Die Neuregelung der Verjährungsfristen durch das PpSG oder von Krügen, die zum Brunnen gehen

Die Neuregelung der Verjährungsfristen durch das PpSG oder von Krügen, die zum Brunnen gehen

Der wenig vorhersehbare Änderungsantrag 4 zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und die sich daraufhin überschlagenden weiteren Änderungsanträge zur Verjährungsfrist von Ansprüchen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen hatte große Unsicherheit auf beiden Seiten und schließlich hektischen Aktionismus bei den Krankenkassen ausgelöst. Nunmehr ist der Gesetzesentwurf zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz durch den Bundestag (BT-Drcks. 19/5593) am vergangenen Freitag verabschiedet worden. Der letzte Änderungsantrag Nr. 12a mit einer Sofortwirkung der Verjährungsverkürzung zu Lasten der Krankenassen ist damit umgesetzt worden.

Neben dem erfreulichen Umstand, dass die Sofortwirkung nur zu Lasten der Kassen greift, werfen die Neuregelungen einer Reihe Frage und Unklarheiten auf, die zukünftigen Klärungsbedarf auslösen.

Inhalt der Neuregelung

Der ab dem 01.01.2019 geltende Wortlaut des § 109 Absatz 5 SGB V lautet:

Satz 1: Ansprüche der  Krankenhäuser  auf  Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.

Satz 2: Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind.

Satz 3: Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

Danach gilt ab dem Inkrafttreten des Entwurfes – voraussichtlich ab dem 01.01.2019 – eine Verjährungsfrist von zwei Jahren für beide Seiten. Nach Satz 2 ist eine Sofortwirkung einseitig für die Ansprüche der Krankenkassen festgelegt. Diese Regelung wird zusätzlich noch durch den neu eingeführten § 325 SGB V verschärft, der die Hemmungswirkung für Ansprüche ausschließt, die vor dem 01.01.2017 entstanden, aber nicht bis zum Ablauf 09.11.2018 eingeklagt worden sind. Dies gilt aber ausdrücklich nur die Krankenkassen. Schließlich verweist Satz 3 für die Konkretisierung der Hemmungswirkung, des Neubeginns und der Wirkung der Verjährung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 194 ff. BGB).

Mit dem Blick in die Gesetzesbegründung wird schnell deutlich, dass die Rechtsprechung des 1. BSG-Senates veranlasst hat. So verweist der Gesetzgeber ausdrücklich darauf, „dass Krankenkassen in der Vergangenheit abgeschlossene Abrechnungsverfahren wieder aufgreifen und auf der Grundlage zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung innerhalb dieser Verjährungsfrist Rückforderungsansprüche in unter Umständen erheblicher Höhe geltend machen.“ (Seite 115 ff.). Ebenso wenig Akzeptanz des Gesetzgebers haben offensichtlich die Entscheidungen des BSG zur nachträglichen Rechnungskorrektur der Krankenhäuser (zuletzt Urt. v. 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R) gefunden. Ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers ist nämlich unter anderem die Gleichstellung von Krankenhäusern und Krankenkassen was die nachträgliche Geltendmachung von Ansprüchen anbelangt: „Gegenwärtig können die Krankenkassen daher vier Jahre lang Erstattungsansprüche  geltend  machen. Nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser sind aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt ausgeschlossen.“ (Seite 115 ff.) Offensichtlich hat also der Gesetzgeber die durch die Rechtsprechung des 1. BSG-Senates ausgelöste und von den Krankenkassen konsequent ausgenutzte Unwucht im Abrechnungsverhältnis erkannt und sich zum Handeln gezwungen gesehen.

