LSG Niedersachsen, Urteil vom 16.06.2020 (Az.: L 16 KR 64/20) – Mindestmengenprognose nach neuem Recht

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LSG Niedersachsen, Urteil vom 16.06.2020 (Az.: L 16 KR 64/20) – Mindestmengenprognose nach neuem Recht

Mit dem Urteil des LSG Niedersachsen (hier abrufbar) liegt nun erstmalig ein Berufungsurteil zur Mindestmengenprognose nach der neuen Rechtslage vor. Zentraler Gegenstand der Entscheidung ist, welcher Zeitraum für die Prognose maßgeblich ist, außerdem welche Umstände im Laufe des Verfahrens noch nachgetragen werden können. Schließlich befasste sich die Entscheidung auch mit der Frage, welche Wirkungen eine Klage des Krankenhauses hat. Das LSG tritt dabei willkürlichen Erwägungen der Krankenkassen entgegen, welche die Leistungen vorrangig aus Ersparnisgründen nicht vergüten wollten. Dem Ziel der Regelung, die Qualität der Versorgung angemessen zu befördern, wird die Entscheidung damit gerecht. Aus Ihr können die nachfolgenden Empfehlungen für die die Prognose- und Rechtsschutzgestaltung entnommen werden.

I. Hintergrund: Reform der Mindestmengenregelung

Die Mindestmengenregelungen wurden durch das Krankenhausstrukturgesetz vom 10.12.2015 reformiert. Die Neuregelung hat die Prognose im Wesentlichen in ein eigenes Verfahren überführt. Demnach müssen die Krankenhausträger jährlich gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen darlegen, die Mindestmenge aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen im jeweils nächsten Kalenderjahr voraussichtlich erreicht wird. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber das Regelbeispiel in § 136b Abs. 4 Satz 4 SGB V normiert, dass eine berechtigte mengenmäßige Erwartung in der Regel dann vorliegt, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht hat. Die Landesverbände der Krankenkassen können diese Prognose bei berechtigten Zweifel widerlegen, was in der Folge zu einem Leistungsverbot führt.

Die Konkretisierungen hinsichtlich des Verfahrensablaufes sowie den inhaltlichen Anforderungen an die Prognose sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) treffen. Dem Auftrag ist der G-BA durch den Beschluss der Mindestmengenregelungen (hier abrufbar) nachgekommen. Die inhaltlichen Anforderungen stellen für die Prognose unteranderem auf das Erreichen der Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr, der Leistungsmenge der letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartales des laufenden Kalenderjahres sowie personeller und struktureller Veränderungen ab.

II. Zentrale Punkte des Rechtsstreites und der Entscheidung

1. Der zentrale Streitpunkt in sachlicher Hinsicht lag in der Beurteilung, welche der bei der Prognose heranziehbaren Zeiträume maßgebend ist. Gegenstand waren Eingriffe am Organsystem Ösophagus, die einer Mindestmenge von zehn Behandlungen unterliegen.

In dem zugrunde liegenden Verfahren hat das Krankenhaus im Juli 2019 für das Jahr 2020 eine positive Prognose getroffen. Insofern wurden im Jahr 2018 die erforderlichen zehn Behandlungen erbracht. Im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2018 bis einschließlich des ersten Halbjahres 2019 erreichte sie sechs Behandlungen. Es seien im August noch vier weitere Operationen geplant. weshalb auch im Jahr 2019 die Mindestmenge erreicht werde. Drei dieser Operationen wurden dann bis zur Widerlegung tatsächlich durchgeführt. Die Landesverbände der Krankenkassen widerlegten die Prognose. Maßgebend sei nach den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG das abgelaufene Jahr. Das sei hier der Zeitraum 2. Halbjahr 2018 – 1. Halbjahr 2019, in welchem die erforderliche Anzahl nicht erreicht wurde. Die geplanten Operationen seien nicht einzubeziehen, da diese nach dem Entscheidungszeitpunkt liegen. Auch seien die Angaben zu den geplanten Operationen nicht plausibel, da die vier Eingriffe innerhalb einer Woche erfolgen sollen.

Das LSG Niedersachsen hat die für das Krankenhaus positive erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und den Bescheid über die Widerlegung aufgehoben. Maßgebend seit aufgrund der gesetzlichen Vorgabe des vorangegangene Kalenderjahr das Jahr 2018, in welchem die erforderliche Anzahl im Krankenhaus erbracht wurde. Unschädlich sei hierbei, dass im aktuelleren Zeitraum die Anzahl nicht erreicht wurde. Zunächst seien auch geplante Operationen – jedenfalls bis zum Zeitpunkt der konkreten Widerlegung – mitzuberücksichtigen. Unabhängig hiervon soll dieser Zeitraum primär dazu dienen, den Krankenhäusern auch bei Nichterreichen der Mindestmengen im Vorjahr die Möglichkeit zu geben, noch eine positive Prognose treffen zu können.

2. Prozessual hat die Entscheidung sodann die im Vordringen befindlichen Tendenz bestätigt, dass eine Klage gegen den ablehnenden Bescheid aufschiebende Wirkung hat. Das heißt, dass ein Krankenhaus, welches den ablehnenden Bescheid anficht, erst einmal zur Leistungserbringung berechtigt bleibt.

III. Entscheidungsgründe

1. Ausweislich der Urteilsgründe war die Prognose des Krankenhausträgers nicht zu beanstanden.

Das LSG Niedersachsen hält zunächst fest, dass die Widerlegung durch die Landesverbände der Krankenkassen gerichtlich voll überprüfbar sei. Eine Widerlegung setze erhebliche Zweifel an der Prognose voraus. Bei dem Tatbestandsmerkmal der erheblichen Zweifel handele es sich um ein objektives und nicht subjektives Merkmal. Das Gericht stützt diese Qualifikation auf die Begründung des Gesetzgebers. Diese hält hierzu fest, dass erhebliche Zweifel auf konkrete objektive Umstände gestützt werden muss. Hieraus folge die volle Überprüfbarkeit.

Das Gericht geht hinsichtlich des maßgebenden Beurteilungszeitpunkt von der gesetzlichen Vorgabe des § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V. Nach dieser Norm liegt eine berechtigte mengenmäßige Erwartung in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat. Auch sieht § 4 Abs. 2 Nr. 1 MM-R als Konkretisierung der Vorgaben des § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V vor, dass die Leistungsmenge des vorausgegangenen Kalenderjahres für die voraussichtliche Leistungsentwicklung mitzuberücksichtigen ist. Geplante Operationen, die zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung noch nicht durchgeführt wurden, können nach den Vorgaben des § 4 Abs. 2 Satz 4 als weiterer Umstand berücksichtigt werden. Unter dem formalen Gesichtspunkt reichte es für die Berücksichtigung aus, wenn die Patientendaten, die geplanten OP-Daten und die Benennung der konkret gefassten Operationen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen genannt werden.

Das vorausgegangene Kalenderjahr im Sinne des § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 4 Abs. 2 Nr. 1 MM-R sei hier das Jahr vor Antragstellung, im konkreten Fall das Jahr 2018. Dieses Ergebnis begründet das LSG Niedersachsen zunächst mit einer grammatikalischen Auslegung des Begriffes. Demnach handele es sich bei einem Kalenderjahr nach dem allgemeinen Verständnis immer um einen Zeitraum zwischen dem 1.1 und 31.12, der hier aufgrund der Verwendung des Begriffes abgelaufen nur im Jahr vor der Antragstellung liegen kann. Gestützt wird dies auch mit der gesetzgeberischen Begründung zum § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V. Der Gesetzgeber ging bei der Einführung § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V davon aus, dass die Anzahl der Widersprüche gegen die Widerlegungen der Landesverbände der Krankenkassen im niedrigen Bereich liegen werde, weil für die Abgabe der Prognose auf der Grundlage der Vorjahreszahlen regelmäßig eine klare Datenlage gegeben ist. Diese klare Datenlage sei stets für das Jahr vor der Antragstellung gegeben, aufgrund des Stichtages indes nicht im Jahr der Antragstellung. Auch die Mindestmengenregelung des G-BA kenne hinsichtlich der Prognose drei unterschiedliche Zeiträume, namentlich dem vorausgegangenen Kalenderjahr, dem laufenden Kalenderjahr und nächsten Kalenderjahr.

Die Prognose sei durch die Landesverbände der Krankenkassen auch nicht widerlegt worden. Soweit die Landesverbände der Krankenkassen unter Verweis auf die BSG Rechtsprechung den Zeitraum des zweiten Halbjahres des vorausgegangenen Kalenderjahres und dem ersten Halbjahr des aktuellen Kalenderjahres der Antragstellung abstellen, sei dem nicht zu folgen. Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei bereits nicht anwendbar, da diese eine Entscheidung nach der alten Rechtslage zu den Mindestmengenprognose zum Gegenstand hatten. Unabhängig hiervon könne aus der Rechtsprechung nicht der Grundsatz geschlossen werden, dass stets die zwölf Monate vor dem Stichtag maßgebend seien. Auch die Rechtsprechung zur alten Rechtslage sah die Möglichkeit, dass die Prognose auch aufgrund des Erreichens der Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr positiv festgestellt werden könne. Gegen eine Maßgeblichkeit des von den Landesverbänden der Krankenkassen genannten Zeitraum spreche auch die gesetzliche Systematik. Insofern stellt der Gesetzgeber eine Vermutungsregel auf, die auf das vorangegangene Kalenderjahr abstellt. Die Intention des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn die Landesverbände der Krankenkassen trotz Erreichen der Mindestmenge im vorangegangenen Kalenderjahr die Prognose aufgrund eines anderen Zeitraums widerlegen könnten.

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Krankenhaus im Zeitraum vom 2. Halbjahr 2018 und dem 1. Halbjahr 2019 nicht erreicht habe. Zunächst führt das LSG Nordrhein-Westfalen aus, dass die geplanten Operationen, von denen drei tatsächlich durchgeführt wurden, zu berücksichtigen sind. Für eine Nichtberücksichtigung reiche der Vortrag, dass die angegebenen Operationsdaten nicht plausibel seien, nicht aus. Für den Fall, dass ein Krankenhaus unter Nennung konkreter Daten geplante Operationen in eine Prognose miteinfließen lässt, treffe die Landeverbände der Krankenkasse für eine Nichtberücksichtigung eine Untersuchungspflicht. Demnach seien die Landesverbände der Krankenkassen angehalten gewesen, bei dem Krankenhaus nachzufragen, ob die geplanten Operationen tatsächlich durchgeführt wurden.

Ohne ausdrückliche Stellungnahme tendiert das LSG Niedersachsen dazu, die Ausführungen zu dem vorgenannten Zeitraum aufgrund des Erreichens der Mindestmenge im Jahr vor der Antragstellung als entbehrlich zu betrachten. Insoweit weist das Gericht auf die Tragenden Gründen des G-BA zur MM-R hin. In diesen geht der G-BA selbst davon aus, dass bei Erreichen der Mindestmenge im vorangegangenen Kalenderjahr stets eine mengenmäßige Erwartung für das Erreichen der Mindestmenge gegeben ist. Auch soll dieser Zeitraum nach Auffassung des G-BA nicht der Widerlegung dienen, sondern im Gegenteil den Krankenhäusern auch bei Nichterreichung der Mindestmenge im Vorjahr eine Gelegenheit zu bieten, eine positive Prognose abzugeben.

2. Weiterhin bestätigt das Landessozialgericht, dass eine Klage aufschiebende Wirkung hat. Dieser Punkt ist relevant, weil sich nämlich die Frage stellte, was im Fall der Uneinigkeit zwischen Krankenkassen und Krankenhaus passiert. Benötigt das Krankenhaus eine positive Entscheidung der Krankenkasse oder genügt die eigene Einschätzung? Ist eine positive Entscheidung der Krankenkassen nötig, würde bei einer Verweigerung erst einmal nicht versorgt werden können. Nur wenn ein Gericht in einem Eilverfahren die Prognose vorläufig bestätigt, würde die Abrechnungsmöglichkeit bestehen. So hatte das ein Senat des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg entscheiden (Beschl. v. 22.08.2019, L 1 KR 196/19 B ER). Anders die Situation, wenn die Einschätzung des Krankenhauses genügt. Dann greift auch bei einer negativen Einschätzung der Krankenkassen die sog. „aufschiebende Wirkung“, wehrt sich das Krankenhaus mit einer Klage dagegen. Das heißt, dass diese negative Einschätzung einstweilen keine Wirkung hat und abgerechnet werden darf. So hatten das bereits ein anderer Senat des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg entschieden (Beschl. v. 10.03.2020, L 9 KR 389/19 B ER) und das Bayerische LSG (Beschl. v. 25.07.2019, L 4 KR 117/19 B ER). Dieser Auffassung hatte sich hier das LSG Niedersachsen mit überzeugender Begründung angeschlossen.

IV. Handlungsempfehlung

1. Prognose

Der Fokus bei Erstellung der Prognose sollte auf das Kalenderjahr vor Antragstellung gelegt werden und diesen als Grundlage nehmen. Wird beispielsweise im Jahr 2021 für das Jahr 2022 eine Prognose erstellt, so kommt es maßgeblich auf das Erreichen der Mindestmenge im Jahr 2020 an. Erreicht ein Krankenhaus die Mindestmenge im Kalenderjahr vor der Antragstellung, so liegen die Hürden für eine Widerlegung durch die Landesverbände der Krankenkassen sehr hoch. In diesem Fall kann auch eine negative Entwicklung in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung für einen positiven Ausgang unschädlich sein.

Erreicht ein Krankenhaus die Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nicht, so bieten sich zwei Schritte an, um doch noch eine positive Prognose treffen zu können. Zunächst sollte festgehalten werden, wie viele Leistungen im Zeitraum des zweiten Halbjahres des vorausgegangenen bis einschließlich des ersten Halbjahres des aktuellen Kalenderjahres erreicht wurden. Sodann sollten in die Prognose auch geplante Operationen miteinbezogen werden. Insofern können ausweislich des Urteils des LSG Niedersachsen geplante Operationen bis zur letzten behördlichen Entscheidung mit in die Bewertung einfließen. Als Richtschnur kann hierbei der 7. Oktober als spätester Zeitpunkt dienen. Insoweit müssen die Landesverbände der Krankenkassen nach § 5 Abs. 6 Satz 2 MM-R die Prognose bis spätestens zum 7. Oktober widerlegen. Hierbei sollten die geplanten Operationen unter Nennung der Patientendaten, geplanten Operationsdaten sowie der Benennung der jeweils konkret ins Auge gefassten Operationen belegt werden. In diesem Fall nimmt man den Landesverbänden den Krankenkassen die Möglichkeit, die geplanten Operationen aufgrund von Implausibilität nicht zu berücksichtigen. Vorstehendes gilt im Übrigen insbesondere für die Prognose für das Jahr 2021. Hier sollten insbesondere die elektiven Operationen, die auf Weisung der zuständigen Behörde aufgrund der COVID-19 Pandemie verschoben wurden, in der Prognose dargelegt werden.

Hinsichtlich des zweiten Weges ist darauf hinzuweisen, dass dieser nicht zwingend zu einer Akzeptanz bei den Landesverbänden der Krankenkassen führen muss und immer noch die Möglichkeit einer Widerlegung besteht. In diesem Fall bestehen dann aber Erfolgschancen, unter Verweis auf das besprochene Urteil eine gerichtliche Aufhebung der Widerlegung zu erreichen.

2. Rechtsschutz

Auch wenn die Krankenkasse der Auffassung sind, die Prognose widerlegen zu können, verbessern sich durch den Beschluss die Aussichten auf einen effektiven Rechtsschutz. Legt man die Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen zu Grunde, führt eine Klage gegen die Widerlegung der Krankenkassen dazu, dass die Leistungen einstweilen erbracht werden können. Sofern dann Krankenkassen die Zahlung verweigern, gilt das als Missachtung der aufschiebenden Wirkung. Diese aufschiebende Wirkung kann festgestellt werden. Für die Dauer des Hauptsachverfahrens können die Leistungen weiter erbracht und abgerechnet werden. Sie sind in dieser Phase auch zu bezahlen. Da ein Hauptsacheverfahren sodann in der Regel länger dauert als der Zeitraum, für den über die Erfüllung der Prognose gestritten wird, scheint schon die Rechtsschutzgestaltung eine effektive Durchsetzung zu gewährleisten.

Allerdings gelten hier verschiedene Einschränkungen, die bei den eigenen taktischen Überlegungen zu beachten sind: 1. Welches Sozialgericht ist hier zuständig? Liegt es in einem Bundesland, in dem die Frage der aufschiebenden Wirkung schon eindeutig entschieden ist oder ist die Frage noch offen und besteht also noch ein Prozessrisiko? Wenn die Frage noch ungeklärt ist, muss dieses Prozessrisiko also eingeschätzt werden und zwar anhand des zuständigen Landessozialgerichtes, da dessen Entscheidung in einem Eilverfahren nicht mehr durch das BSG überprüft werden können. 2. Ist meine Prognose offensichtlich unzutreffend? Auch wenn sich das Krankenhaus selbst eine positive Prognose attestiert, haben die Krankenkassen noch Möglichkeiten über die Anordnung des Sofortvollzuges ein Leistungsverbot zu erwirken, wie auch eine allgemeine Missbrauchsschranke zu beachten ist. 3. Wie sind die Aussichten in der Hauptsache? Wenn nämlich in der Hauptsache das Krankenhaus am Schluss unterliegt, kann es sein, dass die gezahlten Vergütungen zurückgefordert werden können. Ob dies möglich ist, ist noch offen. Das Bayrische LSG hat es auch abgelehnt, darüber in einem Eilverfahren zu entscheiden (Beschl. v. 25.07.2019, L 4 KR 117/19 B ER). Schlussendlich wäre hier dann auch wieder eine Entscheidung des BSG möglich. Alleine auf die Auffassung des zuständigen Landessozialgerichtes darf man sich nicht verlassen. 4. Habe ich einen weitergehenden Zweck? Selbst wenn das Ergebnis nicht ganz eindeutig ist, bleibt sodann noch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass selbst bei Widerlegung der Prognose nun in dem strittigen Zeitraum eine ausreichende Anzahl erreicht werden kann. So dann keine „Sperrzeit“ nach der MmR greift, kann dann zumindest der Folgezeitraum gesichert werden. Auch weicht das Gesetz und die Rechtsprechung auf, sodass eine „self-fullfilling-prophecy“ im Verfahren berücksichtigungsfähig wird, nämlich wenn noch in der Streitphase die Menge erreicht wird und damit dann auch die Qualität.

Folglich bietet die Rechtsschutzgestaltung zusätzliche Optionen. Diese müssen aber differenziert und mit Blick auf den konkreten Fall genutzt werden.

IV. Fazit

Bereits die Neuregelung der Mindestmengen durch das Krankenhausstrukturgesetz war begrüßenswert. Durch die Überführung der Prognose in eigenes Verfahren wurden die Budgetverhandlungen, die hierzu durchgeführten Schiedsstellenverhandlungen und auch die gerichtliche Streitigkeiten auf der Leistungsebene um die komplexe Problematik der Mindestmenge verschlankt. Gerade die Schiedsstellenverhandlungen wurden durch die Mindestmengenproblematik erschwert. Gleichermaßen bestand zugunsten der Krankenkassen die Möglichkeit, aufgrund einer behaupteten, negativen Prognose, die Vergütung für Behandlungen auf dieser Basis erosionsartig zurückzuhalten respektive zurückzufordern. Neben diesem Gewinn an Rechtssicherheit besteht der Vorteil auch in einem schnelleren Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle.

Die Entscheidung des LSG Niedersachsen ist hinsichtlich inhaltlich und auch handwerklich überzeugend. Aus dogmatischer Sicht hat sich das Gericht stets am Wortlaut der maßgebenden Vorgaben des SGB V  sowie der Mindestmengenregelungen gehalten und diesen zutreffend als Ausgangsbasis für die Lösung genommen. Durch die Berücksichtigung der gesetzgeberischen Begründung sowie der tragenden Gründen des Gemeinsamen Bundesausschuss sind auch die Intentionen der Normgeber zum Ausdruck gekommen. Hierdurch werden auch die Ziele, die der Gesetzgeber unter Abwägung der Interessen der an der Gesundheitsversorgung Beteiligten gesetzt hat, tatsächlich umgesetzt. Auch schafft die Klärung der Verhältnisse der in der Mindestmengenregelung des G-BA vorgesehenen Zeiträume ein mehr an Planungssicherheit und erleichterte den Krankenhäusern die Planungssicherheit, da der Widerlegungsspielraum durch Auswahl des für den Krankenhaus ungünstigsten Zeitraum eingeschränkt wurde.

Hinsichtlich der zukünftigen Prognosen ist zu berücksichtigen, dass das LSG Niedersachsen ausdrücklich die Revision gegen sein Urteil zugelassen hat. Die Revisionsmöglichkeit wurde hinsichtlich des Tatbestandsmerkmal „vorausgegangenen Kalenderjahr“ zugelassen. Demnach besteht noch die Möglichkeit, dass die vom LSG Niedersachsen aufgestellten Grundsätze hinsichtlich des maßgebenden Zeitraumes vom Bundessozialgericht noch geändert werden könnten. Derzeit ist indes eine Revisionseinlegung durch die Landesverbände der Krankenkasse nach aktuellem Stand noch nicht erkennbar.

 

Benjamin Fischer                                                              Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt                                                                    Rechtsanwalt