Seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.09.2014 (AZ: V R 19/11) haben auch die Gesetzlichen Krankenversicherungen vermehrt Verfahren mit dem Inhalt angestrengt, die durch die Versicherten geleistete Umsatzsteuer auf Zytostatika von den Krankenhäusern zurückzuerlangen.
Dabei wird in der Regel ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) auf Herausgabe ohne Rechtsgrund geleisteter Umsatzsteuer geltend gemacht. Dieser leite sich auch ohne ausdrückliche Normierung aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ab und sei insofern gewohnheitsrechtlich seit langem anerkannt. Maßgeblich ist eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB im Rahmen der Leistungskondiktion. Voraussetzung ist jedoch ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis nach § 69 SGB V, welches nach ganz h.M. in nachfolgenden Fällen unter Beteiligung einer GKV als öffentlich-rechtlicher Kostenträger vorliegt.
Dem Anspruch liegt im Wesentlichen die Argumentation zu Grunde, dass die durch die krankenhauseigene Apotheke hergestellten Zytostatika unter Berufung auf das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs umsatzsteuerfrei seien. Die durch die GKV im Rahmen der Rechnungstellung durch die abrechnenden Krankenhäuser mitgezahlte Umsatzsteuer sei insoweit ohne Rechtsgrund (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) geleistet worden.
Dem wird regelmäßig entgegengehalten, dass die Konkretisierung der Umsatzsteuerpflicht in den Umsatzsteuerverfahren stattfindet und damit der Rechtsgrund in den Umsatzsteuerbescheiden aufgrund Selbstveranlagung bzw. etwaiger späterer Bestätigung durch die Finanzämter liegt. Dementsprechend haben die beklagten Krankenhäuser die festgesetzte Steuer in den nachfolgenden Fällen abgeführt. Dadurch tritt zudem eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ein. Demgegenüber wird auf Klägerseite die Auffassung vertreten, eine Entreicherung könne nicht eintreten, wenn dem Beklagten ein Erstattungsanspruch gegen die Finanzbehörde zustehe. Dieser sei aufgrund seiner unproblematischen Durchsetzbarkeit ein Grund zum fortwährenden Bestehen einer Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB, was wiederum von den Beklagten in Abrede gestellt wird. Dem stehen verschiedene Abwicklungshemmnisse sowie Nachteile und Risiken aus der alleine fremdnützigen Rückforderung entgegen. Schließlich besteht kein Erstattungsanspruch in Höhe der Umsatzsteuer selbst, sondern bestenfalls abzüglich der bereits in Abzug gebrachten und beim Pharmagroßhändler bzw. Pharmaunternehmen verbliebenen Vorsteuer. Ein Erstattungsanspruch in voller Höhe ist ausgeschlossen und damit auch eine Bereicherung in der geltend gemachten Höhe.
In den klageabweisenden Urteilsgründen werden sodann die Leistungsvereinbarungen grundsätzlich als Nettopreisabreden bewertet. Eine vertragliche Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur ergebe sich aus den Arzneimittellieferungsvereinbarungen zwischen den Parteien nicht. Insofern scheiden etwaige Schadensersatzpflichten der Krankenhäuser ebenfalls aus. Auf die weitergehenden Überlegungen zum Bereicherungsrecht kommt es nicht an. Darüber hinaus liegt eine erste Entscheidung zu Versorgungsfällen nach § 14 Abs. 3 ApoG vor, in welcher vom SG Itzehoe der Durchgriff auf das Krankenhaus abgelehnt wurde.
Im Folgenden werden die aktuellen, klageabweisenden Urteile mit den jeweils kurz zusammengefassten Urteilsgründen aufgeführt. Die klageabweisenden Urteile im Bereich der PKV wurden bereits hier dargestellt. Hinweise zu den Revisionsverfahren finden Sie hier.
Dr. Andreas Penner | Benedikt Merten |
Rechtsanwalt | Rechtsanwalt |
Sozialgericht Speyer Urteil v. 09.03.2018 Az.: S 16 KR 680/16 |
Etwaige Rückforderungansprüche aus im Jahre 2012 geleisteter Umsatzsteuer sind ungeachtet des Bestehens eines Rechtsgrundes verjährt. Anwendbar ist die allgemeine Verjährungsfrist aus § 195 BGB. In spezialgesetzlichen Vorschriften aus §§ 63, 64 SGB V, im Vierten Kapitel des SGB V, KHG, KHEntG finden sich keine besonderen Verjährungsfristen. Insofern ist § 195 BGB über den Verweis des § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V unmittelbar anwendbar, sodass die Verjährungsfrist für im Jahre 2012 geleistete Umsatzsteuer zum 31.12.2012 zu laufen beginnt. |
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil v. 16.01.2018 Az.: L 11 KR 4621/16 |
§ 14c UStG unbeachtlich, da USt in Rechnungen des KH nicht ausgewiesen wurde. Zustimmung des FA zu USt-Erklärungen des KH stehen Steuerfestsetzung (trotz Vorbehalt der Nachprüfung) und damit dem Rechtsgrund der Zahlung gleich, daher mangels Fehlen eines Rechtsgrundes kein öffentl.-rechtl. Erstattungsanspruch. SE-Anspruch infolge Nebenpflichtverletzung nicht einschlägig, Nebenpflicht zur Herbeiführung Korrektur der USt-Bescheide besteht nicht. Bei Irrtum beider Parteien bzgl. Umsatzsteuerausweis käme KH sonst ein ausschließliches Risiko zu (maßgeblich daher lediglich das USt-Verhältnis zwischen KH und FA). Steuerrechtliche Pflicht zur Rechnungskorrektur besteht ohnehin im Hinblick auf die Entscheidung des BFH nicht. |
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil v. 16.01.2018 Az.: L 11 KR 1723/17 |
§ 14c UstG nicht anwendbar, Rechnungen im Abrechnungszeitraum lassen gesonderten Ausweis der USt nicht erkennen. |
Sozialgericht für das Saarland Urteil v. 13.12.2017 Az.: S 1 KR 1235/14 |
Zahlungen erfolgten nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst aufgrund ungeklärter Rechtslage mit Rechtsgrund, nach BFH-Urteil fiel dieser jedoch weg, sodass gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 BGB dem Grunde nach ein öffentl.-rechtl. Erstattungsanspruch gegeben wäre (§§ 814, 819 BGB nicht einschlägig). |
Sozialgericht Itzehoe Urteil v. 10.08.2017 Az.: S 20 KR 29/17 |
Keine Durchgriffskondiktion bei Arzneimittel-Abrechnung durch dritte Krankenhaus-Apotheken, wenn diese im eigenen Namen abgerechnet haben. |
Sozialgericht Stuttgart Urteil v. 07.08.2017 Az.: S 9 KR 5628/16 |
Nach ALV erforderliche Rechnungsprüfung umfasst lediglich Einwände und Beanstandungen bzgl. Entgeltes, nicht bzgl. der darauf zu entrichtenden USt. |
Sozialgericht Kiel Urteil v. 18.07.2017 Az.: S 10 KR 262/14 |
RGL kann lediglich ein öffentl.-rechtl. Erstattungsanspruch sein. |
Sozialgericht Reutlingen Urteil v. 14.06.2017 Az.: S 1 KR 3399/14 |
Regelungen zur Nettopreisabrede aus Arzneimittelvereinbarungen bilden Rechtsgrund zur Zahlung der USt durch KK. |
Sozialgericht Nürnberg Urteil v. 22.10.2015 Az.: S 7 KR 601/14 |
Kein späterer Wegfall des Rechtsgrundes für die Zahlung, da nach BSG die Festsetzung des FA zur USt maßgeblich, nicht etwaige Nettopreisabreden zwischen den Kontrahenten. Anspruch des Leistungserbringers auf Überprüfung und Rückabwicklung des Bescheides besteht nicht. |
Beitrag auch anderweitig veröffentlicht