Bundessozialgericht bestätigt Sitzverlegung von Anstellungen zwischen MVZ desselben Trägers

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Bundessozialgericht bestätigt Sitzverlegung von Anstellungen zwischen MVZ desselben Trägers

BSG, B 6 KA 18/19 R, Terminbericht Nr. 36/20, s. hier

Vorinstanz: Sozialgericht Hamburg – S 27 KA 83/18, 17.04.2019

Das BSG hat die in § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV gesetzlich geregelte Möglichkeit der Verlegung von Anstellungen zwischen zwei MVZ unterschiedlicher Träger, die sich in Inhaberschaft derselben Gesellschaft befanden, bestätigt und das ablehnende Urteil des SG Hamburg, s. hier aufgehoben.

Damit ist eine Sitzverlegung – vorbehaltlich entgegenstehender Gründe der vertragsärztlichen Versorgung – rechtlich zwischen zwei unterschiedlichen MVZ-GmbH möglich, wenn und soweit beide MVZ-GmbH den identischen Gesellschafter aufweisen. Eine MVZ-Neugründung durch Abspaltung und Verlegung genehmigter Anstellungen bleibt voraussichtlich aber nach wie vor ausgeschlossen.

Die Rechtsprechung ist zu begrüßen, denn sie geht gegen den bisherigen Trend, das MVZ-Zulassungsrecht durch Case-Law einzuschränken. Das BSG bestätigt hier den gesetzgeberisch klar formulierten Willen und schützt damit Gestaltungsmöglichkeiten von Vertragsärzten und Krankenhäusern gleichermaßen.

Zum Sachverhalt und der Rechtsfrage:

Streitgegenständlich war ein Verlegungsantrag wegen einer MVZ-Anstellung gem. § 24 Abs- 7 Satz 2 Ärzte-ZV von einer MVZ-GmbH eine andere MVZ-GmbH. Alleingesellschafterin beider MVZ-GmbH war eine dritte GmbH.

Dies ist eine Variante einer institutionellen MVZ-Struktur, in der eine Gesellschaft zwei MVZ als selbständige MVZ-Träger-GmbH und 100%ige Tochterunternehmen betreibt. Eine andere gesellschaftsrechtlich-zulassungsrechtliche Gestaltungsvariante bei mehreren Standorten ist die Gründung mehrerer MVZ unter einer MVZ-GmbH.

Nachdem der Zulassungsausschuss ablehnte, gab der Berufungsausschuss bei der KV Hamburg dem Antrag statt, woraufhin die KV Klage gegen die Stattgabe erhob.

Zulassungsrechtliche Grundlage:

Die Verlegung des Vertragsarztsitz eines Niedergelassenen ist in § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV geregelt. Dort heißt es (Hervorhebung durch den Verfasser):

(7) Der Zulassungsausschuss darf den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Entsprechendes gilt für die Verlegung einer genehmigten Anstellung.

Der Gesetzgeber führt zur vorstehend hervorgehobenen gesetzlichen Ergänzung aus (Hervorhebung durch den Verfasser) – BT- Drucksache 18/4095, S. 147, s. hier

Mit der Ergänzung in Absatz 7 wird sichergestellt, dass MVZ bei Zulassung und Betrieb nicht gegenüber Vertragszahnärzten benachteiligt werden. MVZ und Vertragszahnärzte müssen gleiche Gestaltungsmöglichkeiten haben. Daher wird die Verlegung einer Anstellungsgenehmigung von einem MVZ in ein anderes MVZ (in gleicher Trägerschaft oder bei Identität der Gesellschafter) geregelt. Eine solche Übertragung der Anstellungsgenehmigung ist analog der Sitzverlegung bei der Zulassung zulässig. Danach ist die Verlegung nur dann zulässig, wenn Gründe der vertragszahnärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.

Aus der Gesetzesbegründung geht der gesetzgeberische Wille zur grundsätzlich bestehenden Möglichkeit von Verlegungen genehmigter Anstellungen zwischen zwei MVZ-Gesellschaften mit Gesellschafteridentität hervor.

Erstinstanzliche Entscheidung SG Hamburg:

Gleichwohl lehnte das SG Hamburg erstinstanzlich den Genehmigungsanspruch ab, was das Gericht wie folgt begründete (Hervorhebungen durch den Verfasser).

Der Gesetzgeber hat zu der Änderung des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV durch Art. 15 Nr. GKV-VSG erklärt: „Mit der Ergänzung in Absatz 7 wird sichergestellt, dass MVZ bei Zulassung und Betrieb nicht gegenüber Vertragsärztinnen und Vertragsärzten benachteiligt werden. MVZ und Vertragsärztinnen und Vertragsärzten müssen gleich Gestaltungsmöglichkeiten haben. Daher wird die Verlegung der Anstellungsgenehmigung von einem MVZ in ein anderes MVZ (gleicher Trägerschaft oder bei Identität der Gesellschafter) geregelt. Eine solche Übertragung der Anstellungsgenehmigung ist analog der Sitzverlegung bei der Zulassung zulässig. Danach ist die Verlegung nur dann zulässig, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen“(BT-Drucksache 18/4095, S.146). Leitgedanke des Gesetzgebers bei der Regelung des § 24 Abs. 7 Satz 2 Ärzte-ZV war demnach, eine Schlechterstellung von MVZ gegenüber Vertragsärzten zu verhindern, nicht aber eine Besserstellung zu erreichen, in dem juristischen Personen des Privatrechts anders als natürlichen Personen erlaubt wird, genehmigte Anstellung ihrer Beschäftigten von einer GmbH in eine anderen GmbH zu verlegen.

Daran ändert nach Überzeugung der Kammer der auf Betreiben des Bundesverbandes Medizinischer Versorgungszentren in die Gesetzesbegründung, nicht aber in das Gesetz, aufgenommene Zusatz „in gleicher Trägerschaft oder bei Identität der Gesellschafter“ nichts. Unabhängig davon, ob man diesen Zusatz als missglückten Versuch der Berücksichtigung der Verlegung von genehmigten Anstellung zwischen als GbR betriebenen MVZ mit den gleichen natürlichen Personen verstehen will, ist der Sinn und Zweck der Regelung die Gleichstellung, aber nicht die Besserstellung nicht außer Acht zu lassen.

Noch mit Urteil vom 23.3.2011 hatte das BSG festgestellt, dass es der Trägerin eines MVZ nicht möglich sei, auf die Anstellung einer Ärztin in einem MVZ zugunsten von deren Anstellung in einem anderen MVZ, das ebenfalls in Trägerschaft der damaligen Klägerin stand, zu verzichten (Urteil des BSG vom 23.3.2011, B 6 KA 8/10 R, Juris). Mit § 24 Abs. 7 Satz 2 Ärzte-ZV sollte dies unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit der MVZ nach Ansicht des Gesetzgebers unerwünschte Ergebnis korrigiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 11.10.2017, B 6 KA 38/16 R, Rdnr. 20 m.w.N.). Dieses kann aber nur erreicht werden, wenn die Verlegung von genehmigten Anstellungen auf MVZ in gleicher Trägerschaft beschränkt wird.

Das SG Hamburg ließ es sich auch nicht nehmen zu betonen, wie sie die Gesellschafterin der MVZ-Träger im Übrigen „gesundheitspolitisch“ bewertet. Der inhaltliche Zusammenhang der zum Ausdruck gebrachten verbreiteten Skepsis gegenüber „Investoren-MVZ“ mit der konkreten Rechtsfrage der Reichweite der Entsprechungsklausel blieb eher vage. Weshalb das SG Hamburg vorliegend von einer Besserstellung von „Investoren-MVZ“ gegenüber Vertragsärzten ausging (statt Gleichstellung) ist m.E. nicht nachvollziehbar begründet.

Zu bedenken ist ferner, dass es nicht der Versorgungsrealität entspricht, dass MVZ-GmbH nur „institutionell“ geführt werden, während Vertragsärzte in klassischen BAGs oder Einzelpraxen arbeiten. Jede Einschränkung der Flexibilität von MVZ-GmbH geht auch zu Lasten einer stetig wachsenden Anzahl (zahn-)ärztlich geführter MVZ. Vor dem Hintergrund von teilweise immensen Investitionsrisiken können auch Vertragsärzte ein großes wirtschaftliches Interesse daran haben, mit anderen Kollegen gemeinsam zwei MVZ-GmbH in Gesellschafteridentität zu betreiben.

BSG-Entscheidung:

Das BSG hat das Urteil des SG zurecht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die rechtliche Begründung wird im Terminbericht maßgeblich wie folgt zusammengefasst:

Der Auffassung des SG Hamburg, dass die Vorschrift die Verlegung nur gestattet, wenn beide MVZ von derselben Betreibergesellschaft getragen werden, nicht aber, wenn zwei Betreibergesellschaften beteiligt sind, deren Gesellschafter identisch sind, folge der Senat nicht. Er geht also von einer Gleichstellung beider Sachverhalte (Gesellschafteridentität der Betreibergesellschaften / selbe Betreibergesellschaft) aus.

Maßgeblich für diese Gleichstellung beider Sachverhalte sei ferner der „rechtshistorische“ Umstand, dass die Zulassungsgremien die Frage, ob jedes MVZ eine eigene, exklusive Betreibergesellschaft benötigt oder ob eine GmbH auch mehrere MVZ betreiben kann, bis zur Klarstellung durch den Gesetzgeber unterschiedlich bewertet hätten.

Die Auffassung des SG hätte vor diesem historischen Hintergrund zur Folge, dass in Zulassungsbezirken, in denen schon vor der Klarstellung die Trägerschaft einer GmbH für mehrere MVZ erlaubt war, die Anstellungsverlegung möglich sei, während in anderen Bezirken diese Option nicht bestehe. Die Verwaltungspraxis der Zulassungsgremien und die daraus entstehende MVZ-Versorgungslandschaft nach Zuständigkeitsbereichen führe bei Zugrundelegung des Normverständnisses des SG Hamburg erst zu ungleichen Verlegungsmöglichkeiten und für eine solche Differenzierung seien keine im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG tragfähigen Gründe.

Darüber hinaus betont der Senat die aus der Gesetzesbegründung klar ersichtliche Intention des Gesetzgebers, Gesellschafteridentität bei mehreren Betreibern und Betreiberidentität im Rahmen des § 24 Abs. 7 Satz 2 Ärzte-ZV gleichzusetzen.

Dr. Felix Reimer, LL.M. (Medizinrecht)
Fachanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter der FOM München