Aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vergütungsfähigkeit von Beatmungsstunden bei Verwendung der High-Flow-Nasenkanüle (HFNC)
BSG Urteil vom 30.07.2019, B 1 KR 11/19 R und
BSG Urteil vom 30.07.2019, B 1 KR 13/18 R
Zusammenfassung
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hatte am 30.07.2019 in zwei Fällen zu entscheiden, ob Beatmungsstunden, die über die HFNC erbracht werden, als maschinelle Beatmung zu vergüten sind. Die bisherige unterinstanzliche Rechtsprechung dazu war bis in die Landessozialgerichte höchst heterogen und gegensätzlich. Wenig überraschend hat der 1. Senat entschieden, dass HFNC keine maschinelle Beatmung im Sinne der DKR 1001I darstellt. HFNC wird nach dem Urteil des BSG auch weder durch den Verweis der DKR 1001l auf die im OPS unter dem Kode 8-711 erfassten Beatmungsformen, noch durch die Sonderregelung zur CPAP bei Neugeborenen und Säuglingen einer maschinellen Beatmung gleichgestellt. Schwer erträglich mutet schließlich der Hinweis des 1. Senats an, dass die Höhe der Pauschalvergütung die Pflicht der Krankenhäuser, Neugeborene und Säuglinge kunstgerecht zu behandeln, nicht berührt, weil der Senat selbst ohne Not und im Widerspruch zur Regelungssystematik die Unterfinanzierung verursacht. Leider folgt das aber einer Tendenz. Es scheint, je vulnerabler die in Rede stehenden Patientengruppen sind, desto überflüssiger wie rücksichtsloser werden methodische Grundsätze der Rechtsauslegung hintenangestellt, um einseitig ein für Kostenträger (vermeintlich) günstiges Ergebnis zu erzwingen. Eine Rechtsprechung, die der ihr übertragenen Aufgabe und Verantwortung gerecht wird, sähe anders aus.
Wir hatten bereits nach der Veröffentlichung der Terminsberichte in unserem Newsletter zu diesen Entscheidungen berichtet. Nunmehr sind die Entscheidungsgründe veröffentlicht.
I. BSG, Urteil vom 30.07.2019, B 1 KR 11/19:
Sachverhalt und Entscheidung
Die klagende Krankenhausträgerin (KH) behandelte Anfang 2017 einen 4 Monate alten, bei der beklagten Krankenkasse (Kasse) versicherten Säugling wegen akuter Bronchiolitis unter anderem mit HFNC-Atemunterstützung. Bei dieser Beatmungsform wird über eine Nasenbrille mit Schläuchen ein kontinuierlicher Luftstrom über die Nasenlöcher in den Nasen-Rachen-Raum geleitet. Das KH kodierte hierfür die Behandlung der akuten Bronchiolitis mit 66 Stunden maschineller Beatmung und berechnete insgesamt 8656,96 Euro. Die Kasse zahlte lediglich 2769,25 Euro, weil Beatmungsstunden bei der Atemunterstützung durch HFNC nicht zu berechnen seien. Klage und Berufung des KH waren erfolglos.
Das BSG hat die Revision des KH gegen das Urteil des LSG Rheinlandpfalz zurückgewiesen und entschieden, dass HFNC keine maschinelle Beatmung im Sinne der DKR 1001I darstellt (unter 1.). HFNC wird auch weder durch den Verweis der DKR 1001l auf die im OPS unter dem Kode 8-711 erfassten Beatmungsformen (unter 2.), noch durch die Sonderregelung zur CPAP bei Neugeborenen und Säuglingen einer maschinellen Beatmung gleichgestellt (unter 3.). Es lag auch keine vergütungsfähige Entwöhnung vor.
1. HFNC ist keine maschinelle Beatmung im Sinne der maßgeblichen Kodierregel DKR 1001l. Eine Intubation oder Tracheotomie findet bei Verwendung der HFNC nicht statt. Ebenso wenig sei HFNC als Atemunterstützung bzw. Atemassistenz zu qualifizieren. Denn die HFNC unterstütze die Atembewegungen nicht aktiv, auch nicht intermittierend. Der Patient – und nicht eine künstlich beatmende Beatmungsmaschine – leiste bei der HFNC die Atemarbeit. Der Patient atme dabei spontan, selbst wenn die Beatmungsmaschine sicherstelle, dass der Atemwegsdruck nie unter ein bestimmtes Niveau falle. Damit erfolge keine maschinelle Beatmung im Sinne der DKR 1001l, so jedenfalls die Bewertung des 1. Senats.
2. Auch aus dem Umstand, dass der OPS 8-711.4 seit 2011 eine eigene Untergruppe für die Beatmung mittels HFNC vorliegt, folge nicht, dass HFNC als maschinelle Beatmung im Sinne der DKR 1001l zu bewerten ist. Schon aus dem Wortlaut dieser Kodierregel – „Wenn eine maschinelle Beatmung diese Definition erfüllt …“ – folge, dass allein die Zuordnung einer Beatmungsmethode zu den bei Neugeborenen und Säuglingen zusätzlich zu kodierenden Kodes aus OPS 8-711 eben keine Gleichstellung mit einer maschinellen Beatmung bewirke.
Nichts anderes folge aus dem Umstand, dass bei der Einführung des Kodes 8-711.4 zunächst an der Bezeichnung des OPS 8-711 als „Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen“ festgehalten und dieser erst mit der Version 2013 um den Zusatz „und Atemunterstützung“ ergänzt worden sei. Entscheidend sei allein die Definition der maschinellen Beatmung im Sinne der DKR 1001l, die HFNC nicht erfülle, so der 1. Senat.
3. Auch die für das Jahr 2017 geltenden besonderen Regelungen zur Kodierung von Schlüsseln aus 8-711.0 und 8-712.0 zur CPAP bei Neugeborenen und Säuglingen führen nicht zur Abrechnungsfähigkeit von HFNC-Stunden, da es diesbezüglich an einer ausdrücklichen Regelung fehle. Nicht ausschlaggebend sei dafür auch die Frage, ob eine Beatmung mittels HFNC in seiner Funktionsweise einem CPAP-Verfahren entspricht. Die DKR 1001l nehme die vom OPS vorgenommene Unterscheidung zwischen (konventionellen) CPAP-Verfahren (etwa per Maske, Tubus oder Prongs) einerseits und der Applikation von Atemluft mit hohem Druck (high flow) mittels Nasenkanüle (HFNC) andererseits in Bezug. Diese Klassifizierung knüpfe nach Ansicht des 1. Senats an die Form der Übertragung des Beatmungsdrucks auf den Patienten an, nicht aber an die Zielsetzung oder Funktionsweise der Atemunterstützung.
II. BSG, Urteil vom 30.07.2019, B 1 KR 13/18 R
Sachverhalt und Entscheidung
Die Klägerin (KH) behandelte Ende 2009 bis März 2010 das als Frühgeburt in ihrer Einrichtung zur Welt gekommene Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von 1.335g. Das Neugeborene ist von Geburt an beatmet worden – zunächst mittels Tubus, anschließend per Atemmaske, darauffolgend mittels HFNC und zuletzt mittels Low-Flow-Beatmung mit geringem Beatmungsdruck. Die KH kodierte hierfür die Behandlung eines Neugeborenen mit 105 Beatmungsstunden und berechnete 39.951,85 Euro. Hiervon beglich die Kasse lediglich 30.801,44 Euro, da die Atemunterstützung per HFNC bei der Ermittlung der Beatmungsdauer nicht zu berücksichtigen sei. Klage vor dem Sozialgericht und Berufung waren hier im Gegensatz zur vorherigen Entscheidung erfolgreich.
Nun wies der 1. Senat die Klage unter Aufhebung der erst- und zweitinstanzlichen Urteile ab. HFNC sei keine maschinelle Beatmung (unter 1.) und sei einer solchen auch nicht gleichgestellt (unter 2.). Eine Entwöhnung im Sinne der DKR fand ebenfalls nicht statt (unter 3.).
1. HFNC ist keine maschinelle Beatmung im Sinne der maßgeblichen Kodierregel DKR 1001h. (vgl. zuvor unter Punkt I.1.)
2. Die Beatmung des Neugeborenen mittels HFNC wird weder durch den Verweis der DKR 1001h auf die im OPS unter dem Kode 8-711 (Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) erfassten Beatmungsformen (unter a.) noch durch die Sonderregelung zur CPAP bei Neugeborenen und Säuglingen einer maschinellen Beatmung gleichgestellt (unter b.), welche die Kodierung von Beatmungsstunden erlaubt.
a. Im maßgeblichen Jahr 2009 umfasste der OPS 8-711 noch keinen eigenen OPS Kode für die HFNC-Atemunterstützung, sondern insbesondere nur die Untergruppe 8-711.0 [Atemunterstützung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck (CPAP)], differenziert nach Neugeborenem in OPS 8-711.00 und Säugling ab dem 29. Lebenstag in OPS 8-711.01. Der OPS 8-711.4 [Atemunterstützung durch Anwendung von High-flow-Nasenkanülen (HFNC-System)] ist erst 2011 eingeführt worden. Nach Ansicht des Senats war jedoch nicht darüber zu entscheiden, ob der OPS 8-711.00 vor der Einführung eines eigenen OPS im Jahre 2011 auch die Atemunterstützung mittels HFNC erfasste. Schon aus dem Wortlaut der DKR 1001h („Wenn eine maschinelle Beatmung diese Definition erfüllt …“) folge, dass allein die Zuordnung einer Beatmungsmethode zu den bei Neugeborenen und Säuglingen „zusätzlich“ zu kodierenden Kodes aus OPS 8-711 (Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) keine Gleichstellung mit einer maschinellen Beatmung bewirkt. Entscheidend ist allein, ob die konkrete Form der Beatmung die Definition der maschinellen Beatmung i.S. der DKR 1001h erfüllt.
b. Die Sonderreglung zur Berücksichtigung der Beatmungsdauer mittels CPAP bei Neugeborenen und Säuglingen in der DKR zur Maschinellen Beatmung findet im vorliegenden Fall keine Berücksichtigung. Diese Regelung ist erst 2013 in der DKR 1001l eingeführt worden. Soweit auch Anhang B der DKR 2013 (Zusammenfassung der Änderungen – Deutsche Kodierrichtlinien Version 2013 gegenüber der Vorversion 2012) die Änderung als „Klarstellung“ bezeichnet, ist dies nach Auffassung des 1. Senats für die Auslegung der DKR 2009 ohne Belang. Insbesondere entfaltet die Regelung keine Rückwirkung – Wortlautargument (vgl. BSG, Urteil vom 17.11.2015, B 1 KR 41/14 R RN.13/juris).
3. Für die Beurteilung einer Entwöhnung fehlt es vom LSG an der „Feststellung, dass sich der Patient an die maschinelle Beatmung gewöhnt hat und dadurch seine Fähigkeit eingeschränkt ist, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können, und das Krankenhaus eine Methode der Entwöhnung einsetzt“. Die Feststellungen des LSG beschränken sich dagegen darauf, dass das Neugeborene mittels Beatmungsmaschine und Tubus gleich nach seiner Geburt sowie anschließend mittels Beatmungsmaschine und Maske bis 30.12.2009, 23:59 Uhr beatmet wurde und ohne Beatmungshilfe erst ab 3.1.2010 blieb. Auf Basis dieser unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG kann eine Entwöhnung nicht bejaht werden.
III. Einordnung
Die bisherige Rechtsprechung der vergangenen Jahre über die Abrechnung der Beatmungsstunden mittels HFNC-Therapie bei Säuglingen ist zwiegespalten, mit Befürwortern und Gegnern. Betrachtet man den Zwiespalt genau, liegen den Entscheidungen insbesondere unterschiedliche Fälle aus verschiedenen Jahren und damit unter verschiedenen Versionen von OPS-Kodes und Deutschen Kodierrichtlinien zu Grunde.
Wie zuvor dargelegt, hatte das BSG über das befürwortende Urteils des LSG München vom 13.03.2018 (Az.: L 5 KR 594/15), aber auch über das ablehnende Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 07.02.2019 (Az.: L 5 KR 166/18) zu entscheiden.
Der Entscheidung des LSG München vom 13.03.2018 zog das Hessische LSG dem Grunde nach gleich und legte seinem Urteil über den Behandlungsfall eines Neugeborenen aus 2011 die Aufnahme des OPS-Kodes 8.711.4 (Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen) in die OPS-Klassifizierung 8-711 (maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen u.a.) im Jahr 2011 zu Grunde. Demnach sei die Abrechnung der Beatmungsstunden mittels der HFNC-Therapie beim Neugeborenen ordnungsgemäß erfolgt. Durch die Zuordnung der Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen zur OPS-Klasse 8-711 anstatt zur OPS-Klasse 8-720 (Sauerstoffzufuhr bei Neugeborenen) finde die Regelung der DKR 1001h (Version 2011) Anwendung. Schließlich verweise die DKR 1001h unter Punkt 3 ausdrücklich auf die zusätzliche Kodierung der maschinellen Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen auf die OPS-Klasse 8-711, dem die HFNC-Therapie in OPS 8-711.4 konkret zugeordnet sei. Die streitgegenständlichen Abrechnungen der Beatmungsstunden der HFNC-Therapie bei den Neugeborenen seien daher ordnungsgemäß. (vgl. u.a. LSG München, Urteil vom 13.03.2018 – L 5 KR 504/15 –, Rn. 30ff,38/juris; vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 09.11.2017 – L 1 KR 166/15 –, Rn.35f/juris).
Dagegen stellte sich das Urteil des OLG Hamm über einen Behandlungsfall aus 2011 und verneinte die Abrechnung von Beatmungsstunden mittels HFNC-Therapie. Begründend führt das OLG Hamm aus, dass eine HFNC-Therapie durch die Atemunterstützung mit einer CPAP-Beatmung vergleichbar sei und entsprechend den Grundsätzen des BSG wie die Abrechnung der CPAP-Beatmung auch die Abrechnung der HFNC-Therapie gemäß den DKR 1001h (2011) abzulehnen sei (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.11.2017 – I-6 U 54/16, Rn.56f./juris; BSG, Beschluss vom 10.03.2015 – B 1 KR 82/14 B – Rn. 8/juris). Im selben Zuge, wie das OLG Hamm selbst feststellt, dass sich der Beschluss des BSG über die Abrechnung von Beatmungsstunden einer CPAP-Beatmung nicht auf einen Neugeborenen bezieht, sieht es keinen Unterschied in der Beurteilung der Beatmung eines Erwachsenen gegenüber der eines Neugeborenen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn.58/juris).
IV. Fazit und Handlungsempfehlung
Einmal mehr hat der 1. Senat eine Auslegung der Kodierrichtlinien fernab des klinischen Alltags und der DRG-Kalkulationsgrundlagen mit einer harten Unwucht zu Lasten der Krankenhäuser vorgenommen. Die Kodierrichtlinien wären zwanglos so auszulegen gewesen, dass HFNC als maschinelle Beatmung erfasst wird. Verlangt wird nur, dass Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden, um die Atmung zu unterstützen. Auf dem Gesicht aufliegende Systeme („Maskensysteme“) werden zudem ausdrücklich erfasst. Dementsprechend waren die einschlägigen DRG auch verstanden und berechnet worden, wie die Kalkulationsdaten belegen. In die strittigen DRG flossen die HFNC-Aufwendungen mit erheblichen Anteilen ein. Mithin wurde der Aufwand in der strittigen DRG kalkuliert, nun wird er aber nicht bezahlt. In Verbindung mit dem Ausschluss jeglichen Vertrauensschutzes während der gesamten Verjährungszeit einer Krankenhausforderung bewirkt diese Entscheidung erneut, dass die Krankenkassen wesentliche Leistungen nach Erhalt nachträglich vergütungsfrei stellen können. Das tiefliegende Unrecht wird darin deutlich, wenn vor Augen geführt wird, was geschehen wäre, wäre die jetzige Rechtsprechung von Beginn an antizipiert worden. Dann wären HFNC-Fälle nach der Systematik zwingend in einer anderen DRG erfasst worden, weil sich der Aufwand anders nicht sachgerecht abbilden ließe. Dann hätte es auch eine sachgerechte Vergütung gegeben. Stattdessen bringt das BSG die Leistungserbringer erneut perfide um den Lohn für erbrachte Leistungen. Das ist das Gegenteil des lernenden Systems, das der Gesetzgeber durch die DRG und deren Fortentwicklung realisiert sehen wollte.
Die Reaktion der Krankenkassen ist vorhersehbar: erneut kann es gießkannenartige und systematische Rückforderungen bereits geleisteter Vergütungen bis zur Verjährungsgrenze geben. Derartigen Forderungen sollte jedoch abgelehnt werden. Keinesfalls sollten bereits verbuchte Beträge freiwillig zurückgezahlt werden; die Mühe des Verklagens sollte den Kassen überlassen werden.
Denn auch im Falle einer Klage verbleiben Spielräume. Zunächst ist die seit dem 01.01.2019 geltende Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre hervorzuheben. Mithin sind alle kassenseitigen Ansprüche für Behandlungsfälle vor dem 01.01.2017 verjährt. Für Behandlungsfälle ab diesem Zeitpunkt gilt dann die 6-Wochen-Prüffrist. Ist der MDK eingeschaltet worden und hat die Abrechnung bestätigt, ist dies ein Argument, welches Berücksichtigung finden kann. Werden Zahlungen nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe geleistet, kann die Einwendung der Leistung in Kenntnis der Nichtschuld nach § 814 BGB analog erhoben werden.
Nicht von vornherein ausgeschlossen hat der 1. Senat außerdem die Anwendung der HFNC als Entwöhnungsmethode. Ein wesentlicher Unterschied im Sachverhalt der beiden dargestellten Entscheidungen ist, dass bei dem Neugeborenen eine invasive Beatmung mittels Tubus stattgefunden, wohingegen der Säugling ausschließlich nicht invasiv beatmet worden ist. Vor diesem Hintergrund schließt der Senat in der Entscheidung B 1 11/19 R (Säugling) von Anfang an eine Entwöhnung aus. Im Fall des Neugeborenen hingegen, hat das LSG nach Ansicht des BSG versäumt, den Zustand der „Gewöhnung“ festzustellen, den das BSG seit seiner Entscheidung B 1 KR 19/17 R vom 19.12.2017 der Berücksichtigung von Beatmungszeiten während des Weaningsprozesses voraussetzt. Dass dieser Ansatz des BSG an der fachmedizinischen Wirklichkeit vorbeigeht, ist unbestritten. Nichts desto weniger hat das BSG den Begriff „Weaning“ im Sinne der DKR mit seiner Dezemberentscheidung in dieser Weise definiert, auch wenn dies von der medizinischen Definition abweicht. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam Parameter wie die Blutgaswerte und Sauerstoffsättigung während der Beatmungspausen geflissentlich zu dokumentieren. Erreichen diese ein pathologisches Level, kann das für eine Gewöhnung sprechen.
Zusammengefasst streiten für die Krankenhäuser trotz dieser tendenziösen Entscheidungen starke Argumente, die zumindest eine Verhandlungsposition verschaffen. In einzelnen Fällen lässt sich auch die Unerheblichkeit der Entscheidung begründen.
André Bohmeier Julia Zink, LL.M. Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt Rechtsanwältin Rechtsanwalt