Reichweite der Neuregelung

Die Neuregelung ist als ergänzender Absatz 5 zu § 109 SGB V vorgesehen, der den Abschluss von Versorgungsverträgen nach § 108 Nr. 3 SGB V regelt. Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGB V gelten für Hochschulkliniken die entsprechende landesrechtliche Anerkennung und bei Plankrankenhäusern die Aufnahme in den Krankenhausplan als Abschluss des Versorgungsvertrages. Danach gilt die künftige zweijährige Verjährungsfrist zunächst für Ansprüche zur Vergütung aller Leistungen, die ein Krankenhaus aufgrund der Hochschulanerkennung oder der Planaufnahme und/oder eines abgeschlossenen Versorgungsvertrages erbringen darf. Dies gilt also für den größten Teil der Leistungen die ein Krankenhaus erbringt.

Dies dürfte auch für Geburtshilfe, AOP-Leistungen und vorstationäre Behandlungen gelten, da diese gesetzliche Konkretisierungen des erteilten Versorgungsauftrages darstellen. Weniger eindeutig ist die Lage allerdings bei Leistungen der Krankenhausapotheke, oder bei Leistungen, die eine Vereinbarung mit dem Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen oder der kassenärztlichen Vereinigung voraussetzen, aber von den Krankenkassen direkt vergütet werden, wie z.B. die Ambulante spezialfachärztliche Versorgung, Hochschulambulanzen, psychiatrische und geriatrische Hochschulambulanzen usw.

Zusammengefasst hinterlässt die Änderung also ein teilweise unklares Gemenge unterschiedlicher Verjährungsfristen je nach Anspruchsteller, Leistungsjahr, -sektor und -bereich. 

Beginn, Hemmung und Ende der Verjährung

Satz 3 der neuen Fassung verweist für die Hemmung, die Ablaufhemmung, Neubeginn und die Wirkung der Verjährung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzesbuches. Auffällig ist, dass für den umstrittenen Aspekt des Beginns der keine Klärung erfolgt ist. Diesbezüglich haben die Sozialgerichte gegensätzliche Auffassungen vertreten und teilweise auf den Behandlungs- oder Abrechnungszeitpunkt abstellet und dies selbst im Falle einer Verrechnung. 

Ein besonderes Problem dürfte die Reichweite der Regelung des § 215 BGB darstellen:

Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.

Danach dürfen also auch verjährte Forderungen verrechnet werden, sofern die Gegenforderungen vor dem Verjährungszeitpunkt bereits bestanden haben. Das heißt, dass die Krankenkassen auch bereits verjährte Forderungen gegen solche Krankenhausvergütungsansprüche aufrechnen können, die vor dem 09.11.2018 entstanden sind. M.a.W. wäre also die Aufrechnung gegen Abrechnungen für Behandlungsfälle möglich, die vor dem 09.11.2018 versorgt worden sind. Dies kollidiert aber mit der ausdrücklichen Zielsetzung des § 325 SGB V n.F. das nachträgliche Einklagen durch die Krankenkassen zu verhindern. Von daher dürfte eine Aufrechnung als unzulässig zu betrachten sein. Hier ist also die Prüfung der Aufrechnungsvoraussetzungen für jeden Einzelfall erforderlich.

Wirksamkeit von Verjährungsvereinbarungen

Zur Frage, ob mit dem gesetzlich festgelegte Verjährungszeitpunkt zum 09.11.2018 auch bereits geschlossene Verjährungsvereinbarungen durchbrochen werden und damit ihre Wirksamkeit verlieren, schweigt die Neuregelung. Entscheidend ist dafür, ob die Vorgabe des Verjährungszeitpunktes durch den neuen § 325 SGB V zur Disposition der Betroffenen steht oder ob es sich um zwingendes Recht handelt. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, dass in der Vergangenheit geschlossene Verjährungsvereinbarungen für Ansprüche, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind, keine Wirkung über 09.11.2018 hinaus entfalten. Für diesen Fall wäre die Forderung der Krankenkassen nur durch eine Klageerhebung vor dem 09.11.2018 zu realisieren.

 

André Bohmeier         Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt              Rechtsanwalt