Krankenhausapotheken § 129a SGB V: LSG Rheinland-Pfalz beschränkt die Erstattung von Umsatzsteuer für patientenindividuelle Zubereitungen auf den Anteil im Arbeitspreis

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Krankenhausapotheken § 129a SGB V: LSG Rheinland-Pfalz beschränkt die Erstattung von Umsatzsteuer für patientenindividuelle Zubereitungen auf den Anteil im Arbeitspreis

I. Zusammenfassung

Das LSG Rheinland-Pfalz hat am 18.02.2021, L 5 KR 161/18, zu etwaigen Rückforderungsansprüchen gesetzlicher Krankenkassen bezüglich überzahlter Umsatzsteuer auf patientenindividuelle Zubereitungen geurteilt. Dieses Urteil wurde noch nicht außerhalb der Fachkreise veröffentlicht und ist mittlerweile beim BSG unter dem Aktenzeichen B 1 KR 13/21 R anhängig.

Das LSG knüpft mit seiner Entscheidung an die Grundsätze der bereits bekannten BGH-Rechtsprechung vom 20.02.2019 an (wir berichteten hier). Jedoch wendet das LSG diese Grundsätze abweichend vom BGH und überzeugender als dieser selbst an. Der BGH hat die Erstattung der Höhe nach im Wesentlichen mittels der Formel „Umsatzsteuer abzgl. Vorsteuerschaden“ bestimmt. Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Erstattung auf den Umsatzsteueranteil für die Pauschale für die Zubereitung (sog. Arbeitspreis) beschränkt ist. Dieses Ergebnis leitete es konsequent aus den vertraglichen Maßgaben für die Preisbildung ab. Damit ist die Erstattungsforderung deutlich reduziert. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis, welches das BSG in einer Entscheidung vom 09.04.2019 gefunden hatte (B 1 KR 5/19 R). In dieser Entscheidung des BSG war aber über den hier strittigen Teil nicht zu entscheiden gewesen (s. hier).

Das Urteil ist zu begrüßen. Es beachtet die Besonderheiten der vertraglichen Grundlagen für Krankenhausapotheken im Bereich gesetzlichen Krankenversicherungsbereich. Es bleibt abzuwarten, ob das BSG dieser Linie folgt.

II. Sachverhalt und Entscheidung

In dem Verfahren des LSG Rheinland-Pfalz klagte eine gesetzliche Krankenversicherung, welche die Beklagte als Krankenhausträgerin auf Rückzahlung von auf Zytostatika entrichtete Umsatzsteuer in Anspruch nahm. Zwischen den Parteien war im Rahmen eines Vertrages nach § 129a SGB V der ABDA-Listenpreis als Apothekeneinkaufspreis (AEK) Ausgangspunkt der Preisberechnung. Damit wird, wie in den vertraglichen nach 129a üblich, eine Ausgangsbasis unabhängig vom tatsächlichen Einkaufspreis gewählt. Auf diesen Listenpreis erfolgten Ab- und Zuschläge und der sog. Arbeitspreis wird zugeschlagen, der den Aufwand für die Zubereitung abdecken soll. Auf dieses Netto aus AEK zzgl. Ab- und Zuschlägen sowie den Arbeitspreis wurde schlussendlich rechnerisch die Mehrwertsteuer aufgeschlagen.

Den Anteil, der rechnerisch auf die Mehrwertsteuer entfiel, setzte die Beklagte in ihren Berechnungen gegenüber der Krankenkasse gemäß dieser Vereinbarungen an. Abgeführt an das Finanzamt wurde Umsatzsteuer von der Beklagten indes nicht. Erst im Rahmen einer Prüfung des Finanzamtes wurde die Umsatzsteuerschuld festgesetzt, diese Festsetzung nach Klärung der umsatzsteuerlichen Lage im 2017 aber wieder aufgehoben. Bereits zuvor hatte die Krankenkasse die Erstattung des Umsatzsteueranteils in dem Abgabepreis klageweise geltend gemacht.

Im erstinstanzlichen Verfahren vom dem SG Speyer hatte das beklagte Krankenhaus daraufhin einen Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis anerkannt, sodass dieser Anteil unstrittig wurde. Weitergehenden Ansprüchen gegenüber wurde indes die Verjährungseinrede entgegengesetzt. Diese Verjährung bestätigte das SG Speyer (SG Speyer, Urt. v. 23.04.2018, S 20 KR 492/17, nv; vgl. zu einer Parallelentscheidung bezüglich der Verjährung und der dort angewandten drei- statt vierjährigen Frist SG Speyer, Urt. v. 23.01.2017, S 19 KR 521/19).

Gegen dieses Ergebnis des SG hatte sich die Klägerin mit der Berufung gewendet und die weiteren rechnerischen Umsatzsteueranteile für die streitgegenständlichen Jahre eingeklagt.

In seinem Urteil vom 18.02.2021 hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG Speyer jedoch zurückgewiesen und in den Gründen ausgeführt, dass der Krankenkasse nur ein Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis zustehe, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch Anerkenntnis erledigt worden sei.

Das LSG Rheinland-Pfalz begründete seine Entscheidung wie folgt: Ein Anspruch kann sich nur aus den vertraglichen Grundlagen ergeben, also den Regelungen des zugrundeliegenden § 129a SGB V Vertrages. Hierbei geht das LSG davon aus, dass ein Bruttopreis zwischen den Parteien vereinbart war, welcher grundsätzlich keine Nachzahlungen oder Rückzahlungen von Umsatzsteuer zulässt, gleich zugunsten welcher Vertragspartei. Aufgrund dieser Bruttopreisvereinbarung durfte die Beklagte diesen Preis inklusive der darin vereinbarten Umsatzsteuer abrechnen. Die materielle Steuerrechtslage ist nicht maßgeblich. Insofern durfte das Krankenhaus – trotz der umsatzsteuerfreien Behandlung im Verhältnis zum Finanzamt – die vereinbarte Umsatzsteuer vereinnahmen.

Allerdings sei auch eine Bruttopreisvereinbarung der Vertragsauslegung nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 157 BGB zugänglich. Demnach sei ein hinreichender Ausgleich zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, wenn sich die Besteuerung rückwirkend ändert. Das erfordere eine an den Geboten von Treu und Glauben orientierte Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens für diesen Fall. In diesem Punkt lässt das Gericht einfließen, dass die Parteien sich im Rahmen des § 129a SGB V Vertrages auf eine bestimmte Preisberechnung geeinigt haben. In der Auslegung, welche Regelung die Parteien hypothetisch getroffen haben, sieht das Gericht als maßgeblich an, dass die Parteien eine Bemessung der Einkaufspreise an Listenpreisen und nicht anhand tatsächlicher Einkaufspreise vorgenommen haben. Diese Listenpreise seien maßgeblich, auch wenn die tatsächlichen Einkaufspreise einmal höher liegen würden. Auf die konkreten Einkaufskonditionen käme es nicht an. Dementsprechend könne es auch nicht auf den konkreten Umsatzsteueranteil ankommen, der auf den tatsächlichen Einkaufspreis anfiele. Vielmehr müsse zum Ausgleich für den Wegfall des Vorsteuerabzuges die Umsatzsteuer kalkulatorisch auf den Listenpreis aufgeschlagen werden. Folglich sei nur der Umsatzsteueranteil zu erstatten, der auf den Arbeitspreis entfalle. Der Anspruch hierauf sei entgegen des SG zwar nicht verjährt, weil der Anspruch infolge der Umständen seiner vertraglichen Natur erst in 2016 entstanden sei. Indes war dieser Anspruch schon erfüllt. Weitergehende Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Erstattung könne es nicht geben, weil diese hinter der vertraglichen Regelung zurückstehen müsse. Schadensersatzansprüche seien sodann zwar aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall gegeben, würden aber keine weitergehenden Zahlungen begründen.

