
  • Abrechnungsberechtigter weiterer Beteiligter z. B. Anästhesisten.
  • Präzisierung von Beginn und Ende der Hybrid-DRG sowie mit abgegoltenen Leistungen anderer Leistungserbringer.
  • Abrechnungsfähigkeit SSB, sowie besondere Aufwände.
  • Möglichkeit von „Papierabrechnungen“ bis sämtliche Voraussetzungen für die Datenübermittlung geschaffen sind.
  • Im Hinblick auf die Vergütung besteht auch Klärungsbedarf, unter welchen Voraussetzungen Wahlleistungen im Zusammenhang mit der stationären Durchführung von Hybrid-DRG möglich sind.

b) Ausblick

Welche Auswirkungen die neue Verordnung haben wird, soll regelmäßig (alle 18 Monate) evaluiert werden. Hierfür müssten die Vertragsparteien bis zum 01.04.2024 einen ersten Bericht an das BMG schicken. Zudem läuft bereits die erste Frist für eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung des Kataloges für die Selbstverwaltung ab, da diese Frist auf den 31. März 2024 gesetzt wurde.

Damit zeigt sich, dass nicht nur der Start „verstolpert“ ist, sondern auch der jetzige Stand der Normsetzung aus rechtlicher Sicht lückenhaft und wenig belastbar ist. Im Bereich der Unterschreitung der bisherigen Kosten für ambulante Leistungen bestehen außerdem Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Kalkulation und man muss sich mit etwaigen Qualitätsschwächungen bzw. Risiken der Unterversorgung auseinandersetzen.

Aufgrund der Beschränkung der Hybrid-DRG-VO auf basale Regelungen, ist es folglich nun den Selbstverwaltungspartnern überlassen, etwas daraus zu machen. Mangels Schiedsregelungen ist das indes eine Herausforderung für alle Beteiligten. Der Wille zum Pragmatismus ist unverkennbar, belastet aber die Leistungserbringer mit an sich unzumutbaren Rechtsunsicherheiten. Folglich wird weiterhin nachhaltiges verbandspolitisches Engagement notwendig sein, erkannte Schwächen zu beheben. Selbst dann wird der Bereich der Hybrid-Leistungen indes erst dann richtig in Fahrt kommen können, wenn entweder der Verordnungsgeber seinen Aufgaben nachkommt, d. h. zwecks Sach- und Praxisnähe „zuhört“ und dann auch die relevanten, abgewogenen Regelungen trifft, oder den Parteien über die Installationen eines Schiedsverfahrens die Instrumente an die Hand gibt, trotz (naturgemäß) widerstreitender Interessenlagen zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen.

 

 

Nathalie Kartal, LL.M.                                    Prof. Dr. Andreas Penner
Rechtsanwältin                                              Rechtsanwalt