BVerwG prüft finanzielle Ungleichbehandlung zugunsten kommunaler Krankenhäuser
Nach Medienberichten hat das Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2025 über eine rechtliche Vorfrage zur Finanzierung von Krankenhäusern entschieden. Ausgangspunkt war eine Klage eines Krankenhauses der Agaplesion-Gruppe in Frankfurt gegen die nachhaltigen und umfassenden Zuschüsse der Stadt Frankfurt zugunsten des Klinikum Höchst. Hintergrund sind die verbreiteten Verlustübernahmen der öffentlichen Hand zugunsten von Ihnen getragenen Krankenhäusern, die sich neben Universitätskliniken vor allem auf durch Kommunen oder Kreise getragene Einrichtungen auswirken. Diese nehmen in Einzelfällen extreme Dimensionen an, z. B. die ebenfalls beklagte Übernahme eines jährlichen Defizites von über 140 Millionen des Vivantes-Konzerns durch die Stadt Berlin. Dahinter steht aber mittlerweile auch ein flächendeckendes Phänomen. Eine Dimension von zumindest 4 Milliarden pro Jahr an finanziellen Zuschüssen im kommunalen Bereich ist nämlich weithin unstrittig. Zum Vergleich: die öffentlichen Fördermittel für Krankenhäuser insgesamt belaufen sich ebenfalls in der Dimension von 4 Milliarden Euro, die Verlustübernahmen der öffentlichen Hand erreichen aber eben die „eigenen“ Häuser in der öffentlichen Hand, die weniger als die Hälfte der Krankenhausbetten führen. Das heißt vereinfacht: Würde überall gleich unterstützt, müssten öffentlichem und privaten/freigemeinnützigen Bereich je 6 Milliarden zugutekommen. Tatsächlich bekommen öffentliche Einrichtungen 6 Milliarden und private/freigemeinnützige Einrichtungen 2 Milliarden. Das ist eine Differenz von knapp 50 Euro je von einem Krankenhaus versorgten Einwohner oder kann den Unterschied für das Überleben ausmachen. Die Umsatzrendite eines Krankenhauses liegt 0 bis 5 Prozent und der dominierende GKV-Umsatz liegt mittlerweile knapp unter der Schwelle von 100 Milliarden, sodass der Umsatz der privaten/freigemeinnützigen sich grob überschlagen auf 50 Milliarden beläuft. 4 Milliarden machen dann 8% aus, was angesichts der ansonsten nur eingeschränkt zu beeinflussenden finanziellen Rahmenbedingungen den entscheidenden Unterschied ausmachen kann, ob längerfristig das Überleben möglich ist oder nicht.
Diese zunehmende Unwucht ist vermehrt der rechtlichen Überprüfung ausgesetzt, wobei sich die Frage stellt, welche rechtlichen Bestimmungen verletzt sein könnten, also ob es z. B. nur eine reine Wettbewerbsverzerrung wie im Verhältnis zwischen Privaten in Rede stünden oder auch die Grundrechte – Berufsfreiheit und Gleichbehandlung – privater und freigemeinnütziger Träger betroffen sein können. Im letztgenannten Fall gilt – vereinfacht gesagt – ein schärferer Prüfungsmaßstab.
Zugunsten dieses schärferen Prüfungsmaßstabes hat sich nun das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen. Es hatte dabei aktuell nur über die Frage zu entscheiden, wer zuständig ist: Zivil- oder Verwaltungsgerichte. Wenn der schärfere Maßstab unter Beachtung der Grundrechte im Verhältnis zur öffentlichen Hand gilt, sind es die Verwaltungsgerichte. Dafür hat nun das Bundesverwaltungsgericht votiert. Das ist noch keine Entscheidung in der Sache, eröffnet aber durch Zurückverweisung an die Ausgangsinstanz, das Verwaltungsgericht Frankfurt, nun eine vertiefte Prüfung unter Beachtung der Grundrechte. Auch soll das Bundesverwaltungsgericht auf die Beachtung der Trägervielfalt und die Finanzierungsvorgaben hingewiesen haben.
Die damit bestätigte Notwendigkeit der vertieften Überprüfung ist erfreulich. Die einleitend genannte Schieflage, die politisch nicht angepackt wird, hat dabei zwei relevante Dimensionen. Die erste kann darin liegen, dass kommunalen, „unwirtschaftlichen“ Häusern das Überleben auf Kosten effizienten privaten/freigemeinnützigen Häusern gesichert wird. Auf dieses Moment richtet sich der Fokus des genannten Verfahrens. Die Rüge liegt darin, dass eine kommunale Einrichtung zu Unrecht unterstützt wird und das Petitum geht dahin, diese Förderung zu unterlassen. Das dürfte aber nur ein Teil der Wahrheit sein. Der andere Teil liegt darin, dass sich eben ein chronische Unterfinanzierung in den Investitionskosten feststellen lässt, welche sich just eben in der Dimension von 4 Milliarden je Jahr bewegt. Das heißt: selbst ein bestens geführtes Haus kann nachhaltig nicht ohne zusätzliche Unterstützung auskommen, weil die Aufwendungen für Betrieb und Investitionen nicht gedeckt sind. Das Petitum ist dann nicht, die Unterstützung kommunaler Einrichtungen zu unterlassen, sondern auch bei privaten und freigemeinnützigen Einrichtungen die Deckungslücke zu schließen. Dabei könnte die Wahrheit insgesamt in der Mitte liegen: nicht auch zusätzliche 4 Milliarden für die privaten und freigemeinnützigen Einrichtungen, sondern „nur“ 2 Milliarden statt 4 Milliarden an kommunale Häuser und dafür zusätzliche 2 Milliarden an private und freigemeinnützige Häuser. Notwendigen Bedarf zu decken ist dann das eine, unwirtschaftliche Einrichtungen nicht durchzufüttern das andere. Dazu käme außerdem die Frage, woher das Geld kommen sollte. Kommunen und Kreise wären sicher nicht die Erstberufenen, fundamentale Finanzierungsmängel im Bereich der Krankenhausfinanzierung zu beheben.
Diese wichtigen Fragen werden sich in dem genannten Verfahren nicht klären lassen, zumal dessen Fokus auf dem Unterlassen liegt. Die Frage der Auch-Förderung von privaten und freigemeinnützigen Häusern kann sich dann nur mittelbar auswirken, z. B. für den Fall, dass eine Rechtfertigung für eine subsidiäre Übernahme unvermeidlicher Verluste festgestellt würde. Damit würden aber immerhin Finanzierungsdefizite bestätigt, was die Debatte einer auskömmlichen und trägerunabhängig fairen Finanzierung befördern kann. Für die Gestaltung einer adäquaten stationären Versorgung wäre das zu wünschen.
Prof. Dr. Andreas Penner
Rechtsanwalt
Quellen:
Agaplesions Klage gegen Frankfurt: Etappensieg vor Bundesverwaltungsgericht – kma Online
Krankenhausstatistik DKG November 2024
„Bei der Finanzierung hakt es immer noch“: Deutscher Städtetag