Haftung des MVZ-Geschäftsführers wegen Verletzung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durch die Gesellschaft?
Die Geschäftsführerhaftung im Anwendungsbereich des § 43 Absatz 1 GmbHG ist gerade im Bereich von Verstößen der Gesellschaft gegen privatvertragliche Pflichten und öffentlich-rechtliche Pflichten umstritten. Auch ein weiteres Urteil des BGH gibt hierzu leider keine abschließende Auskunft. Daher muss bis zu einer endgültigen Klärung durch die Rechtsprechung zu einer umfassenden Absicherung des Geschäftsführers geraten werden. Den Risiken aus pflichtwidrigem Geschäftsführerhandeln lässt sich durch eine sogenannte D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) begegnen. Diese wird von der Gesellschaft abgeschlossen und deckt als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organmitglieder mögliche Ansprüche der Gesellschaft oder Dritter gegen die Geschäftsführer ab. Da die Bedingungen der am Markt befindlichen Versicherungen hier nicht einheitlich sind, wird man diese in Zukunft auch auf diesen Haftungsfall hin überprüfen müssen.
1. Hintergrund
Mit seinem Urteil vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17 hat der BGH einmal mehr entschieden, dass es für den Geschäftsführer einer GmbH keine Außenhaftung gegenüber Dritten wegen Verletzung seiner Pflicht aus § 43 Absatz 1 GmbHG, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft sich rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, gibt. Das Urteil bestätigt somit das Senatsurteil vom 10. Juli 2012 – VI ZR 341/10. Mithin bleibt es zunächst hinsichtlich der Außenhaftung des Geschäftsführers dabei, dass er nur wegen einschlägiger und ihn gegenüber dem Dritten verpflichtenden Regelungen haftet. Insbesondere ist hier das Deliktsrecht einschlägig, wobei anerkannt ist, dass die Regelung des § 43 Absatz 1 GmbHG kein Schutzgesetz im Sinne des Deliktsrechts darstellt.
Gemäß § 43 Absatz 1 GmbHG hat ein Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Dieser Sorgfaltsmaßstab umfasst die Sorgfalt eines selbstständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender Position. Es ist allgemein anerkannt, dass sich aus diesem Sorgfaltsmaßstab auch die Pflicht des Geschäftsführers zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung ergibt, was wiederum die Legalitätspflicht beinhaltet. Diese Legalitätspflicht führt dazu, dass der Geschäftsführer nicht nur die an ihn persönlich gerichteten gesetzlichen Verhaltensanforderungen beachten muss, er muss auch dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft selbst ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt.
Gemäß § 43 Absatz 2 GmbHG besteht diese Verpflichtung aber nur gegenüber der Gesellschaft. Dies liegt nach der gefestigten Rechtsprechung daran, dass die Bestimmungen des § 43 Absatz. 1 GmbHG allein Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft begründen. Somit dienen sie nicht dem Zweck, Geschäftsgläubiger vor mittelbaren Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsleitung zu schützen. Daher lässt eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung zwar Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, aber nicht der Gläubiger entstehen. Die Gesellschaft kann somit den Geschäftsführer in Regress nehmen, wenn sie von einem Dritten wegen Verletzung einer gesetzlichen Pflicht in Anspruch genommen wird oder ihr ein anderer Schaden wegen der Pflichtverletzung des Geschäftsführers entsteht.
Somit haftet der Geschäftsführer unmittelbar wegen Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber außenstehenden Dritten.
Im Urteil findet sich leider keine Antwort auf die spannende Frage, ob eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft auch wegen einer Verletzung von privatvertraglichen Verpflichtungen der Gesellschaft entstehen kann und somit in der Konsequenz möglicherweise auch für die Verletzung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einer MVZ-GmbH. Da im hier gegenständlichen Urteil lediglich die Ansprüche eines Dritten gegen den Geschäftsführer geklärt werden sollten, beließ es der BGH bei der Feststellung, dass diese Frage dahinstehen könne, da ohnehin eine Haftung schon wegen des § 43 Absatz 2 nicht vorliegen könne. Es bleibt also festzuhalten, dass eine Haftung des Geschäftsführers wegen einer Verletzung seiner Pflicht aus § 43 Absatz 1 GmbHG sowohl hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen der Gesellschaft als auch hinsichtlich privatrechtlicher Verpflichtungen der Gesellschaft nur gegenüber der Gesellschaft entsteht.
2. Haftung des Geschäftsführers einer MVZ-GmbH wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen der Gesellschaft?
Gerade im Bereich der MVZ-GmbH stellt sich aber die Frage, ob ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft haftet, weil diese die ihr gegenüber bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Gesetzliche Regelungen hierzu gibt es ebenso wie zu Haftungsfragen bei privatvertraglichen Verpflichtungen nicht. Zur Beantwortung der Frage bietet es sich daher an, einen Vergleich mit den zur Frage der Verletzung von vertraglichen Pflichten geführten Diskussionen.
a) Haftung des Geschäftsführers für die Verletzung von privatvertraglichen Pflichten der Gesellschaft
Nach wohl hM in der Literatur soll den Geschäftsführer im Innenverhältnis keine pauschale Rechtspflicht treffen, sämtliche Vertragspflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten nachzukommen. Ihm soll hier ein sogenannter unternehmerischer Handlungsspielraum zustehen. Dieser Handlungsspielraum führt dazu, dass eine Haftung gegenüber der Gesellschaft immer am Einzelfall zu messen sein wird. Es muss also geprüft werden, ob der Handlungsspielraum des Geschäftsführers eine gegen die vertragliche Verpflichtung gerichtete Handlung der Gesellschaft zugelassen hat. Dies wird z.B. anhand von Nützlichkeitsaspekten gemessen. Drohen der Gesellschaft z.B. durch den Vertragsbruch erhebliche Nachteile, so wird man regelmäßig von einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers ausgehen müssen. In anderen Fällen kann es aber wiederum im Gesellschaftsinteresse liegen, einen Prozess und eine Verurteilung der Gesellschaft zum Schadensersatz abzuwarten. Ein Geschäftsführer soll daher immer dann nicht pflichtwidrig handeln, wenn er die unternehmerischen Risiken sorgfältig abgewogen hat.
Dieser Haftungseinschränkung wird entgegengehalten, dass auch Vertragspflichten „gesetzliche“ Pflichten seien, da ihre Geltung und Verbindlichkeit auf der Anerkennung durch die Rechtsordnung beruhen. Daher dürfe dem Geschäftsführer auch in diesen Fällen kein Handlungsspielraum eingeräumt werden.
Mit dem Legalitätsprinzip ist die eingeschränkte Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft für solche „nützlichen Pflichtverletzungen“ jedoch vereinbar. Dies liegt daran, dass dessen Geltungsgrund im Vorrang der Gesetzesbindung liegt und der Vertrag keine Rechtsquelle in diesem Sinn darstellt. Daran vermag wohl auch die Argumentation, welche die Geltung des Vertrages auf die Anerkennung durch Gesetz stützt, nichts zu ändern. Anders wird es wohl zu beurteilen sein, wenn der Geschäftsführer besondere vertragliche Pflichten übernimmt oder ein besonderes Vertrauen des Vertragspartners der Gesellschaft genießt. Hier könnte eine Außenhaftung unmittelbar gegenüber Dritten entstehen.
b) Haftung des Geschäftsführers für die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten
Für die Haftung eines MVZ-Geschäftsführers stellt sich somit die Frage, ob und wann diese Grundsätze zur Verletzung vertraglicher Verpflichtungen bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen der Gesellschaft angewandt werden können.
Gesetzliche Verhaltenspflichten die kraft öffentlichen Rechts bestehen und denen die MVZ GmbH unterliegt, verpflichten schon wegen des Legalitätsprinzips den Geschäftsführer im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft. Gesetzeswidrige Tätigkeiten der Gesellschaft begründen somit einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, soweit der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Ein unternehmerischer Handlungsspielraum wie bei den vertraglichen Verpflichtungen kann es hier schon wegen des Vorrangs des Legalitätsprinzips nicht geben. Dies liegt daran, dass nur einem gesetzestreuen Geschäftsführer ein solcher zugebilligt wird.
Für die öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten wird jedoch teilweise vertreten, dass hier die Grundsätze zu den vertraglichen Pflichtverletzungen gelten sollen. Es also auf Erwägungen der Nützlichkeit für die Gesellschaft ankäme. Ob dies jedoch einer gerichtlichen Entscheidung standhalten würde muss als sehr fragwürdig gesehen werden, da eine Nichterfüllung solcher Pflichten nicht pauschal mit Nützlichkeitsaspekten gerechtfertigt werden kann.
3. Fazit
Wie Eingangs gesagt, sollte das hier beschriebene Haftungsrisiko des Geschäftsführers durch eine D&O – Versicherung abgesichert werden. Der Abschluss einer D&O – Versicherung ist dabei in gesellschafrechtlicher Hinsicht unbedenklich, da sie zugleich auch im Interesse der Gesellschaft und deren Gläubigern liegt. Wegen der typischerweise bestehenden Einschränkungen des Versicherungsschutzes besteht keine Gefahr bezüglich einer Schwächung der verhaltenssteuernden Wirkung der Geschäftsführerhaftung.
Da weder eine allgemeine Rechtspflicht der Gesellschaft zum Abschluss einer solchen Versicherung besteht, noch der Geschäftsführer einen Anspruch auf den Abschluss einer solchen Versicherung durch die Gesellschaft hat, wird es bis zur Klärung der Haftung die Aufgabe der Berater sein auf die Haftungsmöglichkeit hinzuweisen und eine entsprechende D&O-Versicherung auf diesen Haftungsfall hin zu überprüfen.
Jana Junglas
Rechtsanwältin