Handlungsbedarf bei Vereinbarung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes reicht bei der Einbeziehung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wie zum Beispiel in BAT-KF oder den AVR nicht aus, dass diese lediglich im Rahmen des schriftlichen Arbeitsvertrages in Bezug genommen wurden. Damit zum Beispiel eine Ausschlussfrist letztendlich nicht ins Leere läuft, ist eine Abschrift beziehungsweise ein Ausdruck der Arbeitsrechtsregelung durch den Arbeitgeber zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer gegen Empfangsbekenntnis auszuhändigen. Anderenfalls besteht für den Arbeitgeber die Gefahr aufgrund eines Verstoßes gegen das Nachweisgesetz (NachwG) letztendlich die Wirkung der Ausschlussfrist zu auszuhebeln. Im Wege des Schadenersatzes würde der Arbeitnehmer so gestellt werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte. Damit läuft die Ausschlussfrist ins Leere.

Wir empfehlen daher, sämtlichen Mitarbeitern, sofern noch nicht erfolgt, eine durch den Arbeitgeber unterzeichnete Abschrift der Arbeitsrechtsregelung gegen Empfangsbekenntnis zu übergeben. Dies gilt nicht nur bei Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch bei laufenden Arbeitsverhältnissen. Soweit nach Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.06.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (Arbeitsbedingungen Richtlinie) ein Nachweis in elektronischer Form zugelassen werden wird, kann eine Veröffentlichung gegebenenfalls im Internet erfolgen, soweit die Dokumente speicher- und ausdruckbar sind. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten jedoch die Maßgaben des Nachweisgesetzes.

Zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes:

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.10.2019, 6 AZR 465/18, die Maßgaben für die Inbezugnahme von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vor dem Hintergrund des Nachweisgesetzes konkretisiert. Im dort zu entscheidenden Fall war der Kläger einer Katholischen Kirchengemeinde als Küster und Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag nahm die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in Bezug. In dieser ist in § 57 eine sechsmonatige einstufige Ausschlussfrist vorgesehen. Der Kläger machte Differenzvergütungsansprüche wegen angeblich fehlerhafter Eingruppierung gelten. Die Beklagte berief sich auf die Ausschlussfrist und verweigerte die Erfüllung dieser Ansprüche. Der Kläger stellte die Wirksamkeit Fristenregelung in Abrede und verlangt hilfsweise Schadenersatz, den er unter anderem darauf stützt, dass ihm die Beklagte die Ausschlussfrist nicht hinreichend nachgewiesen habe.

Das Bundesarbeitsgericht sah Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Nachweisgesetzes für möglich an. Eine abschließende Entscheidung, ob dem Kläger die begehrte Eingruppierung zusteht und deshalb ein Schadenersatz in Höhe der eingeklagten Differenzvergütung besteht, konnte mangels hinreichender Feststellung des Landesarbeitsgerichtes nicht getroffen werden, sodass der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen wurde.

Gleichwohl hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass im Fall des Klägers wegen der Inbezugnahme der Ausschlussfrist die den gesetzlichen Mindestlohn übersteigenden Entgeltansprüche verfallen sind, dem Kläger jedoch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Nachweisgesetzes zustehen könnte. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes handelt es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelung um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die in den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen enthalten Ausschlussfrist ist eine wesentliche Arbeitsbedingungen Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG. Eine bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche genügt für den erforderlichen Nachweis nicht.

§ 2 Abs. 1 NachwG lautet:

Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

Für die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gilt die Erleichterung nach § 2 Abs. 3 NachwG nicht, wonach ein Hinweis auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder ähnliche Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten, ausreichend ist. Ausschlussfristen werden durch den abschließenden Katalog in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6-9 und Abs. 2 Nr. 2 und 3 NachwG nicht umfasst. Es besteht daher die Verpflichtung des kirchlichen Arbeitgebers, die Ausschlussfrist dem Arbeitnehmer im Volltext nachzuweisen.

Daran ändert auch nicht, dass bei Änderungen der kirchlichen Regelungen nach § 3 S. 2 NachwG erleichterte Nachweismöglichkeiten bestehen. Nach § 3 NachwG hat ein Arbeitgeber eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen. Das gilt jedoch nicht bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder ähnlichen Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes wird der Nachweis der Ausschlussfrist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von diesen Erleichterungen nicht erfasst.

Die Entscheidung bezieht sich lediglich auf Ausschlussfristen. Welche weiteren in den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen enthaltenen Maßgaben wesentlich im Sinne von § 2 NachwG sind, ist noch nicht abschließend entschieden. Aus Gründen der Vorsicht sollten zukünftig nicht nur die Ausschlussfristen, sondern die gesamten kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zumindest bei Begründung des Arbeitsverhältnisses dem jeweiligen Arbeitnehmer unter Beachtung der formalen Vorschriften in § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG übergeben werden. Anderenfalls laufen diese Arbeitsbedingungen ebenso wie die Ausschlussfrist im vorstehend geschilderten Fall ins Leere.

 

Tanja Koopmann-Röckendorf LL.M. oec
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Sozialrecht