Option für Herzchirurgen – Herzchirurgie als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung? – SG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2019, S 2 KA 1196/16

Option für Herzchirurgen – Herzchirurgie als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung? – SG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2019, S 2 KA 1196/16

Mit einer Entscheidung vom 30.01.2019, S 2 KA 1196/16, hat das SG Düsseldorf neue Tätigkeitsbereiche für Herzchirurgen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet. Es bestätigte das Bestehen eines Anspruchs eines zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrums auf Erteilung einer Anstellungsgenehmigung für eine approbierte, weitergebildete und im Arztregister eingetragene Fachärzte der Herzchirurgie durch den Zulassungsausschuss. Der vom BSG für die Zulassungsfähigkeit einer Arztgruppe geforderte Umstand, dass es sich bei dem Gegenstand des Fachgebietes, in dem der betreffende Arzt seine Weiterbildung abgeschlossen hat, um einen Bestandteil ambulanter vertragsärztlicher Versorgung handeln muss (Urt. v. 02.09.2009, B 6 KA 35/08 R), hat es in Bezug auf die Herzchirurgie bejaht. Es ist mehr als nur ein ganz kleiner Teil herzchirurgischer Leistungen ambulant erbringbar, der es rechtfertigt, Herzchirurgen zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Gegenstand der Entscheidung: Die Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen

Die Klägerin, Trägerin eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrums, stellte bei der beklagten Zulassungsstelle einen Antrag auf Anstellung einer Fachärztin für Chirurgie. Sowohl der Antrag als auch der durch die Klägerin erhobene Widerspruch wurden mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Zulassung mangels Zulassungsfähigkeit nicht möglich sei. Die Herzchirurgie biete keinen relevanten Tätigkeitsbereich für ambulante vertragsärztliche Versorgung. Die durch die Zulassung begründete Teilnahmeverpflichtung an vertragsärztlicher Tätigkeit habe zur Folge, dass der Arzt auch die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes tatsächlich anbieten und erbringen müsse. Dies könne vorliegend nicht gewährleistet werden, weil die ambulanten Leistung von Herzchirurgen in der Regel von Allgemeinchirurgen und Kardiologen erbracht würden.

Entscheidend: Ärztliche Leistung als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung – ausschließlich stationär erbringbare Leistungen dürfen nicht deutlich überwiegen!

Das SG Düsseldorf bejahte hingegen einen Anspruch auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung auf Grundlage des § 95 SGB Abs. 2 Satz 7 und 8 SGB V. Insbesondere stellt es die zwischen den Parteien streitige Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen als bestehend fest, die sich nach Rechtsprechung des BSG danach ausrichtet, ob der Gegenstand des entsprechenden Fachgebietes Bestandteil der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist. In dem Fall, dass einzelne ärztliche Leistungen, die den Ärzten dieses Fachgebietes berufsrechtlich zugewiesen oder sogar vorbehalten sind, Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, während andere Untersuchungs- und Behandlungsverfahren aus diesem Fachgebiet im Rahmen einer stationären Behandlung durchgeführt werden können, ist anhand dem Verhältnis dieser Anteile zueinander zu bestimmen, ob eine zulassungsfähige oder eine nicht zulassungsfähige Arztgruppe vorliegt. Bei einem deutlichen Überwiegen der nicht der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnenden Behandlungen, ist die Zulassungsfähigkeit zu verneinen. Von einem deutlichen Überwiegen ist dann auszugehen, wenn die Fachärzte nur einen ganz kleinen Teil der Leistung des Fachgebietes im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung anbieten bzw. erbringen können. Dies ist nach dem SG Düsseldorf hingegen nicht der Fall.

Zu den ambulanten bzw. auch ambulant durchführbaren Behandlungen durch Herzchirurgen zählen nach Feststellungen des Gerichts:

Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren sowie deren Sondenkorrektur
Wechsel der Aggregate bei Batterieerschöpfung
Regelmäßige Kontrolle und Programmierung von Schrittmacher- und Defibrillator-Systeme
Implantation und Explantation von Eventre-cordern
Präoperative und postoperative Betreuung herzchirurgischer Patienten (Indikationsfindung, Risikoerwägung, präoperative OP-Vorbereitung und erforderliche Diagnostik, Aufklärung über alternative Methoden, postoperative Nachsorge und Wundbetreuung)
Physiologische Funktionsdiagnostik im Rahmen der operativen Nachsorge (z.B. EKG-Aufzeichnungen)
Unterstützung der Patienten bei der Planung einer Anschlussheilbehandlung, Hilfe bei der Kommunikation mit Krankenkassen, Klärung von Fällen bei Unzufriedenheit des Patienten
postoperative Wundversorgung, eventuell erforderliche Narbenkorrektur
kleinere thoraxchirurgische Eingriffe (z.B. Cerclagenentfernung)
Betreuung kritischer Wundern durch Anwendung der VAC-Therapie (regelmäßige Verbandswechsel, Sichtung und Beachtung mikrobiologischer Befunde und resisto-grammgerechten Antibiotikatherapie)
Betreuung von Patienten im Zustand nach Herztransplantation in Koordination mit den Transplantationszentren
Ambulante Betreuung von herzchirurgischen Patienten mit mechanischen Unterstützungssystemen
Zwar wurden die o.g. ambulanten Leistungen im niedergelassenen Bereich aufgrund der durch die Rechtsprechung verneinten Zulassungsfähigkeit von Herzchirurgen bisher von Chirurgen und Kardiologen erbracht, nach den Ausführungen des SG Düsseldorf dürfen Herzchirurgen jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen, insb. unter Berücksichtigung der in Art. 12 Abs.1 GG verankerten Berufsausübungsfreiheit, nicht von der Erbringung ihrer Fachleistungen im ambulanten Bereich abgehalten werden.

Bewertung und Ausblick: Der Herzchirurg als niedergelassener Vertragsarzte und MVZ-Gründer als Tätigkeitsmöglichkeiten neben der Anstellung im Medizinischen Versorgungszentrum

Mit der Einstufung der Herzchirurgen als zulassungsfähig weicht das SG Düsseldorf von der früheren Rechtsprechung ab und eröffnete den Herzchirurgen die Möglichkeit, in der ambulanten Versorgung tätig zu werden, jedenfalls soweit der Entscheidung durch die Instanzen und durch die Verwaltung gefolgt würde. Das ist noch offen.

Verfestigt sich die Option aber, ist damit für Herzchirurgen selbst, aber auch kooperierende Fachgruppen und die sektorenübergreifende Versorgung aber eine kleine, aber begrüßenswerte Gestaltungsoption hinzugewonnen. Herzchirurgen unterfallen nach § 12 Abs.2 Nr.2 Satz 2 der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade nicht den von der Bedarfsplanung erfassten Chirurgen, sodass entsprechende Zulassungsbeschränkungen für sie nicht gelten. Aufgrund des für sie bestehenden Zulassungsanspruchs kommen sie auch z. B. für die Unterstützung einer MVZ-Gründung in Betracht. Im Rahmen der ambulanten Tätigkeit können Sie dabei auch ein Bindeglied in die stationäre Versorgung darstellen. Ein Überweisungsvorbehalt besteht nicht. Finanzierungsgrenzen, die aus dem auf die Fachgruppe nicht eingerichteten EBM und HVM folgen, werden aber zu beachten sein.

Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt