Betriebsprüfung Sozialversicherungspflicht Honorararzt, keine Säumniszuschläge bei fehlender Kenntnis

 

Betriebsprüfung Sozialversicherungspflicht Honorararzt, keine Säumniszuschläge bei fehlender Kenntnis

Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Urteil vom 09.05.2018 zwar eine abhängige Beschäftigung eines Honorararztes und damit eine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung bestätigt, aber die Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgehoben. Säumniszuschläge sind nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Wenn sich ein Arbeitgeber im Fall einer höchst- und obergerichtlich nicht geklärten Rechtsfrage einer seriös vertretenen Rechtsauffassung anschließt und auf diesem Wege zur Annahme von Versicherungsfreiheit gelangt, auch wenn diese sich im Nachhinein als unzutreffend herausstellt, fallen Säumniszuschläge nicht an.

Wir empfehlen Ihnen, bei Vorliegen eines Betriebsprüfungsbescheides nicht nur die Berechtigung der Feststellung zur Sozialversicherungspflicht zu prüfen, sondern auch dann, wenn man grundsätzlich die Nachberechnung akzeptiert, die Säumniszuschläge auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Sollte eine Nachentrichtung erfolgt sein, weil man (rechtsirrig?) auf Basis einer vertretbaren Rechtsauffassung von einer Sozialversicherungsfreiheit ausgegangen ist, sollte zumindest wegen der Säumniszuschläge Widerspruch erhoben und die fehlende Kenntnis glaubhaft gemacht werden.

 

Sachverhalt

Zu beurteilen war folgender Sachverhalt: In einem Krankenhaus fand eine Betriebsprüfung seitens der Deutschen Rentenversicherung statt. Geprüft wurden unter anderem Honorarverträge mit Fachärzten. Das Krankenhaus hatte in der Vergangenheit ärztlichen Personalbedarf unter anderem über Honorarkräfte gedeckt. Das Krankenhaus ging davon aus, dass die Honorarärzte auf selbstständiger Basis freiberuflich tätig werden. Meldungen zur Sozialversicherung erfolgten demgemäß nicht. Nach erfolgter Betriebsprüfung erging sodann ein Bescheid wonach vier Honorarärzte im Prüfungszeitraum beim Krankenhaus sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Es wurde ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 19.093,25 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 4.123 € festgesetzt. Auf den in dem hier geschilderten Verfahren beteiligten Facharzt für Urologie entfiel eine Nachforderung von 1.610,28 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 272,50 €. Für den Arzt wurde in 1. und 2. Instanz eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt und die durch die Rentenversicherung festgesetzte Beitragsnachforderung bestätigt. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen wurde jedoch aufgehoben.

 

Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen

Die abhängige Beschäftigung des Honorararztes wurde letztendlich unter anderem wegen der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Krankenhauses und einer Weisungsabhängigkeit bejaht. Eine konkrete Versicherungspflicht bestand jedoch lediglich im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Dementsprechend wurde eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Folgerichtig erfolgte eine entsprechende Beitragsfestsetzung für den Prüfzeitraum.

Insoweit ist das Urteil nicht überraschend, sondern reiht sich in eine Vielzahl von ähnlichen Entscheidungen ein, die ebenfalls von einer abhängigen Beschäftigung im Fall von Honorarärzten bei einer Tätigkeit in einer Klinik ausgehen. Derzeit sind einige Verfahren zur Frage der Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten beim Bundessozialgericht anhängig. Höchstrichterliche Rechtsprechung bleibt daher weiterhin abzuwarten. Gleichwohl sollte der Abschluss von Honorarverträgen auf freiberuflicher selbstständiger Basis kritisch hinterfragt und möglichst vermieden werden.

Hervorzuheben ist jedoch die Entscheidung des Landessozialgerichtes, soweit die Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgehoben wurde. Das LSG gibt insoweit Anhaltspunkte für die Anwendung von § 24 Abs. 2 SGB IV. Dieser lautet: „Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.“.

Das LSG hat ausgeführt, welcher Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Anwendung von § 24 Abs. 2 SGB IV anzulegen ist. Der im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB IV verwendete Begriff der „Kenntnis“ umfasst das sichere Wissen um die Verpflichtung der Beitragszahlung. Der Sorgfaltsmaßstab ist zum einen ausgehend von dem Begriff der „Kenntnis“ und zum anderen ausgehend von der Funktion der Säumniszuschläge, unter anderem Druck auf den Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten auszuüben, zu betrachten. Nach Auffassung des LSG führt eine solche Auslegung da hin, dass es weder vorwerfbar sein kann noch die Ausübung von Zahlungsdruck rechtfertigt, wenn sich ein Arbeitgeber bei ungeklärter Rechtsfrage einer seriös vertretenen Rechtsauffassung anschließt und zur Annahme von Versicherungsfreiheit gelangt, auch wenn diese sich im Nachhinein als unzutreffend herausstellt. Anderenfalls wäre jede fehlerhafte Statusbeurteilung automatisch als mindestens fahrlässig einzustufen und damit § 24 Abs. 2 SGB IV jeglicher Anwendungsbereich genommen.

Wendet man nunmehr diesen Maßstab auf den Fall der Beschäftigung von Honorarärzten an, so scheidet die Festsetzung von Säumniszuschlägen aus. Die Frage der Versicherungspflicht von Honorarärzten ist nach Auffassung des LSG bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Es wird mit ernstzunehmenden Argumenten die Ansicht vertreten, dass Honorarärzte keiner abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV nach gingen. Zumindest im damaligen Prüfzeitraum (2008-2011) existierte keine einhellige Rechtsprechung. Aufgrund fehlender Kenntnis wurde die Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgehoben.

 

 

Tanja Koopmann-Röckendorf, LL.M.oec.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht/Fachanwältin für Sozialrecht