Aktuelle VG-Entscheidung über den Widerruf einer Weiterbildungsermächtigung für Oralchirurgie

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Aktuelle VG-Entscheidung über den Widerruf einer Weiterbildungsermächtigung für Oralchirurgie

Das Verwaltungsgericht Arnsberg (Az.: 7 K 1393/24) hat mit Urteil vom 31.01.2025 den Widerruf einer Weiterbildungsermächtigung für Oralchirurgie durch die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe aufgehoben.

I. Einleitung

Nach wie vor bestehen rechtspolitische Diskussionen über Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Zum Beispiel ist die Debatte darüber, ob Investoren-MVZ verboten werden sollen, in den vergangenen Monaten wieder in den Vordergrund gerückt. Der EuGH urteilte am 19.12.2024, dass Mitgliedsstaaten die Beteiligung von Finanzinvestoren an einer Rechtsanwaltsgesellschaft verbieten dürfen. Für die Bundesärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ist der Fall auf die Gesundheitspolitik übertragbar. Die Zahnärzteschaft erhob wiederholt die Forderung, den Schutz der Patientinnen und Patienten vor der Einflussnahme durch Finanzinvestoren gesetzlich sicherzustellen. Angestellte Zahnärzte eines MVZ sollten durch die Regelung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe zur Anerkennung als Weiterbildungsermächtigte (§ 7 Abs. 2 WBO) per se ausgeschlossen werden. Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob ein angestellter zahnärztlicher Leiter im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) eine Weiterbildung verantwortlich leiten und sie entsprechend den Bestimmungen des Heilberufegesetzes sowie der Weiterbildungsordnung durchführen kann.

II. Zum Sachverhalt

In dem vom VG Arnsberg zu entscheidenden Fall war ein Widerruf einer Weiterbildungsermächtigung für Oralchirurgie durch die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe im Streit.

Nachdem die beklagte Zahnärztekammer Westfalen-Lippe dem Kläger, der als zahnärztlicher Leiter im MVZ angestellt ist, mit Bescheid vom 20.12.2021 befristet auf acht Jahre die Ermächtigung zur zweijährigen Weiterbildung auf dem Fachgebiet der Oralchirurgie an dieser Weiterbildungsstätte erteilte, widerrief sie nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 10.04.2024 die erteilte Ermächtigung mit Wirkung zum 01.05.2024. Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe begründete den Widerruf insbesondere damit, dass eine Weiterbildungsermächtigung nur niedergelassenen Zahnärzten erteilt werden dürfe. Gründe dafür wären, dass angestellte Zahnärzte keine ausreichenden Einflussmöglichkeiten auf die Praxisführung, Gerätebeschaffung oder Personalentscheidungen hätten. Zudem bestehe das Risiko, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Weiterbildungen abgebrochen würden. Gegen den Widerruf der Weiterbildungsermächtigung wehrte sich der Kläger durch die Erhebung einer Anfechtungsklage.

Die Klage hat Erfolg. Das VG Arnsberg stellte fest, dass der angefochtene Widerrufsbescheid vom 10.04.2024 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

III. Entscheidungsgründe

Das VG hob den Widerruf auf, weil die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss angestellter Zahnärzte im ambulanten Bereich liefern konnte.

1) Die Zahnärztekammer Westfalen Lippe stützte den Widerruf auf § 37 Abs. 4 HeilBerG, der jedoch nur bei nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen gilt. Das Gericht betonte jedoch, dass die Ermächtigung von Anfang an rechtmäßig war.

2) Das Gericht stellte fest, dass ein angestellter Zahnarzt im Grundsatz nicht weniger geeignet ist, einen Weiterbildungsassistenten anzuleiten und zu beaufsichtigen, als ein niedergelassener Zahnarzt oder ein in einem MVZ tätiger Arzt. Entscheidend ist allein die fachliche und persönliche Eignung, die beim Kläger gegeben war. Die fachliche und persönliche Eignung hänge nicht vom Beschäftigungsstatus ab.

3) Nach § 7 Abs. 1 S. 1 WBO der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe ist weitere Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung zur Weiterbildung, dass der Antragsteller die Gewähr für eine ordnungsgemäße Durchführung der Weiterbildung bietet. In Anlehnung an die Vorgaben des Heilberufegesetzes und auf Grundlage des § 7 Abs. 1 WBO muss die Zahnärztekammer im Einzelfall prüfen, ob gewährleistet ist, dass der ermächtigte angestellte Zahnarzt oder die Zahnärztin die Weiterbildung verantwortlich leiten kann. Dabei muss geprüft werden, ob der jeweilige Zahnarzt oder die Zahnärztin arbeitsrechtlich befugt ist, dem Weiterbildungsassistenten oder der Weiterbildungsassistentin dienstliche und fachliche Weisungen zu erteilen und diese nötigenfalls durchzusetzen. Weiterhin muss geprüft werden, ob der jeweilige Zahnarzt oder die Zahnärztin befugt ist, den Ablauf der Behandlungen und den Einsatz des Personals so zu gestalten, dass eine ordnungsgemäße Weiterbildung stattfinden kann. Die genannten Voraussetzungen lagen im Falle des Klägers vor.

4) § 7 Abs. 2 WBO ist nichtig, soweit dort geregelt ist, dass eine Weiterbildungsermächtigung im ambulanten Bereich nur niedergelassenen Zahnärzten erteilt werden kann. Solche Anforderungen stellen Berufsausübungsregelungen dar, die nach Art. 12 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der erfolgte Ausschluss von Zahnärzten, die in der Praxis eines niedergelassenen Zahnarztes oder in einem zahnmedizinischen Versorgungszentrum angestellt sind, findet im Heilberufegesetz keine Grundlage. Es fehlen vernünftige Gemeinwohlgründe für die Differenzierung. Zumal angestellte Klinikärzte im stationären Bereich ermächtigt werden dürfen. Somit verstößt § 7 Abs. 2 WBO der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe gegen die Berufsfreiheit, Art. 12 GG.

5) Das VG verwies außerdem auf das BSG, das bereits feststellte, dass angestellte Zahnärzte in MVZs ebenso zur Ausbildung befähigt sind wie Vertragszahnärzte. Der Kläger verfügt durch seine Position als zahnärztlicher Leiter und durch vertragliche Vereinbarungen über ausreichende Weisungsbefugnis und Gestaltungsspielräume.

6) Das Argument der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, angestellte Zahnärzte seien weniger verfestigt, wurde vom Gericht ebenfalls entkräftet. Auch Niederlassungen können aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Das Risiko des Abbruchs einer Weiterbildung besteht in allen Bereichen gleichermaßen.

IV. Fazit

Die Entscheidung des VG Arnsberg ist zu begrüßen und in seinen Gründen zutreffend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung dagegen aber nicht zugelassen worden, sodass nur eine Nichtzulassungsbeschwerde verbleibt. Es bleibt abzuwarten, ob diese erfolgt. So die Gründe, was zu hoffen ist, Bestand haben und verallgemeinert Anwendung finden, ist zur Absicherung der Anerkennungsfähigkeit eine gesonderte Weiterbildungsvereinbarung zu empfehlen.

 

Dr. Felix Reimer, LL.M. (Medizinrecht)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht