Seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.09.2014 (AZ: V R 19/11) haben die Privaten Krankenversicherungen vermehrt Verfahren mit dem Inhalt angestrengt, die durch die Versicherten geleistete Umsatzsteuer auf Zytostatika von den Krankenhäusern zurück zu erlangen.
Dabei haben sie in der Regel einen Anspruch auf Herausgabe ohne Rechtsgrund geleisteter Umsatzsteuer gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB geltend gemacht. Dem Anspruch liegt im Wesentlichen die Argumentation zu Grunde, dass die durch die krankenhauseigene Apotheke hergestellten Zytostatika unter Berufung auf das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs umsatzsteuerfrei seien. Daher sei die von den Krankenhäusern berechnete Umsatzsteuer ohne einen Rechtsgrund geleistet worden. Auch wenn die Rechnungsstellung zeitlich vor der Urteilsverkündung wäre, sei jedenfalls im Nachhinein die Vergütungsvereinbarung für die Leistung der Zytostatika dahingehend auszulegen, dass die Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB bezüglich der enthaltenen Umsatzsteuer wegen gemeinschaftlichem Irrtums weggefallen sei. Außerdem folge aus der Rechtsprechung auch eine Nebenpflicht des Krankenhauses eine Pflicht zur Rechnungskorrektur, denn es sei nach Treu und Glauben nur billig, die abgeführte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzufordern.
In den klageabweisenden Urteilsgründen werden die Leistungsvereinbarungen dagegen grundsätzlich als Bruttopreisabrede bewertet, teilweise hergeleitet aus einem Leistungsbestimmungsrecht des Krankenhauses gem. §§ 315 Abs. 1, 316 BGB. Eine Pflicht zur Rechnungskorrektur wird insgesamt abgelehnt, ebenso mangels Nebenpflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht.
Im Folgenden werden die aktuellen, klageabweisenden Urteile mit den jeweils kurz zusammengefassten Urteilsgründen aufgeführt. Die aktualisierten, seit dem 23.08.2018 neu hinzugefügten Entscheidungen sind entsprechend rot markiert. Die klageabweisenden Urteile im Bereich der GKV werden hier dargestellt. Hinweise zu den Revisionsverfahren finden Sie hier.
Dr. Andreas Penner | Benedikt Merten |
Rechtsanwalt | Rechtsanwalt |
OLG Naumburg Urteil v. 17.01.2019 Az.: 9 U 57/18 Vorinstanz: 4 O 620/17 LG Halle |
Auf die Bewertung der zugrunde liegenden Abrechnungen jeweils als Netto- oder Bruttopreisvereinbarung kommt es nicht an, da die Beklagte nach § 818 Abs. 3 BGB bereits nicht bereichert ist. Eine vertragliche Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur ist nicht festzustellen. Berücksichtigung bei der Bewertung finden unter anderem das Interesse der Patienten an einer Korrektur sowie der der Beklagten entstehende Aufwand. Der bei der Preiskalkulation von der Beklagten berücksichtigte Vorsteuerabzug würde nachträglich entfallen, sodass ihr zunächst ein erheblicher Verwaltungsaufwand entstünde. Ferner hat die Beklagte ihre Preise stets nach dem jeweils gültigen Umsatzsteueranwendungserlass kalkuliert. Selbst nach dem BFH-Urteil aus dem Jahre 2014 haben die Finanzbehörden dieses nicht für allgemeinverbindlich erklärt und den damaligen Umsatzsteueranwendungserlass unverändert angewendet. Im Jahre 2016 hat das BMF den Unternehmern ein Wahlrecht über die Besteuerung des Umsatzes bis zum Ende eines Übergangszeitraums eingeräumt. Dass die Beklagte es bei der Besteuerung belassen hat ist ihr nicht vorzuwerfen. Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sein soll, die für sie und die Patienten ungünstigere Variante der Nichtbesteuerung zu wählen, sämtliche Rechnungen zu korrigieren sowie die Umsatzsteuerbescheide berichtigen zu lassen. Letztlich stehen die der Beklagten bei Bejahung einer Pflicht zur Rechnungskorrektur entstehenden Nachteile in unangemessenem Verhältnis zu einem etwaigen den Patienten entstehenden Vorteil. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass den Patienten aufgrund von des Einflusses personeller Aufwendungen der Beklagten auf die Preiskalkulation ein höherer Gesamtpreis in Rechnung gestellt worden wäre. Dies läge ohnehin nicht im Interesse der Patienten als Vertragspartner aus dem Werklieferungsvertrag. Da die Verträge bereits vollständig erfüllt sind und die Beklagte ihr Preisbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB ausgeübt hat, ist für eine nachträgliche Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB kein Raum. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da eine etwaige vertragliche Regelungslücke über die Preisgestaltung bereits über die §§ 315, 316 BGB geschlossen wird (s.o.). Dafür, dass das Preisbestimmungsrecht in unbilliger Weise ausgeübt wurde, bestehen keine Anhaltspunkte. |
LG Aachen Urteil v. 29.11.2018 Az.: 12 O 197/18 |
Die Umsatzsteuer ist ein rechtlich unselbstständiger Teil des zu zahlenden Gesamtpreises, der im angebotenen Preis enthalten ist, sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Nettopreisabrede. Auch der Umstand, dass die Rechnungen der Beklagten teilweise Umsatzsteuer enthielten, begründet nicht automatisch eine Nettopreisvereinbarung. Im Zweifel ist folglich von einer Bruttopreisabrede auszugehen.Eine vertragliche Pflicht der Beklagten zur Berichtigung der Rechnungen besteht nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des BMF, denn zum einen handelt es sich dabei um eine Verwaltungsanweisung gegenüber den Finanzbehörden und zum anderen wird den Unternehmen die Rechnungskorrektur darin ausdrücklich freigestellt. Aus dieser bloßen Möglichkeit kann keine vertragliche Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB abgeleitet werden. Ferner hat die Beklagte kein Interesse an einer Rechnungskorrektur oder erneuten Steuerfestsetzung, da ihr dahingehend ein erheblicher materieller und personeller Mehraufwand entstünde. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aufgrund der Unzumutbarkeit o.g. Vorgehensweise nicht in Betracht. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der Rückabwicklung und erneuten steuerlichen Festsetzung ihre Möglichkeit zum Vorsteuerabzug nachträglich verliert, die Umsatzsteueranteile hingegen in voller Höhe an ihre Patienten bzw. den Kostenträger auskehren muss, sodass ihre Preiskalkulation hinfällig wird. |
LG Tübingen Urteil v. 26.10.2018 Az.: 4 O 371/17 |
Es kann dahinstehen, ob eine Netto- oder Bruttopreisabrede getroffen wurde. Die Beklagte schuldet die fehlerhaft ausgewiesene Umsatzsteuer bis zur Berichtigung gegenüber dem Finanzamt. Die Rechtsgründe zwischen der Beklagten und den Klägern sowie dem Finanzamt stehen in einem Akzessorietätsverhältnis zueinander. Letztlich kann ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten mithin erst entstehen, wenn die Rechnungen gegenüber dem Finanzamt berichtigt sind und ein Wegfall des Rechtsgrundes hinsichtlich der Umsatzsteuer die Akzessorietät auflöst, da auch der Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt gemäß § 37 Abs. 2 AO erst dann entsteht, wenn eine Berichtigung der Steuerfestsetzung vorgenommen wurde, § 17 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG.Bei einzelnen gestellten Rechnungen sind keine Angaben zum angewendeten Steuersatz, der Höhe der berechneten Steuer oder einer etwaigen Steuerbefreiung enthalten, sodass dahingehend von einer Bruttopreisabrede auszugehen ist. Entgegen der Auffassung des OLG Schleswig ist hierbei die materiellrechtliche Lage zur Umsatzsteuerfreiheit nicht von Bedeutung, da der Rechnungsendbetrag als „Gesamt-Brutto“ ausgewiesen wird, vollkommen unabhängig davon, welche Beträge in Abzug gebracht oder – wie etwa bei einer etwaigen Umsatzsteuer – hinzugerechnet wurden. Bei einem anderen Teil der gestellten Rechnungen ist der Nettobetrag und die abgerechnete Umsatzsteuer gesondert aufgeführt. Dies legt die Vermutung nah, dass die Berechnung der Steuer Grundlage der vertraglich vereinbarten Preisabsprache geworden ist. Insofern wäre eine Nettopreisvereinbarung naheliegend (so auch OLG Braunschweig). Dennoch besteht eine vertragliche Nebenpflicht zur Korrektur der Rechnungen als Grundlage und Voraussetzung für einen Bereicherungsanspruch (s.o. bzgl. Akzessorietät zwischen Schuld- und Umsatzsteuerverhältnis) nicht, da die nachträgliche Berichtigung nach interessengerechter Abwägung nicht zumutbar ist. Der Beklagten entstünde ein exorbitanter Aufwand, den sie mangels Vorsteuerabzugsberechtigung nicht kompensieren kann. Aufgrund dessen scheiden auch eine Vertragsauslegung zugunsten einer Nettopreisabrede nach §§ 133, 157 BGB sowie eine Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB aus. Ferner ist aus vorgenannten Gründen ohnehin eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB anzunehmen. |
LG Oldenburg Urteil v. 24.10.2018 Az.: 13 O 2830/17 |
Es wurde keine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe des Entgeltes sowie die Besteuerung getroffen. Der Beklagten kommt insofern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB zu. Dieses erstreckt sich nicht nur auf die Festlegung des Preises, sondern auch auf die Entscheidung über die Entgeltbestandteil-Qualifikation. Legt man die vertraglichen Bestandteile an diesem Maßstab aus, so ist nach dem Willen der Beklagten davon auszugehen, dass diese eine Bruttopreisabrede vereinbaren wollte. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Herstellung von Zytostatika umsatzsteuerfrei wäre, da die Beklagte die bereits aufgewendete Vorsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs auf ihre Patienten umlegen wollte. Dafür darf die in den Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer aber gerade kein selbstständiger Entgeltbestandteil sein (Nettopreisabrede). Für eine ergänzende Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 2 BGB ist kein Raum, da sich für diese eine wesentliche Vorstellung der Parteien, die Inhalt des Vertrages geworden ist, als falsch heraus gestellt hat. Schon die Patienten haben sich jedoch bezüglich der Besteuerung gerade keine Gedanken gemacht, da sie von einer Erstattung durch die KK ausgingen. Die Besteuerung kann somit schon nicht als Vorstellung der Parteien Vertragsinhalt geworden sein. Eine Pflicht des KH zur Korrektur der Rechnungen besteht nicht. Der BFH hat es den Unternehmern ausdrücklich freigestellt, dies zu tun und lediglich die Finanzbehörden dazu verpflichtet, im Falle dessen Korrekturen an den Steuerbescheiden vorzunehmen. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch keine vertragliche Verpflichtung für die Beklagte. Zum einen liegen Bruttopreisvereinbarungen vor, zum anderen ist der dem leistenden Unternehmer durch die Auferlegung der Rechnungskorrekturen entstehende personelle und materielle Aufwand nicht geringfügig, mithin unangemessen und dem KH nicht zumutbar. |