III. Einordnung

Zum einen ordnet sich diese sozialgerichtliche Entscheidung in die einleitend zitierte Leitentscheidung des BSG vom 20.04.2019 ein, soweit es die Vertragsergänzung und die Verjährung betrifft. Abweichend vom BSG nimmt das LSG indes eine Bruttopreisvereinbarung an, um gleichwohl einen Anspruch aus Vertragsergänzung zu begründen. Insoweit folgt es der ebenfalls einleitend zitierten BGH-Rechtsprechung, die den hier strittigen Konstellationen den Unterschied zwischen Brutto- und Nettopreisvereinbarung weitgehend eingeebnet hat. Ob das das BSG ebenso sehen würde, ist allerdings noch nicht eindeutig entschieden.

Das Ergebnis des LSG weicht sodann unter Berücksichtigung der spezifischen Vereinbarungen zur Preisbildung vom BGH ab. Das Gericht nimmt hier die vertraglichen Grundlagen nach § 129a SGB V näher in den Blick und zieht die aus den vertraglichen Bestimmungen folgenden Grundsätze für die Preisbildung mit ein. Insofern sind die Überlegungen des LSG Rheinland-Pfalz im Hinblick auf die ergänzende Vertragsauslegung überzeugender als alle bisherigen Überlegungen des BGH. Zutreffend wird aufgezeigt, dass der hypothetische Parteiwille nicht in einer Erstattungsmaximierung gemündet wäre. Vielmehr sind die besonderen Herausforderungen der Unsicherheit und der Rückabwicklung zu würdigen. Diese Situation unterscheidet sich deutlich von dem Kalkül das zu Grunde zu legen ist, wenn die umsatzsteuerliche Behandlung feststeht. Insoweit hatte der BGH bisher unzutreffend die Frage gestellt, was die Parteien möglicherweise vereinbart hätten, wäre ihnen bei Abgabe bekannt gewesen, wie die spätere umsatzsteuerliche Qualifikation ausfallen würde. Damit wird ein Wissen unterstellt, das die Parteien in der Vereinbarungssituation nicht haben konnten, weil sie eben zu diesem Zeitpunkt denklogisch in Unkenntnis der späteren Entwicklung waren. Demgegenüber greift das LSG zutreffend auf, was Parteien entscheiden würden, sind sie zum Vertragsabschlusszeitpunkt schlussendlich in Ungewissheit, wie später durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entschieden würde. Dementsprechend überzeugt die Schlussfolgerung des LSG. Die Beschränkung der Erstattung auf den Umsatzsteueranteil im Arbeitspreis, durchbricht man schon die Bruttopreisvereinbarung, erweist sich folglich als ausgewogenes Ergebnis.

IV. Fazit

Im Ergebnis verbessert das Urteil des LSG die Situation zugunsten der Krankenhausträger gegenüber der in der Rechtsprechung bisher vertretenen Linie. Das LSG übernimmt zwar im Ausgangspunkt die Grundlinien aus der BSG und insbesondere der BGH-Rechtsprechung, tritt aber den bisher überwiegend einseitigen Erwägungen zur ergänzenden Vertragsauslegung entgegen und würdigt damit zutreffend, was bei „Kenntnis von der Unkenntnis“ und den damit verbunden besonderen Problemen der nachträglichen Rückabwicklung von den Parteien zu erwarten gewesen wäre. Für noch laufende Gerichtsverfahren und etwaig noch offene Vergleiche verbessern sich damit die Aussichten. Es ist zu hoffen, dass das BSG den Erkenntnissen des LSG folgt.

 

Dr. Andreas Penner                           Pierre Finke
Rechtsanwalt                                     Rechtsanwalt