Bundesverfassungsgericht billigt einstweilen die einrichtungsbezogene Impfpflicht

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Bundesverfassungsgericht billigt einstweilen die einrichtungsbezogene Impfpflicht

Heute wurde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu § 20a IfSG, der sog. einrichtungsbezogenen Impflicht veröffentlicht (hier zum Volltext). Gegenstand war das Begehr, die Regelung insgesamt auszusetzen, bis eine endgültige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erfolgt. Damit soll in besonders eiligen Fällen, in denen nicht sofort endgültig entschieden werden kann, etwaigen nachteiligen Folgen aus einem Gesetz vorgebeugt werden. Diesem Begehr ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Die Risiken für vulnerable Personen aus dem Verzicht auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht wurden als gravierender gesehen als das Risiko einer Impfung und den wirtschaftlichen Nachteilen aus dem Verlust eines konkreten Arbeitsverhältnisses, der in dem Zeitraum bis zu einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eintreten kann.

Im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass es zwar Zweifel am Verfahren bzgl. des Genesenen- und Impfnachweises gebe und damit insgesamt zur Einbindung/Kompetenz des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert-Koch-Institutes in diesem Fall. Allerdings würden die Belastungen aus einer Impfung regelmäßig hinnehmbar sein bzw. sei Beschäftigten, so auch die schwersten Risiken aus Impfungen betrachtet werden, durch Wechsel des Arbeitsplatzes noch einstweilen zumutbar. Diesen Nachteilen für die Beschäftigten seien die irreversiblen Nachteile für hoch betagte und vorerkrankte Menschen sowie Menschen mit eingeschränktem Immunschutz entgegenzusetzen, die dem Risiko eines tödlichen Verlaufs ausgesetzt sind.

Diese Entscheidung ist zwar vorläufig und in einer späteren, endgültigen Entscheidung könnte noch ein anderes Ergebnis erreicht werden. Diese endgültige Entscheidung wird aber voraussichtlich noch Monate brauchen, also weit nach Inkrafttreten der Umsetzungspflicht für die Gesundheitseinrichtungen erfolgen.

Sodann leuchtet die Entscheidung nicht alle Facetten aus, die problematisch am § 20a IfSG sind. Zum Beispiel wird die Testalternative nicht auf Gleichwertigkeit überprüft, sodass noch nicht ersichtlich ist, wie die Risikobewertung zwischen ungetesteten Geimpften und täglich getesteten Ungeimpften ausfällt. Auch sind die greifbaren Unbilligkeiten und an der Grenze der Inkonsistenz stehenden Gestaltungen in der Umsetzung nicht beleuchtet worden. Allerdings ist die Abwägung eindeutig im Ergebnis. Etwaigen Zweifeln, so sie beim BVerfG überhaupt bestehen, dürfte mit der gleichen Abwägung begegnet werden. Die Sorge vor den nachteiligen Folgen der vollständigen Aussetzung der Regelung ist größer als die Nachteile aus der fortbestehenden Geltung. Damit dürften auch andere Eilverfahren, die die Regelung insgesamt aushebeln wollen, wenig Aussichten haben.

Mithin: Es bleibt, weiter von der Umsetzung auszugehen und diese vorzubereiten. Wo etwaige Probleme arbeitsrechtlich nicht gelöst werden können, bliebe für Bestandsbeschäftigte sodann ggf. noch die Möglichkeit für Lösungen in absoluten Härtefällen aufgrund des verbleibenden Umsetzungsspielraum der Behörden. Auch hier gibt die Entscheidung aber einen Fingerzeig, mit welcher Abwägung die Behörden sich auf Grundsätzen bewegen, die jedenfalls vom Bundesverfassungsgericht gebilligt werden. Alleine verbleibt, dass es tendenziell abweichende Grundsatzeinschätzungen bei manchen Verwaltungsgerichten gibt, die zuerst über Streitigkeiten entscheiden. Ist hier eine Behörde strenger als vom Verwaltungsgericht gebilligt, würde deren Entscheidung aufgehoben, ohne dass sich die Behörde an das Bundesverfassungsgericht wenden kann. Wird dagegen die Behörde nicht aufgehoben, wird der Bürger wenig Aussichten beim Bundesverfassungsgericht haben. Das „letzte Wort“ in der Umsetzung liegt also nicht in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht, sondern bei den einzelnen Verwaltungsgerichten und den jeweiligen Oberverwaltungsgerichten, die dann die effektiv letzte Instanz in Eilverfahren sind.

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt