Weitere Beschränkung zur Berechtigung zur Erbringung von Wahlleistungen: Ausschluss von Honorarärzten als originäre Wahlärzte – BGH, Urt. v. 10.01.2019, III ZR 325/17

 

Weitere Beschränkung zur Berechtigung zur Erbringung von Wahlleistungen: Ausschluss von Honorarärzten als originäre Wahlärzte – BGH, Urt. v. 10.01.2019, III ZR 325/17

Der BGH hat mit einer zwischenzeitlich veröffentlichten Entscheidung vom 10.01.2019 die Wahlfreiheiten von Patienten, Krankenhäusern und Ärzten weiter beschränkt. Honorarärzte, die nur in einem freiberuflichen, aber nicht in einem Anstellungsverhältnis zum Krankenhaus stehen, werden auch dann von der Liquidationsberechtigung ausgeschlossen, wenn ein Patient sie sich ausdrücklich als Hauptbehandler, z. B. als Operateur, wünscht. Die Entscheidung überzeugt nicht, ist aber nicht überraschend. Ohnehin sollte aus anderen Gründen entsprechende Honorararztverhältnisse nicht mehr bestehen. Interessant wird es aber bleiben, ob zukünftig auch für angestellte Ärzte weitere Voraussetzungen gelten, um vom Patienten als Arzt ihres Vertrauens ausgewählt werden zu dürfen.  

Gegenstand der Entscheidung: Wahlleistungsberechtigung

Gegenstand der Entscheidung ist die sog. Liquidationsberechtigung für wahlärztliche Leistungen. Unstrittiger Inhalt wahlärztlicher Leistungen ist das Versprechen eines Arztes, die Behandlung eines Patienten höchstpersönlich vorzunehmen. Damit versichert sich der Patient, dass z. B. das Einsetzen eines Hüftgelenkersatzes nicht von irgendeinem Arzt des Krankenhauses vorgenommen wird, sondern von dem Arzt, in welchen er besonderes Vertrauen setzt. Im Gegenzug entsteht ein zusätzlicher Vergütungsanspruch neben der Vergütung, die ein Krankenhaus ohnehin erhält. Kassenpatienten, die sich für solch eine Behandlung entscheiden, tragen diese Zusatzkosten selbst. Privatversicherte, welche die wahlärztlichen Leistungen versichert haben, können sich diese zusätzlichen Aufwendungen von der Versicherung erstatten lassen. Auch Beihilfeberechtigte können eine Erstattung erhalten, wenn die jeweilige Beihilfeordnung das vorsieht, was indes immer weiter eingeschränkt wird.

Streitentscheidende Norm: § 17 Absatz 3 Satz 1 KHEntgG – Kontrahierungszwang oder Kontrahierungsverbot?

Im Kern steht hinter der Vereinbarung also die Sicherung einer besonderen Zuwendung gegen eine besondere Vergütung. Diese besondere Vergütung fällt allerdings erheblich aus. Sie steigert die Behandlungskosten stark, was eine Belastung für Patient und Kostenträger ist. Zugleich bildet sie einen starken Anreiz, solche Leistungen zur Verfügung zu stellen. Daran partizipieren der Wahlarzt, Ärzte die ihn unterstützen, und das Krankenhaus. Außerdem darf sich ein Patient nicht auf bestimmte Ärzte beschränken. Vielmehr muss er entweder für jedes Fachgebiet einen Wahlarzt bezahlen oder für keines. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Kontrahierungszwang gewährleisten, dass patientenfernere Disziplinen wie z. B. Radiologie, Labormedizin oder Pathologie ebenfalls in den Genuss wahlärztlicher Vergütungen kommen können. Das ist auch der einzig gesicherte Kern des hier streitentscheidenden § 17 Absatz 3 Satz 1 KHEntgG. Dieser lautet:

„Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses …“

Dieser Kern folgt aus der Historie der Regelung (s. hier, Seite 9 bis 12). Sie will also nur sagen, mit wem in jedem Fall eine Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen werden muss (=Kontrahierungszwang). Mit wem eine Regelung dagegen auf keinen Fall abgeschlossen werden darf (=Kontrahierungsverbot), sagt sie nicht. Das beließe viel Freiheiten bei der Bestimmung eines Wahlarztes. Ein Patient könnte naheliegenderweise den Arzt auswählen, dem er tatsächlich vertraut. Das ist indes eine Konkurrenz für leitende Krankenhausärzte, die sich faktisch als einzig designierte Wahlärzte ansehen. Außerdem löst die Wahlfreiheit Sorgen im Hinblick auf die Kosten bei den Versicherungen aus. Letzteres dürfte an sich keine Relevanz haben. Die Wahlleistungsvereinbarungen werden nur zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus abgeschlossen. Die Versicherungen könnten dementsprechend, wie sie es in vielen anderen Fällen unternehmen, durch ihre Versicherungsbedingungen Kostenübernahmen beschränken. Zudem handelt es sich hier um einen Phantomschmerz, da unstrittig nur jeweils ein Arzt als Wahlarzt eine Leistung abrechnen kann. Eine Hüftgelenks-OP kann nur für den tatsächlichen Operateur zusätzlich vergütet werden. Nur weil zuvor ggf. zwei oder drei Ärzte für den Patienten zur Wahl standen, als er sich für den Arzt seines Vertrauens entscheiden musste, ändern sich die Kosten nicht.

Entscheidungen des BGH: Kontrahierungsverbot

Gleichwohl: Die Fraktion, welche Chefärzte vor Konkurrenz und Privatversicherungen vor vermeintlichen Kosten schützen will, hat in den Gerichtsverfahren die Oberhand. Die Entscheidungen sind von einem tiefen Misstrauen gegenüber der Qualität von Nicht-Chefärzten und von der Erwartung geprägt, dass Patienten keine adäquate Entscheidung darüber treffen könnten, bei wem sie ihr Leib und Leben besonders geschützt sehen. Dazu wird die Grundidee des Kontrahierungszwangs des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG auf den Kopf gestellt und zu einem Kontrahierungsverbot verkehrt.  

Dieser Grundsatz folgt bereits aus einer Leitentscheidung des BGH, Urt. v. 16.10.2014, III ZR 85/14. Bestätigt wurde das Ergebnis durch das Urteil vom 19.04.2018, III ZR 255/17 und nun durch die Entscheidung vom 10.01.2019 ergänzt. Diese Entscheidung vom 19.01.2019 könnte durch einen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 03.03.2015, 1 BvR 3226/14, ausgelöst sein. Denn an sich hatte der BGH bereits in der Entscheidung vom 16.10.2014 unmissverständlich deutlich gemacht, dass Honorarärzte seines Erachtens nach als benannte Hauptbehandler ausgeschlossen seien, weil in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG ein Kontrahierungsverbot liege. Das war mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen worden. In seinem Nichtannahmebeschluss war das Bundesverfassungsgericht dann aber den entscheidenden Rechtsfragen ausgewichen. Es behauptete, dass der BGH etwas anderes gemeint zu haben, als er entschieden hat. Damit schien die hier strittige Frage offen. Diese Frage hat der BGH nun erneut abschlägig entschieden: Honorarärzte können keine Wahlärzte sein und keine wahlärztlichen Leistungen liquidieren. Nicht als Hauptbehandler und auch nicht auf Veranlassung eines anderen Wahlarztes.

Bewertung und Aussicht: Ausbau des Wettbewerbsschutzes für Chefärzte

Die Entscheidung ist nicht überzeugend. Sie stellt den Sinn des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG weiterhin auf den Kopf und drückt sich vor der Diskussion dieser Sinnverkehrung. Die Argumente des Patientenschutzes sind ersichtlich vorgeschoben. Warum dem Patienten hier eine eigenverantwortliche Entscheidung in seinem eigenen Interesse verboten werden muss, wird nicht eingängig. Warum Qualität am Status anknüpfen sollte, wird ebenfalls nicht schlüssig (zu weiteren Argumenten s. hier).

 Jedoch liegt die Entscheidung auf der Linie des Status-Schutzes von angestammten Chefärzten, welcher die jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes am besten erklärt. Mithin wäre ein anderes Ergebnis zwar erfreulich wie überraschend gewesen. Ohnehin dürften aus einer Vielzahl von Gründen Gestaltungen wie die hiesige jedoch kaum noch vorkommen. Gleichwohl wird die Entscheidung nicht ohne Relevanz bleiben. Da der BGH auf seiner Linie mit dem festen Willen zum Status-Schutz bleibt, könnten sich Private Krankenversicherungen weiterhin motiviert sehen, den Kreis der Liquidationsberechtigten zusätzlich einzuengen. Manche Versicherungen hinterfragen z. B. Teilzeitanstellungsverhältnisse und meinen aus den BGH-Ausführungen entnehmen zu können, dass an sich nur leitende Abteilungsärzte mit einer vollzeitgleichen Tätigkeit berechtigt sein könnten. Also wird man die Entwicklung weiter beobachten müssen, wie für die Wahlfreiheit von Patienten und Gestaltungsfreiheit von Ärzten und Krankenhäusern weiter zu werben sein wird.

 

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt