Sachlich-rechnerische Richtigstellungen mangels QS-Abrechnungsgenehmigungen BSG – Urteil vom (B 6 KA 45/17 R) – Spezial-Labor

Sachlich-rechnerische Richtigstellungen mangels QS-Abrechnungsgenehmigungen
BSG – Urteil vom 24.10.2018 (B 6 KA 45/17 R) – Spezial-Labor

Die Kassenärztlichen Vereinigungen erteilen QS-Abrechnungsgenehmigungen nicht rückwirkend, selbst wenn deren Voraussetzungen offensichtlich vorliegen / vorlagen. Dieses Vorgehen in Verbindung mit dem Totalregress genehmigungspflichtiger Leistungen für genehmigungsfreie Zeiträume hat das BSG in einem aktuellen Urteil ausdrücklich bestätigt. Im vertragsärztlichen System müsse laut veröffentlichtem Terminbericht von Anfang an feststehen, ob Leistungen als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfen.

I. Empfehlung und Kerninhalt der Entscheidung

Aus der Perspektive anwaltlicher Beratung werden die sog. QS-Abrechnungsgenehmigungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (spezielle Genehmigungen gem. § 11 Abs. 2a BMV-Ärzte) regelmäßig in Ihrer Bedeutung unterschätzt. Bei zulassungsrechtlich relevanten Veränderungen der Praxistätigkeit, insbesondere bei Sitzverlegungen, Zweigpraxisgenehmigungen, dem Wechsel des Anstellungsortes oder auch bei der Anzeige ausgelagerter Praxisräume ist zu empfehlen, im Vorhinein – mit ausreichend zeitlichem Vorlauf – die Übertragung der orts- und personengebundenen QS-Genehmigungen zu organisieren bzw. die Abrechenbarkeit der genehmigungspflichtigen Leistungen am jeweiligen Ort und für die jeweiligen Einzelpersonen abzuklären.
Auf die fachliche Qualifikation des jeweiligen Arztes kommt es nicht an. Ist eine QS-Abrechnungsgenehmigung erforderlich, muss ein Arzt diese auch dann rechtzeitig beantragen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen evident vorliegen.
Die Genehmigungsanträge sollten zum Nachweis der zeitgerechten Antragsübermittlung und insbesondere zum Nachweis des Zugangs des Antrags vorzugsweise per Fax und / oder ersatzweise per Einschreiben mit Rückschein an die QS-Abteilung der zuständigen KV übersandt werden. Es kommt nach der Verwaltungspraxis der meisten KVen für den maßgeblichen Genehmigungszeitpunkt auf den Stattgabezeitpunkt und regelmäßig nicht auf den Antragszeitpunkt an, insofern empfiehlt sich dringend eine rechtzeitige Antragstellung mit ausreichend Vorlauf sowie ergänzend zur Beweissicherung ein Eingangsstempel auf den eingegangenen, erteilten QS-Genehmigungen, solange der Genehmigungseingang lediglich mit einfachem Brief erfolgt.

II. Zur BSG-Entscheidung – Urteil vom 24.10.2018 (B 6 KA 45/17 R)

Das BSG hat in der hier besprochenen Entscheidung die vorgehende Entscheidung des SG Mainz, Urteil vom 28.07.2017 (Az.: S 2 KA 66/14) aufrechterhalten, die Sprungrevision blieb ohne Erfolg.

1. Sachverhalt

Die Klägerin betreibt seit 2006 ein MVZ für Laboratoriumsmedizin. Mit Schreiben an die beklagte KV beantragte sie die Genehmigung zur Anstellung eines Facharztes für Laboratoriumsmedizin. Die Genehmigung wurde durch den Zulassungsausschuss antragsgemäß mit Wirkung zum 1.10.2013 erteilt. Mit Schreiben vom 25.9.2013 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass für die Erbringung bestimmter Leistungen (u.a. Laboruntersuchungen nach Abschnitt 32.3 EBM-Ä) eine zusätzliche Genehmigung notwendig sei. Am 20.1.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von speziellen Laboruntersuchungen. Diese Genehmigung wurde mit Bescheid vom selben Tag mit Wirkung zum 20.1.2014 erteilt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Genehmigung habe rückwirkend zum 01.10.2013 erteilt werden müssen. Die Beklagte wies dies durch Widerspruchsbescheid zurück und nahm in der Folgezeit zusätzlich sachlich-rechnerische Richtigstellungen für die Quartale IV/2013 und I/2014 im Umfang von insgesamt ca. 200.000,- Euro vor, welche sie mit der fehlenden Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von speziellen Laboruntersuchungen vor dem 20.1.2014 begründete.
Das SG Mainz hat die gegen den Bescheid vom 20.1.2014 und die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen erhobenen Klagen abgewiesen. Die nach der Qualitätssicherungsvereinbarung zu Laboratoriumsuntersuchungen (Anhang zu Abschnitt E der Labor-RL der KÄBV) erforderliche Genehmigung habe bis zum 20.1.2014 nicht vorgelegen. Die Klägerin habe vor dem 20.1.2014 auch keinen Antrag auf Genehmigung gestellt, sodass bereits die Voraussetzungen für eine Genehmigung insoweit nicht erfüllt gewesen seien. Eine rückwirkende Erteilung komme nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht in Betracht.
Die Klägerin machte mit der Sprungrevision geltend, für einen angestellten Facharzt für Laboratoriumsmedizin benötige ein MVZ keine zusätzliche Genehmigung, um spezielle laboratoriumsmedizinische Untersuchungen durchführen und abrechnen zu dürfen. Diese Leistungen gehörten zum Kern des Fachgebietes eines Facharztes für Laboratoriumsmedizin, sodass die Anforderung einer zusätzlichen Genehmigung in unzulässiger Weise in den Zulassungsstatus eingreife und Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletze.

2. Entscheidung des BSG

Ausweislich des veröffentlichten Terminberichts hat das BSG den „Qualitätssicherungsargumenten“ den Vorzug eingeräumt und – letztlich im Hinblick auf die bisherigen Entscheidungen zum Ausschluss jeglicher Rückwirkungen im Vertragsarztrecht konsequent (s. etwa BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 6 KA 15/08 R, Rn. 15 – juris) – auch bei den QS-Abrechnungsgenehmigungen eine Rückwirkung abgelehnt, unabhängig davon, ob die Genehmigungsvoraussetzungen dem Grunde nach oder sogar evident vorliegen.

3. Zugrundeliegende Entscheidung des SG Mainz

Das SG Mainz hat in dem der BSG-Entscheidung zugrundeliegenden sozialgerichtlichen Verfahren zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
§ 135 Abs. 2 SGB V enthalte eine Ermächtigungsgrundlage für die Beteiligten des Bundesmantelvertrags Ärzte (BMV-Ä) zur Regelung der Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung bestimmter Leistungen. Die KBV habe gem. § 75 Abs. 7 SGB V von dieser Ermächtigung in zulässiger Weise durch Erlass der Laborrichtlinie (Richtlinien der KBV für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen in der kassenärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung – LabRL) Gebrauch gemacht. Nach Lit. F der Richtlinie gelte ein Antrags- und Genehmigungserfordernis für die Abrechnung laboratoriumsmedizinischer Leistungen. Erst ab dem 20.01.2014 verfüge die Klägerin über eine entsprechende Genehmigung für die Leistungen von Dr. K. Daran ändere auch die Facharztbezeichnung „Arzt für Laboratoriumsmedizin“ des Dr. K nichts, weil diese nicht von dem Antragserfordernis entbinde. Für die Zeit vor dem 20.01.2014 liege kein entsprechender Antrag vor, sodass auch kein Anspruch auf Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung bestünde. Der Anstellungsgenehmigungsantrag sei klar von dem Abrechnungsgenehmigungsantrag rechtlich zu trennen. Hier treffe die KV auch keine besondere Hinweispflicht oder Beratungspflicht. Der Arzt sei aufgrund seines „Bildungsniveaus“ grundsätzlich in der Lage, zu wissen, was er beantragen müsse. Eine Rückwirkung der Genehmigung scheide ebenso aus, weil die Genehmigung konstitutiv für die Abrechnung wirke, so dass hier für eine Rückwirkungsfunktion kein Raum bliebe. Hier verweist das SG auch auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG zur „generellen“ Ablehnung der Rückwirkung im Vertragsarztrecht (a.a.O.). Nach alledem erweise sich der Hauptantrag als unbegründet.

III. Rechtliche Anmerkungen

Zu einem der „grundsätzlichsten“ Prinzipien im Vertragsarztrecht gehört die fehlende Bereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die das Rechtsgebiet betreffende gerichtliche „Feststellung“ der Unmöglichkeit von Rückwirkungen bei statusrechtlichen und auch sonstigen behördlichen Entscheidungen. Ob sich das BSG vorliegend bei der Begründung eines diesen Rückwirkungsausschluss tragenden besonderen Qualitätssicherungsarguments noch gesteigerte Mühe gibt, muss abgewartet werden, kann im Ergebnis aber auch dahinstehen.
Vertragsärzte, BAG und MVZ tun sehr gut daran, QS-Abrechnungsgenehmigungen – auch beim evidenten Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen – rechtzeitig, für alle Behandler und für alle Standorte der Praxis zu beantragen und Einzelfragen im Kontext genehmigungspflichtiger Leistungen sehr ernst zu nehmen sowie hinreichend nachweisbar den rechtzeitigen Austausch mit der QS-Abteilung der jeweils zuständigen KV auch zu dokumentieren. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verstehen sich – gerichtlich deutlich unterstrichen (s.o.) – vermeintlich zu Recht nicht als Hinweisgeber oder Berater in diesem Zusammenhang und fordern gewährte Vergütungen für „genehmigungsfreie Zeiträume“ – wie vorliegend – nach unserer Erfahrung auch konsequent zurück.

IV. Ergänzender Hinweis wegen Laborreform

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich auch durch die neuere Laborreform nichts an der grundsätzlichen Genehmigungspflicht im Speziallabor-Bereich geändert hat (vgl. insbesondere die Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur Erbringung von speziellen Untersuchungen der Laboratoriumsmedizin (Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor, Vertragsdatum: 05.03.2018, Inkrafttreten: 01.04.2018; dort insb. §§ 2 und 3, abrufbar im Internet unter: http://www.kbv.de/media/sp/Spezial_Labor.pdf; für weiterführende Hinweise zur Laborleistungserbringung und Laborleistungsabrechnung vgl. http://www.kbv.de/media/sp/Laborkompendium_final_web.pdf ).

Dr. Felix Reimer, LL.M. (Medizinrecht)

Rechtsanwalt