Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallklausel – Obacht bei der Formulierung von Ausschlussfristen!

Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallklausel – Obacht bei der Formulierung von Ausschlussfristen!

(Entscheidungsbesprechung auf Grundlage der Pressemitteilung Nr. 43/18 des Bundesarbeitsgerichts)

Gemäß Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat dieses mit Urteil vom 18. September 2018 (Az. 9 AZR 162/18) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn erfasst, gegen das Transparenzgebot verstößt und daher unwirksam ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014, mithin nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes, geschlossen wurde.

Besonderes Augenmerk verdient die Entscheidung, weil vorliegend nicht um die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns gestritten wurde, sondern um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der unwirksame Ausschluss des Anspruchs auf Mindestlohn nach Ablauf der Ausschlussfrist schlägt nach Auffassung des BAG auf die gesamte Klausel durch, sodass die Ausschlussfrist betreffend sämtlicher Ansprüche und damit insgesamt unwirksam ist.

Sachverhalt:

Der Kläger war beim Beklagten beschäftigt. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag des Klägers geregelt, dass

alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung von 19 verbliebenen Urlaubstagen eingeklagt. Der Beklagte hat sich darauf berufen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe. Tatsächlich erfolgte die Klageeinreichung nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zugang der letzten Abrechnung, die keine Urlaubsabgeltung auswies.

Entscheidung:

Das BAG hat entschieden, dass der Kläger nach § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf die Abgeltung der 19 Urlaubstage hat.

Er musste den Anspruch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen.

Die Ausschlussklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB).

Fazit:

Werden Ausschlussfristen vertraglich vereinbart, ist darauf zu achten, dass diese nicht pauschal alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Die Einbeziehung von Ansprüchen, die vertraglich nicht ausgeschlossen werden, wie der Mindestlohn, führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel mit der Folge, dass die Ausschlussfrist insgesamt nicht mehr zum Tragen kommt.

Bereits vereinbarte (unwirksame) Ausschlussfristen können nur mit dem Einverständnis des jeweiligen Arbeitnehmers neu vereinbart werden. Problematisch ist die Herstellung der Wirksamkeit einer bereits vereinbarten Klausel ohne die Mitwirkung des Arbeitnehmers. In diesem Fall verbleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, eine einseitige Verzichtserklärung abzugeben, in der er auf die Geltendmachung der vereinbarten Ausschlussfrist betreffend die Mindestlohnansprüche verzichtet. Ob eine derartige einseitige Verzichtserklärung die „Heilung“ der Unwirksamkeit der Klausel bewirken kann, ist aufgrund der strengen Anforderungen der Rechtsprechung im Rahmen von AGB-Kontrollen zwar fraglich, aber bei Fehlen anderer Alternativen jedenfalls eine zu ergreifende Chance.

 

Svetlana Bayer LL. M. (Wirtschaftsrecht)
Rechtsanwältin