LG Duisburg Urteil v. 28.09.2018 Az.: 10 O 359/17 |
Mangels Individualabrede zur Besteuerung ist eine Bruttopreisabrede anzunehmen. Demnach ist die Umsatzsteuer unselbstständiger Teil des Gesamtpreises. Ferner enthalten die in Rede stehenden Rechnungen keinerlei Hinweise auf den Steuersatz, es war lediglich ein „Gesamt-Brutto“ ausgewiesen.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass eine Regelung zur Besteuerung nicht Vertragsbestandteil geworden ist, muss nicht planwidrig sein, da eine Bruttopreisabrede ohnehin beide Parteien schützt und folglich Rechtssicherheit für die Beklagte hergestellt wird. Ferner würde der Beklagten die Vorsteuerabzugsberechtigung verloren gehen, sodass eine Preiskalkulation auf Grundlage dieser hinfällig wäre. Bei einer vollständigen Rückabwicklung entständen daher erhebliche Verluste. Eine Vertragsanpassung nach den Grundlagen über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, da die Parteien eben keine Vereinbarung zur Besteuerung getroffen haben, dessen Umstände (die Frage nach der grundsätzlichen Steuerbarkeit) sich im Nachhinein schwerwiegend geändert haben könnten. Ein Anspruch auf Rechnungskorrektur besteht nicht. Ein solcher kann auch nicht aus den vertraglichen Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet werden. Die Voraussetzungen einer Rechnungskorrektur nach § 14 c) UStG liegen nicht vor, da die Umsatzsteuer jedenfalls im Zeitpunkt der Versteuerung nicht falsch ausgewiesen wurde. Eine vertragliche Pflicht zur Rechnungskorrektur ist nur einzelfallabhängig nach Treu und Glauben statthaft. Hinsichtlich des erheblichen Aufwands einer umfänglichen Rechnungskorrektur und dem damit verbundenen Verlust des Vorsteuerabzugs (s.o.) sind der Beklagten diese unzumutbar. |
LG Bielefeld Urteil v. 27.09.2018 Az.: 6 O 400/17 |
Umsatzsteuer wurde auf den Rechnungen nicht ausgewiesen. Es handelt sich folglich um eine Bruttopreisabrede, die Beklagte hat das ihr nach §§ 315, 316 BGB zustehende Leistungsbestimmungsrecht dergestalt ausgeübt, dass lediglich der geschuldete Gesamtbetrag geschuldet wird (Bruttopreis). Eine Auslegung ergibt, dass der Wille der Parteien dahingeht, die Umsatzsteuer in den angegebenen Gesamtpreis zu integrieren. Es wurde offenkundig darauf verzichtet, einen Nettopreis anzugeben, wodurch eine Nettopreisabrede als nicht begründbar erwirkt. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt lediglich in Betracht, wenn der Wille der Parteien nicht durch einfache Auslegung ermittelt werden kann. Dies ist hier jedoch der Fall. Ein Anspruch der Klägerin auf Rechnungskorrektur aus § 14 c) bestünde nur, wenn die Rechnungen „falsch“ sind. Aufgrund der den Rechnungen zugrunde liegenden Bruttopreisvereinbarungen kommt dies jedoch vorliegend nicht in Betracht. |
LG Köln Urteil v. 28.08.2018 Az.: 3 O 21/18 So auch:
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Keine Nettopreisvereinbarung, Umsatzsteuer ist als unselbstständiger Teil der üblichen Vergütung anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuer gesondert ausgewiesen ist.
Eine rückwirkende Vertragsanpassung nach § 313 BGB kann mit der Begründung einer Rechtsprechungsänderung jedenfalls im Steuerrecht nicht verlangt werden, da nachträgliche Änderungen im Steuerrecht nicht unüblich sind und somit nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Vertragsparteien den Vertrag auf Grundlage einer bestimmten, unveränderbaren Rechtslage geschlossen haben. Eine Ausnahme bestünde, wenn die Parteien die Regelung zur Besteuerung zum Bestandteil ihres Vertrages gemacht hätten. Es ist jedoch vielmehr davon auszugehen, dass sich beide Parteien bei Vertragsschluss keine Gedanken über die Besteuerung gemacht haben. Ein Anspruch nach § 313 BGB setze zudem eine Äquivalenzstörung voraus, die jedoch erst dann angenommen werden könnte, wenn die betreffende Umsatzsteuer zurückgezahlt wird, da das KH zwar sämtliche Steuer erstatten muss, ihr Vorsteuerabzug hingegen entfällt. Kondiktionsansprüche kommen nicht in Betracht, da die Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erfolgte. Diesen bilden aufgrund vorliegender Bruttopreisvereinbarungen (Nettopreisvereinbarungen sind entgegen der Meinung des OLG Braunschweig als abwegig zu betrachten) die Behandlungsverträge selbst. Ein nachträglicher Wegfall des Rechtsgrundes ist nicht anzunehmen, da eine Berichtigung der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 UStG erst möglich ist, wenn entsprechende Rechnungen korrigiert wurden. Der Fortbestand des Rechtsgrundes wird insofern mit der Bestandskraft der Steuerfestsetzung begründet. Ferner besteht seitens der KV kein Anspruch auf rückwirkende Rechnungskorrektur. Ob der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB durchgreift, kann offenbleiben, da dieser nicht durch die Beklagte vorgetragen wurde. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH spräche jedoch einiges dafür, dass die Beklagte entreichert ist, da der Rückerstattungsanspruch gegen das FA aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes und des Wegfalls des Vorsteuerabzugs praktisch wertlos, d.h. uneinbringlich bzw. nur äußerst schwierig durchzusetzen wäre (so nur Urt. v. 18.07.18). |
LG Bielefeld Urteil v. 25.07.2018 Az.: 22 S 86/18 |
Beklagte ist aufgrund der bestandskräftigen Steuerfestsetzung endgültig entreichert, § 818 Abs. 3 BGB.
§ 169 AO nicht anwendbar, die Abänderung von Steuerbescheiden ist nicht vom Anwendungsbereich umfasst. In vorangegangenen Negativentscheidungen (OLG Schleswig) wurde eine Entreicherung verneint und mithin ein Anspruch bejaht, da noch keine abschließende Steuerfestsetzung erfolgt war. |
LG Baden-Baden Urteil v. 20.07.2018 Az.: 1 O 165/17 |
Die Parteien haben für den geschlossenen Werklieferungsvertrag keine konkrete Vergütungsvereinbarung getroffen. Eine Auslegung ergibt, dass der Beklagten ein Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB zustehen soll. Es ist vollkommen unüblich, dass zwischen einem Patienten und dem Leistungserbringer eine Verhandlung über die Vergütung einer Medikation stattfindet, vielmehr akzeptiert der Patient die Preisgestaltung in aller Regel, wie sie durch den Leistungsträger vorgegeben wird. Es ist also von einer konkludent vereinbarten, einseitigen Leistungsbestimmung durch die Beklagte auszugehen. Die Beklagte hat eben dieses Bestimmungsrecht hinsichtlich eines Bruttopreises ausgeübt, es war laut Rechnung ein „Gesamt-Brutto“ geschuldet. Nach ständiger Rechtsprechung ist mit dem Preis ohne abweichende Abrede auch der Aufwand für die Umsatzsteuer abgegolten. Die Rechnungen enthielten eine gesonderte Ausweisung der Steuer, was hingegen nicht auf einen Nettopreis hindeutet. Die Beklagte setzte vielmehr das ihr durch die Finanzverwaltung eingeräumte Recht um, mit der Besteuerung fortzufahren, sodass sie auch zur Rechnungstellung nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet war. Bei der (im Geschäftsverkehr üblichen) Bruttopreisabrede findet eine Verteilung des Risikos gleichermaßen auf beide Parteien bei falscher Besteuerung statt, sodass die Ausübung des Bestimmungsrechts durch die Beklagte im Rahmen einer Bruttopreisabrede nicht unbillig ist. Die wirksame Preisvereinbarung steht der ergänzenden Vertragsauslegung hinsichtlich des Preises aufgrund des Fehlens einer Regelungslücke entgegen. Auch ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB scheidet aus, da es bereits an einer gemeinsamen Fehlvorstellung der Parteien über vertragliche Inhalte fehlt. Beide haben sich keine Gedanken über die Besteuerung gemacht. Ferner ist ihnen das Festhalten am Vertrag auch nicht unzumutbar, da den Patienten jedenfalls kein Nachteil durch die Besteuerung entsteht und die etwaige „Störung“ des Vertrages ohnehin nicht schwer genug wiegt, um eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB zu rechtfertigen. Auch ein Anspruch auf Berichtigung der Rechnungen besteht nicht, da dieser nur nach § 14c UStG oder § 280 BGB als vertragliche Nebenpflicht bei Fehlern in den Rechnungsdokumenten bestehen könne. Da jedoch eine Bruttopreisabrede vorliegt kann den Rechnungen kein Fehler hinsichtlich der Besteuerung zugrundeliegen. |
LG Dresden Urteil v. 06.07.2018 Az.: 6 O 2915/17 |
Mangels anderweitiger Vereinbarung liegt den zwischen dem KH und den Versicherten Werklieferungsverträgen eine Bruttopreisvereinbarung zugrunde, die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgte somit als rechtlich unselbstständiger Teil des Gesamtpreises nicht rechtsgrundlos.
Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung besteht vorliegend nicht, da die Verträge keine Regelungslücke enthalten. Die Versicherten haben sich vielmehr keine Gedanken über die Besteuerung der Leistung gemacht. Dem Lieferanten (KH) nachträglich das Risiko einer sich im Nachhinein als zu Unrecht berechneten Umsatzsteuer aufzuerlegen erscheint vor dem Hintergrund der vor dem ergangenen Urteil des BFH unsicheren Rechtslage als unbillig. Ohnehin käme man auch bei einer etwaigen Nettopreisabrede aufgrund der Akzessorietät zwischen dem Umsatzsteuerverhältnis als Rechtsgrund und dem Verhältnis zwischen Versicherten und dem KH zum selben Ergebnis. Ansprüche auf Schadensersatz scheitern an einer fehlenden (Neben-) Pflichtverletzung. |
Landgericht Bonn Urteil v. 06.07.2018 Az.: 1 O 403/17 |
Die Leistung ist im Hinblick auf den zwischen den Versicherungsnehmern und dem KH geschlossenen Behandlungsverträge nicht rechtsgrundlos erfolgt, diese enthielten vielmehr eine Bruttopreisabrede, welche die geleistete Umsatzsteuer als unselbstständigen Teil des Gesamtpreises erfasst, sodass bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht bestehen können.
Mangels vertraglicher Vereinbarung über die Besteuerung lässt sich auch kein Anspruch infolge ergänzender Vertragsauslegung aus den jeweiligen Behandlungsverträgen ableiten. Hinsichtlich eines Anspruchs aus §§ 313 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 S. 1 VVG fehlt der KV die Aktivlegitimation, da sie im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlungsverträgen nicht selbst als Vertragspartner aufgetreten ist, sondern die Versicherten. Weiterhin ist die KV auch nicht als Sonder- oder Gesamtrechtsnachfolger in die Vertragsposition seiner Versicherungsnehmer eingetreten. |
Landgericht Fulda Urteil v. 05.07.2018 Az.: 2 O 323/17 |
Zwischen den Parteien besteht mangels anderslautender Vereinbarung eine Bruttopreisabrede, welche im Hinblick auf die Abwehr von Kondiktionsansprüchen den erforderlichen Rechtsgrund darstellt.
Weiterhin ist es der Beklagten nicht zumutbar, die über die Rückabwicklung der überzahlten Umsatzsteuer hinausgehenden Zins- und Vorsteueraufwendungen alleinig zu tragen. Zudem sei der bereits geltend gemachte Vorsteuerabzug nach Verrechnung in die Preiskalkulation der Zytostatika mit eingeflossen, sodass auch dahingehend erhebliche Kostennachteilte entstünden. Aufgrund dessen kann auch hinsichtlich einer ergänzenden Vertragsauslegung, deren Ergebnis sich am hypothetischen Vertragswillen orientieren muss, keine Übereinstimmung der Interessen von Kläger und Beklagter festgestellt werden. Vertraglicher Schadensersatz wird mangels (Neben-) Pflichtverletzung nicht geschuldet. |
Landgericht Dresden Urteil v. 22.06.2018 Az.: 4 O 130/18 |
Zahlung an die Beklagte mit Blick auf die den Medikamentenkauf-/Werklieferungsverträgen zugrundeliegenden Bruttopreisbareden nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Verträge sind mangels Regelungslücke auch nicht einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich noch ist Raum für eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Letztlich sprechen Billigkeitserwägungen gegen die Rechtsgrundlosigkeit, da bis zum maßgeblichen Schreiben des BFH die Finanzämter von keiner Umsatzsteuer-Befreiung ausgegangen sind. Insofern sei es nicht interessengerecht, das Risiko einer im Nachhinein zu Unrecht berechneten Umsatzsteuer dem Beklagten aufzuerlegen. |
Landgericht Passau Urteil v. 18.06.2018 Az.: 1 O 872/17 |
Dem KH steht aufgrund einer Bruttopreisvereinbarung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu, § 315, 316 BGB. Die gezahlte Umsatzsteuer gilt damit als rechtlich unselbstständiger Teil des Gesamtpreises, die Zahlung erfolgte mithin nicht ohne Rechtsgrund.
Irrtümer der Parteien sind nicht ersichtlich, somit bleibt kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung. Von der Beklagten kann aus Billigkeitsgründen nicht abverlangt werden, das vollständige wirtschaftliche Risiko durch eine einseitige Rechnungskorrektur zu tragen. Die Beklagte ist entreichert nach § 818 Abs. 3 BGB. Zwar steht ihr ggf. ein Erstattungsanspruch gegen das FA zu, jedoch sei dieser in seiner Höhe und seinem Umfang noch unbestimmt. |
Landgericht Magdeburg Urteil v. 13.06.2018 Az.: 11 O 1581/17 |
Beklagte durch Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert. Ein Anspruch auf Rechnungskorrektur ergibt sich auch nicht für die Klägerin unmittelbar aus § 164 Abs. 2 S. 2 AO, da dieser das Steuerverhältnis der Beklagten regelt und ein Ermessen für den Steuerpflichtigen vorsieht.
Gemäß § 14c Abs. 1 S. 1 UStG sei jedenfalls ein beidseitiger Irrtum der Vertragsparteien über die Besteuerung im Hinblick auf einen etwaigen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 2 BGB unbeachtlich. Der ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag werde unabhängig von der Richtigkeit der Besteuerung geschuldet. Wesentliche Leistungsveränderungen oder -störungen sowie Änderungen der Bemessungsgrundlage sind nicht ersichtlich, da sich nicht das Entgelt für die Zytostatika-Zubereitungen geändert hat, sodass § 17 UStG ganzheitlich keine Anwendung findet. |
Landgericht Bochum Urteil v. 06.06.2018 Az.: I-4 O 446/17 |
Die Parteien haben vertraglich eine Bruttopreisabrede vereinbart, die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgte insofern mit Rechtsgrund, sodass Kondiktionsansprüche nicht bestehen.
Eine vertragliche Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur durch die Beklagte besteht aufgrund des im Schreiben des BMF eingeräumten Ermessens nicht. Eine solche führte zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten, die in wirtschaftlicher Hinsicht keine Vorteile aus einer Rückabwicklung ziehen kann, aber dennoch Kosten für Personal und Material zu tragen hat. Eine nachträgliche Erstattung der Umsatzsteuer an die Klägerin verwirft die Preiskalkulation der Beklagten für Zytostatika-Zubereitungen, da diese eine etwaige abzugsfähige Vorsteuer eingepreist haben. Erlegt man ihr nun die Pflicht zur Rückerstattung auf, so entfällt nach Geltendmachung ihrer Ansprüche beim FA die Vorsteuerabzugsberechtigung jedenfalls für den im Rahmen der Zytostatika zurückgeforderten Betrag, sodass die ursprüngliche Preiskalkulation hinfällig wäre. Mangels vertraglicher (Neben-) Pflichtverletzung der Beklagten scheiden auch Schadensersatzansprüche aus, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 u. 2 VVG. |
LG Ravensburg Urteil v. 05.06.2018 Az.: 2 O 338/17 |
Aus der vertraglichen Absprache zwischen den Parteien ergibt sich ein Leistungsbestimmungsrecht für die Beklagte gemäß §§ 315, 316 BGB. Dieses umfasst auch die Entscheidung, ob die Umsatzsteuer im vereinbarten Entgelt enthalten ist. Von den Parteien wurde nicht mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass das vereinbarte Entgelt zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer zu zahlen ist (Nettopreisabrede), sodass im Zweifel und sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, von einer Bruttopreisvereinbarung auszugehen ist. Dabei ist die Umsatzsteuer rechtlich unselbstständiger Teil des Gesamtpreises. Auch eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergibt nichts anderes, da die Parteien nicht beidseitig irrtümlich von einer Besteuerung der Arzneimittel ausgegangen sind. Jedenfalls der Schuldner (Patienten) dürfte sich erst gar keine Gedanken über eine Besteuerung der Leistung gemacht haben. Die Beklagte hat ihr Bestimmungsrecht auch nicht unbillig ausgeübt, da eine Besteuerung bis zum BFH-Schreiben aus 2014 ohnehin nicht geregelt war, sodass zunächst richtigerweise von einer Umsatzsteuerpflichtigkeit auszugehen war. Aufgrund der anschließend ausgeübten Praxis der Finanzämter, das BFH-Urteil als nicht allgemein anwendbar zu erklären und vorliegende Leistungen weiterhin als steuerpflichtig zu behandeln, ergibt sich auch dahingehend keine unbillige Vorgehensweise der Beklagten. Auf die darauf folgenden Zeiträume kommt es nicht mehr an, da die streitgegenständlichen Abrechnungen zeitlich alle vor dem BMF-Erlass vom 28.09.2016 liegen. Der Rechtsgrund entfällt auch nicht durch Änderungen der Bewertung einer Umsatzsteuerpflicht durch die Finanzbehörden oder -gerichte, da gerade der Sinn einer Bruttopreisabrede darin liegt, dass das Risiko einer zu hohen Besteuerung beim Leistungsempfänger liegt, der Leistende hingegen das Risiko einer zu niedrigen Besteuerung trägt. Ein Anspruch auf rückwirkende Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB besteht nicht. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegen jedenfalls nicht vor, wenn sich lediglich ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat (s.o.). Ferner gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte, die eine beidseitig irrtümliche Vorstellung von der Besteuerung der Umsätze rechtfertigen. Nicht zuletzt scheidet eine Anpassung aus, wenn den Parteien ein Festhalten am Vertrag zugemutet werden kann. Vorliegend sind die Verträge ausnahmslos wechselseitig erfüllt. Umstände, die eine Unzumutbarkeit für eine Partei begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine vertragliche Nebenpflicht zur rückwirkenden Rechnungskorrektur aus § 241 Abs. 2 BGB besteht aufgrund des erheblichen Aufwands für die Beklagtenseite nicht. |
LG Tübingen Urteil v. 29.05.2018 Az.: 2 O 365/17 |
Aus der Bezeichnung des Preises als „Gesamtbrutto“ ergibt sich nicht, dass darin Umsatzsteuer enthalten ist. Eine enthaltene Steuer war hingegen auf der betreffenden Rechnung nicht angegeben. Die Annahme einer Nettopreisvereinbarung liegt folglich ohnehin fern.
Rechtsgrund für die Zahlung stellen die zwischen den Patienten und dem KH geschlossenen Verträge dar, insofern kommt es nicht darauf an, ob es eine explizite Vereinbarung der Parteien über den Preis gibt oder ob dieser nach § 315, 316 BGB durch das KH bestimmt werden kann. Eine ergänzende Vertragsauslegung käme lediglich in Betracht, wenn beide Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Umsatzsteuerfreiheit ausgegangen wären. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Auch eine Vertragsanpassung nach den Regeln zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB ist mangels planwidriger Regelungslücke in den Verträgen nicht möglich. Ein Anspruch auf Rechnungskorrektur besteht schon nicht, da es an der umsatzsteuerrechtlichen Fehlerhaftigkeit der Dokumente fehlt. Dies ist aber Voraussetzung für einen Anspruch nach § 14 c) UStG. |
Landgericht Münster Urteil v. 02.05.2018 Az.: 012 O 449/17 |
Nach Auslegung ist von einer Bruttopreisabrede zwischen den Parteien auszugehen, §§ 133, 157 BGB. Die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgte mithin nicht ohne Rechtsgrund.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt ebenfalls mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Die Parteien haben sich gerade keine Gedanken um die Besteuerung der Arzneimittel gemacht bzw. sind im Zweifel eher von einer Pflicht zur Besteuerung ausgegangen. Durch die Abführung der Umsatzsteuer an das FA ist die Beklagte entreichert, § 818 Abs. 3 BGB. Eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ist ausgeschlossen, die Parteien waren sich hinsichtlich ihrer getroffenen Vereinbarung einschließlich Umsatzsteuer einig. Weiterhin erscheint es als unzumutbar, der Beklagten aufgrund einer einzelnen Vertragsanpassung eine vollständige Anpassung ihrer Umsatzsteuererklärung aufzuerlegen. Ansprüche auf Schadensersatz oder Rechnungskorrektur aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ergeben sich gerade aufgrund mangelnder (Neben-) Pflichtverletzungen nicht. |
Landgericht Mönchengladbach Urteil v. 07.05.2018 Az.: 1 O 215/17 |
Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Werklieferungsvertrag über Zytostatika haltige Arzneimittel finden die Vorschriften des Kaufrechts Anwendung. Die Pflicht des Käufers nach § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung des Kaufpreises schließt daher die Umsatzsteuer ein.
Hinsichtlich des umsatzsteuervertraglichen Elements ist zwischen den Parteien eine Bruttopreisabrede vereinbart worden. Dabei ist die Umsatzsteuer als unselbstständiger Teil des Gesamtpreises anzusehen. § 154 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar, Parteien wollten sich trotz offenem Einigungsmangel vertraglich binden. Dem Verkäufer kommt dahingehend das Recht zu, den Kaufpreis nach billigem Ermessen zu bestimmen (Leistungsbestimmungsrecht), §§ 315, 316 BGB. Dies schließt die Umsatzsteuer ein. Dies ist vorliegend entsprechend geschehen, indem das KH die Umsatzsteuer als unselbstständigen Teil des Gesamtpreises nicht gesondert ausgewiesen hat. Anderweitiges lässt sich auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung erkennen, da es dafür an einer Regelungslücke mangelt. Der Zahlung der Patientinnen liegt insofern der erforderliche Rechtsgrund zugrunde, eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet aus. Anhand subjektiven und objektiven Kriterien beurteilt gab es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Parteien auf die Besteuerungssystematik geeinigt hätten. Eine Anpassung des Vertrages über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB kommt daher ebenfalls nicht in Betracht. Eine Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur besteht für das KH nicht. Fehler in der Besteuerung können aufgrund des sich aus der Bruttopreisabrede ableitenden Leistungsbestimmungsrechts des Verkäufers ausgeschlossen werden, da die Umsatzsteuer dahingehend zum unselbstständigen Teil des Gesamtpreises wurde. Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sind mit selbiger Begründung ebenfalls ausgeschlossen, eine Pflichtverletzung ist nicht begründbar. |
Landgericht Heidelberg Urteil v. 12.04.2018 Az.: 4 O 321/17 |
Kaufverträge sind beidseitig abschließend erfüllt worden, sodass kein Bedarf einer Anpassung nach § 313 BGB besteht.
Eine Pflicht des KH zur Rechnungskorrektur besteht nach Abwägung der Interessen nicht, da es unbillig wäre, der Beklagten sämtliche Kosten zur Aufarbeitung weit zurückliegender abgeschlossener Sachverhalte aufzuerlegen. |
Amtsgericht Dresden Urteil v. 09.04.2018 Az.: 112 C 1973/17 |
Rechtsgrund für die Zahlung der Umsatzsteuer bildet eine zwischen den Versicherten der Klägerin und dem KH geschlossene Bruttopreisvereinbarung. Diese ergibt sich nach Auslegung des vertraglichen Verhältnisses aus § 632 Abs. 2 BGB, wonach die hergestellten Zytostatika zu den Bruttovergütungen abgerechneten werden sollten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt insgesamt preisrechtlich zulässig und üblich waren.
Eine gesondert ausgewiesene Besteuerung des Nettopreises führt nicht unmittelbar dazu, dass dieser Bestandteil der Kondiktion zugänglich ist. Vielmehr bildet die ausgewiesene Umsatzsteuer auf Basis einer Bruttopreisabrede einen rechtlich unselbstständigen Bestandteil der Gesamtvergütung. Entfällt im Nachhinein die Besteuerungspflicht, so führt dies nicht zu Änderungen an dem zwischen den Parteien vereinbarten Gesamtpreis. |
Landgericht Halle Urteil v. 03.04.2018 Az.: 4 O 610/17 |
Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet aus, da KH Umsatzsteuer abgeführt hat und daher nach § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr bereichert ist. Eine positive Kenntnis des KH nach §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da eine solche trotz Urteil des BFH nicht unterstellt werden kann. Dies gilt entsprechend für vor dem o.g. Urteil hergestellte und in Rechnung gestellte Arzneimittel. Fahrlässigkeit des KH begründet keine strengere Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB.
Vertragliche Nebenpflicht zur Herbeiführung einer Neufestsetzung der Steuern und anschließender Erstattung nicht explizit vereinbart. Auch in ergänzender Vertragsauslegung nicht begründbar, da die Interessenlage beider Vertragsparteien einer Nebenpflicht zur Herbeiführung einer Steuer-Neufestsetzung entgegensteht. |
Landgericht Tübingen Urteil v. 21.03.2018 Az.: 4 O 360/17 |
Parteien haben eine Bruttopreisvereinbarung getroffen, die Umsatzsteuer ist daher als unselbstständiger Teil des Preises abgerechnet worden. Eine Zahlung nicht erforderlicher Umsatzsteuer erfolgt daher schon nicht ohne Rechtsgrund, sodass § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht greift.
Erstattungsansprüche über die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung scheiden mangels planwidriger Regelungslücke im von den Parteien getroffenen Arzneimittellieferungs- oder Kaufvertrag aus. Ein beidseitiger Irrtum zur Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht. Schadensersatz kann aufgrund fehlender Pflichtverletzungen der Beklagten nicht gefordert werden. |
Landgericht Hechingen Urteil v. 14.03.2018 Az.: 2 O 289/17 |
Parteien haben eine Bruttopreisvereinbarung getroffen, die Umsatzsteuer ist daher als unselbstständiger Teil des Preises abgerechnet worden. Zahlung daher nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich allein in Anbetracht der Kostenfolgen bei Anwendung des § 14c Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG nicht, dass die Parteien davon ausgegangen sind, Erstattungen würden bei „Fehlabrechnung“ zweifelsfrei erfolgen. Aus der Vereinbarung der Parteien ergibt sich auch nicht, dass die Beklagte eine Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur trifft, sodass Schadensersatzansprüche ausscheiden. Ein kausaler Schaden für den Kläger ist ohnehin nicht entstanden. |
Landgericht Hechingen Urteil v. 14.03.2018 Az.: 2 O 291/17 |
Parteien haben eine Bruttopreisvereinbarung getroffen, die Umsatzsteuer ist daher als unselbstständiger Teil des Preises abgerechnet worden. Zahlung daher nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Mangels beidseitigem übereinstimmenden Irrtum über die Besteuerung der Zytostatika fehlt es an der Grundvoraussetzung für eine Anpassung nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Aus der Vereinbarung der Parteien ergibt sich auch nicht, dass die Beklagte eine Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur trifft, sodass Schadensersatzansprüche ausscheiden. Ein kausaler Schaden für den Kläger ist ohnehin nicht entstanden. |
Amtsgericht Minden Urteil v. 02.03.2018 Az.: 28 C 389/16 |
Rechnungen ohne besonderen Ausweis der enthaltenen Umsatzsteuer stellen Bruttopreisabreden dar.
Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scheitert an der Entreicherung des KH, § 818 Abs. 3 BGB. KH hat Umsatzsteuer an das FA abgeführt, ihm steht weiterhin kein (ggf. an die Klägerin abzutretender) Erstattungsanspruch gegen das FA zu, sodass es hinsichtlich beider Betrachtungsweisen nicht mehr bereichert ist. Die formelle Bestandskraft des Steuerbescheides überlagert die materielle Fehlerhaftigkeit, sodass der durch das FA ergangene Bescheid – spätestens durch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung – bindende Wirkung entfaltet. Eine Abänderung des Steuerbescheides kann daher gem. § 164 Abs. 2 S. 1 AO nicht mehr bewirkt werden. Kein Recht auf Berichtigung der Rechnung, Voraussetzungen zur zulässigen Korrektur gegenüber FA nach § 14c Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da die Umsatzsteuer eben nicht gesondert geschuldet wurde. Bei Bruttopreisvereinbarungen gilt die gesetzliche Umsatzsteuer im angegebenen „Bruttopreis“ als rechtlich unselbstständiger Teil des Preises. Insofern hat KH auch keine Umsatzsteuer unrichtig ausgewiesen, die korrigiert werden müsste. Schadensersatzansprüche gem. §§ 280, 241 Abs. 2 BGB kommen nicht in Betracht, da wegen Bruttopreisabrede und Undurchsichtigkeit der BFH-Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Rechnungstellung keine Pflichtverletzung des KH im Hinblick auf Korrektur der Rechnungen oder des Steuerbescheides. |
Amtsgericht Dresden Urteil v. 01.03.2018 103 C 2264/17 |
Das KH ist nach § 818 Abs. 3 BGB durch Abführung der Umsatzsteuer an das FA entreichert.
Vertragliche Pflichten zur Korrektur der (bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide) sind nicht ersichtlich, sodass mangels Pflichtverletzung auch Ansprüche auf Schadensersatz ausscheiden. |
Landgericht Essen Urteil v. 27.02.2018 Az.: 15 S 162/17 |
Vertragliche Nebenpflichten zur Rechnungskorrektur besteht nicht. Ergänzende Vertragsauslegung zum Kaufvertrag/Werklieferungsvertrag zwischen den Parteien führt nicht zu einer Beseitigung des Rechtsgrundes zur Leistung.
Eine ausdrückliche Einigung der Parteien hinsichtlich des Entgelts ist zwar nicht ersichtlich, eine Kenntnis beider Beteiligten zur Vergütungspflicht der herzustellenden Kaufsache jedoch zu unterstellen. Die Parteien haben daher (zumindest stillschweigend) vereinbart, dass dem KH dahingehend ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs.1 BGB zustehen soll. Ein Einigungsmangel kommt mithin nicht in Betracht, da sich die Parteien zum entscheidenden Zeitpunkt über die festgesetzte Vergütung einig waren und (zu Recht) von einer Umsatzsteuerpflicht der Arzneimittel ausgegangen sind. Von einer unbilligen und damit nach § 315 Abs. 3 BGB unverbindlichen Leistungsbestimmung kann bei fälschlicher Inrechnungstellung von Umsatzsteuer nicht die Rede sein, vor allem wenn dies erst nachträglich bekannt wird. § 313 BGB findet keine Anwendung mehr, da es sich größtenteils um Verträge handelt, die schon seit längerer Zeit vollständig erfüllt sind. |
Landgericht Essen Urteil v. 22.02.2018 Az.: 3 O 353/17 |
Vertragliche Einigung der Parteien (KH und Versicherte) lässt keinen Willen zur Änderung des Kaufpreises abhängig von der jeweiligen Umsatzsteuerpflicht erkennen. Bei Rechnungstellung gegenüber Verbrauchern soll – auch wenn die enthaltene Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird – von einer Gesamtpreisvereinbarung ausgegangen werden, damit der Kaufpreis für den Verbraucher transparent ist. Mithin liegen vertragliche Bruttopreisvereinbarungen vor. Die Umsatzsteuer ist dabei unselbstständiger Teil des Gesamtkaufpreises.
Einer Lösung über ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB steht entgegen, dass bereits keine Lücke im Vertrag vorliegt. Die Bruttopreisvereinbarung regelt die Kaufpreisabrede abschließend, vor allem wenn sich die Parteien zum Zeitpunkt der Rechnungstellung keine Gedanken über die Steuerbarkeit gemacht haben. Es liegen auch keine übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien außerhalb der vertraglich getroffenen Vereinbarungen vor, sodass auch die Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB nicht in Betracht kommt. Es lässt sich auch keine vertragliche Nebenpflicht zur Vertragsanpassung über § 242 BGB begründen. Insofern bestand ein Rechtsgrund zur Leistung durch die Versicherten, es kann folglich dahinstehen, ob das KH durch die Abführung der Umsatzsteuer an das FA nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist oder ihr die nachträgliche Rechnungskorrektur zumutbar ist. Es bestehen weiterhin keine gesetzlichen Ansprüche auf Rechnungskorrektur. |
LG Köln Urteil v. 08.09.2017 Az.: 8 O 464/16 |
Zahlungen erfolgten nicht ohne Rechtsgrund, denn den Verträgen liegen Bruttopreisvereinbarungen zugrunde. Demzufolge obliegt es dem KH im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts nach §§ 315, 316 BGB, ob die Umsatzsteuer als rechtlich unselbstständiger Teil des Gesamtpreises zu klassifizieren ist. Dies kann auch nach Auslegung der Rechnungen nach dem objektiven Empfängerhorizont angenommen werden, da aus ihnen nicht hervorgeht, wie sich der Gesamtbruttopreis im Einzelnen zusammensetzt. Es kann mithin schon mangels ausdrücklicher bzw. eindeutiger Abrede zwischen den Vertragsparteien keine Nettopreisabrede angenommen werden.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, da beide Parteien keinem Irrtum zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterlagen. Eine vertragliche Nebenpflicht des KH zur Korrektur der Rechnungen kann aus dem Vertrag nicht hergeleitet werden. Eine vollständige Rückabwicklung wäre ohnehin mit einem unzumutbaren Aufwand für das KH verbunden. |
Landgericht Aachen Urteil v. 31.08.2017 Az.: 12 O 159/17 |
Mangels anderslautender Vereinbarung liegen den Verträgen Bruttopreisvereinbarungen zugrunde, d.h. die Umsatzsteuer ist als rechtlich selbstständiger Teil des Gesamtpreises zu werten.
Aus dem Schreiben des BMF folgt keine Pflicht zur Rechnungskorrektur durch das KH. Es wird dem Steuerpflichtigem vielmehr freigestellt, ob er eine solche vornehmen möchte. Aufgrund des erheblichen Aufwands und der anzunehmenden Bruttopreisabreden wäre es ohnehin unangemessen, dem KH sämtliche Risiken hinsichtlich einer Rückabwicklung aufzubürden. Für eine ergänzende Vertragsauslegung oder eine Anpassung nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestand kein Raum. Ferner ist eine Umsatzsteuerbefreiung bei Zytostatika-haltigen Arzneimitteln auch Grundlage zur Kalkulation des Endpreises. Eine Steuerbefreiung hat zur Folge, dass der Steuerpflichtige letztlich auch keine Vorsteuer mehr geltend machen kann, sodass eine Rückabwicklung bzw. Erstattung der Umsatzsteueranteile zu erheblichen Margeneinbußen führen würde bzw. die Preiskalkulation gänzlich hinfällig wäre. |
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