Referentenentwurf zur Ärzte-Zulassungsverordnung: Reform mit angezogener Handbremse
Das Bundesgesundheitsministerium hat einen neuen Referentenentwurf zur Reform der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) veröffentlicht. Ziel der Reform ist es, die Verordnung an die gewachsene Komplexität der ambulanten Versorgungsstrukturen anzupassen und die Verfahren zu vereinfachen. Der Entwurf bringt durchaus sinnvolle Neuerungen mit sich – bleibt jedoch in vielen Bereichen hinter dem zurück, was aus Sicht der Praxis erforderlich wäre.
Zum Referentenentwurf des BMG (PDF).
Was bringt der Entwurf? – Einordnung der wesentlichen Neuerungen
Ein zentrales Element des Referentenentwurfs ist die Reduzierung von Genehmigungserfordernissen bei Vertretungen und Assistenzärzten. Besonders bei krankheitsbedingten Ausfällen sollen die Vertretungszeiträume ohne gesonderte Genehmigung verlängert werden – von bisher drei auf künftig sechs Monate innerhalb von zwölf Monaten. Auch die internen Vertretungsmöglichkeiten sollen erweitert werden. Beispielsweise wird es künftig möglich sein, den Versorgungsumfang des Vertreters vorübergehend zu erhöhen, um die Abwesenheit des vertretenen Arztes besser aufzufangen – ohne dass sich das Gesamtleistungsvolumen der Praxis dadurch verändert.
Eine weitere Neuerung betrifft die Weiterbildungsassistenz. Künftig soll ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag bis zu zwei Vollzeit-WBAs oder vier Teilzeitassistenten (mit je 0,5 Versorgungsanteil) gleichzeitig beschäftigen dürfen. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten zeitgleich in der Praxis tätig sind. Was auf den ersten Blick wie eine erfreuliche Erweiterung aussieht, lässt jedoch bei genauerem Hinsehen Fragen offen. Denn eine explizite Regelung dazu, ob auch angestellte Ärzte Weiterbildungsassistenten beschäftigen dürfen, fehlt weiterhin. Zwar ist es derzeit in vielen Kassenärztlichen Vereinigungen gelebte Praxis, dass angestellte Ärzte – etwa in MVZ – mit entsprechender Befugnis der Ärztekammer WBA einsetzen dürfen. Doch eine eindeutige gesetzliche Grundlage fehlt. Gerade in einem Reformentwurf wäre hier ein klarer Regelungswille zu erwarten gewesen – bleibt aber aus.
Auch im Bereich der Verwaltungsprozesse enthält der Entwurf einige moderate Erleichterungen. So wird die Antragstellung digitaler, indem z. B. auf den Lebenslauf verzichtet wird und Unterlagen, die bereits für das Arztregister eingereicht wurden, nicht erneut vorgelegt werden müssen. Die elektronische Antragstellung wird durch Verweise auf § 36a SGB I erleichtert. Auf der anderen Seite ist aber auch eine Gebührenerhöhung um 10 % vorgesehen – ergänzt um neue Gebührentatbestände, etwa bei der Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft oder der Eintragung von Ermächtigungen ins Arztregister.
Wo bleibt der große Wurf? – Kritik an fehlendem Mut zur Vereinfachung
Trotz der genannten Anpassungen sehen viele Akteure im Referentenentwurf nicht mehr als ein Stückwerk. Es fehlt insbesondere ein verfahrenserleichtender Digitalisierungswille. Zwar werden Online-Sitzungen und die elektronische Antragstellung vereinfacht, doch eine durchgängige Digitalisierung der Antragsverfahren bleibt aus. Schriftform und Medienbrüche prägen weiterhin den Alltag: Anträge werden ausgedruckt, postalisch eingereicht und später von den KVen wieder digitalisiert – ein aufwendiger und ineffizienter Prozess, der bei geeigneten Rahmenbedingungen längst digitalisiert und teilautomatisiert ablaufen könnte.
Auch andere zentrale Hebel zur Entlastung der Zulassungsausschüsse werden nicht genutzt. So sieht der Entwurf keine Einführung eines Anzeigeverfahrens mit Genehmigungsfiktion vor – eine Maßnahme, die gerade bei formal gebundenen Entscheidungen erhebliche Beschleunigung bringen könnte. Ebenso fehlt ein Umlaufverfahren für gebundene Entscheidungen, etwa bei der Genehmigung formell vollständiger Anträge, bei denen der Ausschuss keinen Entscheidungsspielraum hat. Die Einführung solcher Verfahren hätte die Möglichkeit geboten, bis zu 70 % der aktuellen Antragsvorgänge deutlich effizienter zu bearbeiten.
Auch eine Regelung zur Rückwirkung von Genehmigungen auf den Antragszeitpunkt fehlt – ein weiterer potenzieller Hebel, um Verfahren zu entbürokratisieren und die Reaktionsgeschwindigkeit in der Versorgung zu erhöhen.
Strukturelle Hürden bleiben – und sie werden teurer
Der Gesamtprozess von der Arztregistereintragung über die Zulassung bis hin zur Qualitätssicherung ist mittlerweile zu einem gravierenden Bremsfaktor im System geworden. Die Bearbeitungszeiten sind lang, die Verfahrenswege komplex, und das Antragshandling ist durch erhebliche regionale Unterschiede in der Verwaltungspraxis geprägt. Unterschiedliche Interpretationen durch KVen und Zulassungsausschüsse führen zu einem hohen Kommunikationsaufwand – aufseiten der Antragsteller ebenso wie bei der Selbstverwaltung. Dieser Mehraufwand verursacht nicht nur Frustration, sondern auch erhebliche Kosten für alle Beteiligten – und verlangsamt gleichzeitig dringend notwendige Personalentscheidungen im ambulanten Sektor.
Fazit: Fortschritte in Details, kein Systemwandel
Der neue Referentenentwurf zur Ärzte-ZV enthält ohne Frage einzelne sinnvolle Anpassungen – etwa bei der Flexibilisierung der Vertretungsregelungen und der Erweiterung der Weiterbildungsassistenz. Auch einige Verfahrenserleichterungen im Antragsprozess sind zu begrüßen. Doch insgesamt bleibt der Entwurf ein vorsichtiger Kompromiss statt eines echten Aufbruchs. Die strukturellen Probleme – Bürokratie, Verlangsamung, Medienbrüche und unklare Rechtslagen – werden nicht substanziell angegangen.
Gerade angesichts der sich zuspitzenden Versorgungssituation in vielen Regionen wäre ein mutigerer, systematisch durchdachter Reformschritt dringend geboten. Die KVen – und insbesondere die FALK – haben hierzu tragfähige und praktikable Vorschläge auf den Tisch gelegt. Ob diese im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch aufgegriffen werden, bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Andreas Penner Carolin Behr, LL.M. (Medizinrecht)
Rechtsanwalt Rechtsanwältin