BSG, Urt. v. 09.04.2019, B 1 KR 5/19 R: Krankenhäuser müssen Umsatzsteuer erstatten!?

 

BSG, Urt. v. 09.04.2019, B 1 KR 5/19 R: Krankenhäuser müssen Umsatzsteuer erstatten!?

Krankenhausapotheken dürfen nach § 129a SGB V auf Kosten der Krankenkassen an deren Versicherte unter anderem individuell hergestellte Arzneimittelzubereitungen, also z. B. Zytostatika und monoklonale Antikörper für Chemotherapien, für die ambulante Behandlung im Krankenhaus abgeben. Diese Abgaben von Zytostatika galten bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 24.09.2014 als umsatzsteuerpflichtig. Das stufte der BFH als irrtümlich ein. Folglich schien die Umsatzsteuer überzahlt und es kam zu einer  bundesweiten Rückforderungs- und Klagewelle vieler Krankenkassen gegen Krankenhäuser auf diesbezügliche Rückerstattung.

Der Entscheidung folgten Umsetzungsmaßgaben an die Finanzverwaltung durch das Bundesministerium der Finanzen für Arzneimittelzubereitungen. Diese Umsetzungsmaßgaben enthielten notwendigerweise auch Vorgaben für zurückliegende Zeiträume, beließen es aber in der Entscheidungsfreiheit der Krankenhäuser, ob sie rückabwickelten oder nicht (Erlass vom 28.09.2016). Krankenhäuser wollten dementsprechend von der Rückabwicklung gänzlich absehen, was aus vielen Gründe nachvollziehbar war. Auf die zu Grunde liegenden Erwägungen konnte dann auch die Ablehnung der Erstattung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gestützt werden. So sah es jedenfalls die Vorinstanz, das LSG Baden-Württemberg (im Überblick zum Stand vor den Entscheidungen der höchsten Gerichte siehe hier sowie zum vorherigen Stand der Zivilgerichte und der Sozialgerichte).

Anders sah es der 1. Senat des BSG, der das vorliegende Verfahren erst jüngst vom 3. Senat an sich gezogen hatte.

Er bejahte grundsätzlich einen solchen Rückerstattungsanspruch (vgl. Terminsbericht vom 10.04.2019 und Pressebericht vom 10.04.2019).

Dem Terminsbericht nach liegt es dafür nahe, dass die Entscheidung Anleihen bei der vorausgegangenen Entscheidung des BGH nahm (BGH , Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18; VIII ZR 66/18; VIII ZR 115/18; VIII ZR 189/18 – vgl. hier).

Ausblick

Die Reichweite der nunmehr ergangenen BSG-Entscheidung ist aktuell schwer zu beurteilen. Die Krankenkassen ziehen gegenüber Pressevertretern sehr weitreichende Rückschlüsse. Diese dürften aber nicht gerechtfertigt sein. In dem Verfahren war nur der Umsatzsteueranteil streitig gestellt, der auf den sog. Arbeitspreis entfiel. Damit wird die Dienstleistung der Apotheker bei der Zubereitung vergütet. Für diese fällt keine Vorsteuer weg, sodass die Auswirkungen weniger schwer wiegen. Ob und inwieweit dem Urteil dann auch Folgerungen für die sonstigen Umsatzsteueranteile zu entnehmen sind, werden also erst die Entscheidungsgründe zeigen. Diese wären indes auch nicht abschließend, zumal der Prozessstoff für diese Problematik nicht notwendigerweise endgültig aufbereitet und beschieden ist. Denn das das weitere Verfahren in Sachen Rückerstattung von Umsatzsteuer aus der Abgabe von Zytostatika, das die Vorsteuer und deren Berücksichtigung zum Gegenstand hatte (B 1 KR 5/18 – s. hier), ist durch Vergleich beendet worden und nicht zum Streitentscheid gekommen.

Da im Übrigen bundesweit auch schon in vielen anderen Fällen Vergleiche abgeschlossen worden sind, dürfte die gesamtwirtschaftliche Bedeutung für die Kassen allerdings geringer sein. Die mitunter von Prozessvertretern der Kassen behaupteten „astronomischen Summen“ erscheinen mehr als Blütenträume von Verfahrensbevollmächtigten, die eher dem Eigeninteresse entspringen, denn validen Daten geschuldet sind. Unverändert bleibt dagegen die Bedeutung für einzelne Einrichtungen. Noch besteht keine Sicherheit für die durch den BGH erfreulich klar gesehene Selbstverständlichkeit, dass auch im ungünstigsten Fall grundsätzlich nicht mehr erstattet werden muss, als beim Finanzamt an Erstattungen erreicht werden kann.

 

Dr. A. Penner             Julia Zink
Rechtsanwalt             Rechtsanwältin